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Kortison ist nicht gleich Kortison

Kortison ist nicht gleich Kortison - ein Beitrag von Dr. Nina Unger - apo.com

Was ist Kortison?

„Kortison“ – In der Apotheke höre ich bei der Beratung von meinen Kunden häufig Bedenken gegenüber Kortison-haltigen Medikamenten. In diesem Beitrag geht es darum, ob diese Bedenken gerechtfertigt sind. In jedem Fall ist eine ausführliche Aufklärung bei einer Kortisonbehandlung enorm wichtig.

Die Bezeichnung. „Kortison“, oft auch Cortison mit „C“, bezeichnet eine natürliche, im Körper nicht wirksame, Vorstufe des eigentlich wirksamen Glukokortikoids Kortisol oder Cortisol (Synonym in Hydrokortison). Das natürliches Glukokortikoid Kortisol wird in der Nebennierenrinde gebildet und ist für viele Funktionen im Körper essenziell: es macht uns wach und bereit für den Tag. Denn Kortisol wird nicht kontinuierlich, sondern schubweise in einem zirkadianen Rhythmus ausgeschüttet. In den frühen Morgenstunden wird Kortisol ausgeschüttet und lässt die Kortisol-Konzentration im Blut anstiegen. Im Laufe des Tages sinken die Blutspiegel wieder ab, um zum nächsten Morgen wieder anzusteigen, das ist der zirkadiane Rhythmus. Zu den natürlichen Funktionen von Kortisol gehört, unter anderem, eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels, um uns Energie für die Herausforderungen des Tages bereitzustellen. Weil Kortisol in Stress- oder in Belastungssituationen in deutlich höheren Mengen produziert und ausgeschüttet wird; gehört Kortisol zu der Gruppe der Stresshormone wie auch z.B. Adrenalin oder Noradrenalin. Eine erhöhte Produktion von Kortisol reguliert und blockiert entzündliche Prozesse im Organismus durch immunsuppressive Eigenschaften. In diesem Prozess erkennt man eigentliche Schutzfunktion von Kortisol – durch eine kurzzeitige Hemmung des Immunsystems, kann sich der Organismus auf die Bewältigung der akuten Stressreaktion konzentrieren.

Pharmakologisch wird diese entzündungshemmende (Fachbegriffe: antiphlogistische oder antiinflammatorische) Eigenschaft von Glukokortikoiden zur Behandlung entzündungsbedingter Erkrankungen eingesetzt, zum Beispiel bei Hautproblemen, Allergien, Asthma bronchiale, Rheuma, MS oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Werden Tabletten verschrieben, ist in der Regel eine „systemische“ (im gesamten Organismus) Wirkung erwünscht. Der Wirkstoff wird dann über den Darm ins Blut aufgenommen und wirkt im gesamten Körper. Alternativ setzt man Glukokortikoide lokal ein, zum Beispiel in Form von Cremes, Salben, Inhalatoren oder Nasensprays.

In der Medizin stehen natürliche und synthetische Glukokortikoide zur Verfügung. Aber Achtung, natürlich ist in diesem Fall nicht mit „besser“ gleichzusetzen. Zumal werden natürliche und synthetische Wirkstoffe gleichermaßen in Laboren chemisch hergestellt und zusätzlich sind die letzteren in Ihrer Wirkung den Natürlichen überlegen. Die Unterteilung „natürlich“ bedeutet lediglich, dass die Glukokortikoide Kortison und Kortisol in ihrem chemischen Aufbau identisch zu den Formen sind, welche die Nebennierenrinde produziert. Synthetische Glukokortikoide hingegen sind in ihrer chemischen Struktur so verändert worden, dass deren Wirkung (in Relation zu Kortison bzw. Kortisol) länger bzw. stärker ist oder diese ein günstigeres Wirkung-zu-Nebenwirkung-Profil aufweisen.

Systemische Therapie mit Glukokortikoiden

Bei entzündlichen Erkrankungen wie beispielsweise Rheuma, MS, oder bei schweren Formen des Asthma bronchiale ist eine systemische Wirkung gewünscht. Hierbei sind Glukokortikoide in Tablettenform Mittel der Wahl. Man kann diese, je nach Dosis und Wirkstoff zur Akut- oder zur Langzeittherapie einsetzen. Grundsätzlich sollten Glukokortikoide nur einmal täglich vor 8 Uhr morgens eingenommen werden. Beträgt die Anwendungsdauer länger als 3 Wochen, muss am Ende der Therapie eine schrittweise Reduktion der Dosis erfolgen. Damit unterstütz man die Nebennierenrinde die körpereigene Kortisol-Produktion wieder aufzunehmen. Das Auftreten von Nebenwirkungen schränkt den langfristigen systemischen Gebrauch ein. Mögliche Nebenwirkungen einer Langzeitanwendung sind, unter anderem, Osteoporose, Hautatrophie, Muskelabbau, Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen, Entwicklung einer Insulinresistenz, Vollmondgesicht, gesteigerte Magensäureproduktion, Infektanfälligkeit oder grauer Star.

Die Gruppe der Glukokortikoide unterweilt man in kurzwirksame, wie Prednisolon oder Predison, mittellangwirksame, wie Triamcinolon, oder langwirksame, wie Betamethason oder Dexamethason. Im Gegensatz dazu sind Kortisol und Kortison „sehr kurz“ wirksam, da diese vom Körper am schnellsten wieder abgebaut werden. Das therapeutische Prinzip besteht darin, die Entzündung möglichst schnell „einzudämmen“ und den Körper vor Schäden durch Entzündungsprozesse zu bewahren. Zum Beispiel in einer Akutphase eines entzündlichen Schubs. Eine Langzeittherapie hingegen wird durchgeführt, um Entzündungsprozesse möglichst gar nicht erst wieder „aufflammen“ zu lassen; wie etwa in der Therapie von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Je nach Erkrankung versucht man mit hohen Dosierungen zu Beginn, die Entzündungsreaktion zu stoppen. Anschließend reduziert man die Dosis auf ein Maß, das noch ausreicht, um ein „Wiederaufflammen“ zu verhindern. Danach folgt ein schrittweises Ausschleichen der Dosis. Durch dieses Vorgehen kann man der Entwicklung von Nebenwirkungen reduzieren.

Dermatische Anwendung von Glukokortikoiden

Werden Glukokortikoide auf der Haut angewendet ( = topisch) wirken diese entzündungshemmend, abschwellend, juckreizlindernd und antiallergisch. Die Wirkung ergibt sich durch eine Anreicherung in der obersten Schicht der Epidermis (Stratum corneum). Je nach physikochemischen Eigenschaften kann man die Wirkstoffe nach „Wirkstärken“ in 4 Klassen einteilen.

  • Klasse I: schwach wirksam (Hydrokortison, Prednisolon, Dexamethason)
  • Klasse II: mittelstark wirksam (Triamcinolon, Prednicarbat)
  • Klasse III: stark wirksam (Bethametason, Mometason)
  • Klasse IV: sehr stark wirksam (Clobetasol)

Typische Anwendungsgebiete sind entzündliche, allergische Hauterkrankungen oder Ekzeme. Leichter Sonnenbrand, leichte allergische Hautreaktionen und Insektenstiche können mit freiverkäuflichen niedrigdosierten Hydrokortison-Cremes in der Selbstmedikation gut behandelt werden (gilt für Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren). Wirkstoffe aus der Klasse III und IV werden hauptsächlich bei der Behandlung von Psoriasis oder schweren Fällen von Neurodermitis bzw. Dermatosen eingesetzt. Zur Behandlung von Akne vulgaris, Rosacea oder zur „Hautpflege“ hingegen sind Glukokortikoide nicht geeignet. Der Grund dafür ist, dass in diesen Fällen keine primär-entzündlichen Prozesse vorliegen. Leider sind auch bei längerer topischer Anwendung Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. In den Wirkstoffklassen I und II sind Nebenwirkungen seltener, bei den Wirkstoffklassen III und IV beobachtet man am häufigsten Änderungen in der Pigmentierung (Verblassen), stärkere Behaarung oder ein dünner werden der Haut. Insbesondere an empfindlichen Hautstellen wie der Gesichtshaut, Hautfalten oder an verletzten Hautarealen können diese Nebenwirkungen auftreten. Eine plötzliche Kontaktallergie mit Juckreiz könnte durch eine Langzeitanwendung bedingt sein. Um der Entstehung von Nebenwirkungen bestmöglich entgegenzuhandeln wird eine Stufentherapie empfohlen. Das bedeutet, dass man die Therapie mit einem Wirkstoff der Klasse III und IV beginnt und nach max. 2 Wochen die Dosierung reduziert. Alternativ kann man die Behandlung mit einem Wirkstoff der Klasse II fortsetzen und dann diesen ausschleichen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man dadurch das Risiko eines erneuten Aufflammens der Symptome (nach Beendigung der Behandlung) reduzieren kann. Eine sogenannte Intervalltherapie ist eine weitere Möglichkeit; hierbei erfolgt die Behandlung nicht einmal täglich, sondern alle zwei oder drei Tage. Die behandlungsfreien Tage werden schrittweise erhöht, zusätzlich kann man an diesen „Pausen-Tagen“ die Therapie mit pflegenden Produkten unterstützen.

Ist der schlechte Ruf von Kortison berechtigt?

Nebenwirkungen wie Knochenschwund, Muskelabbau, Förderung einer Insulinresistenz oder erhöhte Blutfettwerte sind besorgniserregend und tragen zum negativen Image von Glukokortikoiden bei. Das Auftreten der Nebenwirkungen limitiert die Langzeitanwendung, die bei vielen Erkrankungen sinnvoll ist und den Patienten eigentlich guttut. Denn Glukokortikoide sind in der Medizin eine enorm wichtige Wirkstoffgruppe, bei denen die gewollten Wirkungen die unerwünschten Wirkungen deutlich übersteigen. Der Verlauf der Erkrankung bzw. die Folgen können gemildert werden, in dem der Organismus vor einer anhaltenten generalisierten akuten Entzündungsreaktion geschützt wird. Bei strenger Einhaltung des Therapieplans überwiegen die Hauptwirkungen die möglichen unerwünschten Wirkungen. Ist eine Langzeittherapie erforderlich berücksichtig der behandelnde Arzt oder die Ärztin zudem individuelle Voraussetzungen, sowie die sogenannte Cushing-Schwelle (Dosis, bei der der Patient/Patientin Cushing-Symptome entwickelt).

In jedem Fall ist dringend davon abzuraten, die Therapie abzubrechen aufgrund vom „schlechten Ruf“ von Glukokortikoiden. Lassen Sie sich im Zweifelsfall nochmal in der Arztpraxis oder in einer spezialisierten Apotheke ausführlich beraten: es können einerseits Bedenken dadurch aufgelöst werden oder Ihre Behandlung könnte durch individuell Anpassungen für Sie optimiert werden. Noch ein wichtiger Hinweis, einige der genannten sind Nebenwirkungen reversibel, wie z.B. Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen oder eine erhöhte Infektanfälligkeit. Durch eine offene Kommunikation gepaart mit einem guten Monitoring, ermöglicht man ein schnelles Eingreifen und Gegenwirken, es muss also in keinem Fall zu einer Ausprägung aller genannten, möglichen Nebenwirkungen kommen.

Dr. Nina Unger
Apothekerin
apo.com

„Beratung ist mir in meiner Tätigkeit sehr wichtig, besonders online. Ich kläre meine Kunden über die Medikamente auf und unterstütze Sie dabei für Ihre Therapie ein Gefühl der Sicherheit zu bekommen. Durch eine gute Beratung kann man den Menschen Sorgen und Zweifel nehmen und „den inneren Arzt“ der Patienten wecken und zum „Arzneimitteltherapie-Erfolg“ beitragen.“ Dr. Nina Unger