Aktuell ist das Thema Impfungen präsent wie nie, denn die ganze Welt sucht nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus (COVID-19). Wer das Rennen macht, ist unklar. Was aber klar ist: Die Grippesaison steht direkt vor der Tür und bringt für Menschen mit chronischen Erkrankungen die Frage mit sich, ob eine Grippeimpfungen schützt oder durch das Coronavirus eher Risiken birgt? Zu diesen speziellen Impf-Fragen, aber auch zur allgemeinen Verträglichkeit von Impfungen bei Personen mit einer Autoimmunerkrankung informiert Sie der Hamburger Rheumatologe Dr. Peer M. Aries.
Ein Interview mit Rheumatologe Dr. Peer M. Aries über Impfungen bei Personen mit einer Autoimmunerkrankung
Wie wichtig sind Impfungen für Patienten mit einer Autoimmunerkrankung?
Impfungen sind für alle Menschen wichtig, um sich vor besonders gefährlichen Infektionen zu schützen. Aber besonders wichtig sind sie für Personen mit Autoimmunerkrankungen, denn sowohl die Autoimmunerkrankung an sich als auch die Therapie der Autoimmunerkrankung geht häufig mit einem erhöhten Risiko für Infektionserkrankungen einher. Die Impfung kann also dazu beitragen, Infektionen zu vermeiden, die später Komplikationen verursachen könnten.
Welche Befürchtungen haben Autoimmunerkrankte gegenüber Impfungen, wenn sie selbst oder die Kinder geimpft werden sollen?
Patienten haben häufig die Sorge, dass durch die Impfung ein Schub der Erkrankung ausgelöst wird. Vor vielen Jahr war das auch durchaus die Vorstellung der Ärzte. Letztendlich haben Studien gezeigt, dass das Risiko für Autoimmunerkrankte, einen Schub durch eine Impfung zu bekommen, gar nicht oder allenfalls nur sehr gering besteht. Hier überwiegt der Vorteil der Impfung sicherlich das Risiko einen Schub zu bekommen.
Gibt es ein höheres Impfrisiko für chronisch Kranke, weil der Organismus evtl. überanstrengt wird?
Die Empfehlung lautet: Patienten, egal welchen Alters, mit einer laufenden Immunsuppression werden nur mit Totimpfstoff geimpft. Eine wichtige Eigenschaft dieses Impfstoffes ist, dass er nicht lebt und somit keine aktive Erkrankung auslösen kann, so dass das Risiko der Impfung für einen Patienten das gleiche ist wie für einen Menschen ohne Autoimmunerkrankung.
Schon jetzt heißt es, die Grippeimpfungen werden knapp. Werden Autoimmunerkrankte hier bevorzugt behandelt?
Es ist tatsächlich zu befürchten, dass sich dieses Jahr deutlich mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen wollen. Und obwohl die Ärzte das bei der Bestellung des Impfstoffes bereits versucht haben, zu berücksichtigen, ist nicht auszuschließen, dass zu Beginn des Jahres 2021 der Impfstoff knapp werden könnte. Ob es möglich sein wird, die restlichen Impfdosen nur für Patienten mit chronischen Erkrankungen zurückzuhalten, wage ich zu bezweifeln. Deshalb raten wir Ärzte in diesem Jahr dazu, sich möglichst rechtzeitig, also schon ab Oktober, impfen zu lassen.
Zu welchem Zeitpunkt sollte im besten Falle geimpft werden – in Bezug auf das Alter, den aktuelle Status der Erkrankung/geschwächten Immunsystems, Jahreszeit etc…
Das ist eine gute Frage, da es tatsächlich wahrscheinlich wenig Sinn macht, sich impfen zu lassen, wenn man gerade einen Schub hat oder besonders viel Cortison nimmt. Zudem gibt es einzelne Impfungen, die insbesondere Menschen ab dem 50. beziehungsweise 60. Lebensjahr empfohlen werden. Dieses sollte der Hausarzt beziehungsweise der Facharzt wissen und speziell seinen entsprechenden Patienten empfehlen können.
Gibt es zur Corona-Zeit Impfungen, die Sie besonders empfehlen würden?
Es gibt keine besonderen Impfungen in dieser Pandemie-Zeit. Wir empfehlen unseren Patienten die gleichen Impfungen wie jedes Jahr. Worauf wir jedoch in diesem Jahr beziehungsweise in dieser Saison besonders achten werden, ist, dass die Patienten mit einem höheren Risiko auch tatsächlich geimpft werden. Die Patienten sollten sich darauf vorbereiten, dass der Arzt sie bei der nächsten Visite darauf anspricht.
Haben Sie Informationen zu Langzeitfolgen für chronisch kranke Personen, die bereits von Corona genesen sind? Könnten die Folgen z.B. durch eine Impfung verstärkt werden?
Dazu gibt es tatsächlich noch keine hinreichenden Untersuchungen und auch zu wenig konkrete Hinweise. Ich kann für die meisten Patienten, die ich betreue sagen, dass es einzelne Patienten gibt, die etwas gebraucht haben, um wieder zur alten Form zu gelangen oder noch verlängert zum Beispiel Geschmacksstörungen oder Geruchsstörung hatten. Gravierende Langzeitfolgen kann ich jedoch in dieser Gruppe bisher nicht bestätigen.
Wie sieht das generelle Impfverhalten Ihrer chronisch kranken Patienten aus?
Ich glaube sagen zu können, dass unsere Patienten mit chronischen Erkrankungen oder einer immunsuppressiven Therapie sich sicherlich mit dem Thema deutlich mehr beschäftigen als viele Personen aus der sonstigen Bevölkerung. Insofern ist davon auszugehen, dass auch mehr chronisch krankte Patienten tatsächlich geimpft werden oder wurden. Wissenschaftliche Untersuchung dazu liegen mir jedoch nicht vor.
Gibt es einen Überblick von allen relevanten Impfungen und zu wann es empfohlen wird, diese auffrischen zu lassen?
Die aktuellsten und besten Empfehlungen gibt es von der ständigen Impfkommission, auch Stiko genannt. Hier gibt es eine gute Tabelle, die veranschaulicht, wann wer welche Impfung machen sollte.
Mehr Infos zu dem Thema finden Sie hier: