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Rheuma: Die Geschichte von Alida

Mut-Mach-Geschichte Alida

Ich bin Daniela Brenzinger, Mitte 30 und Alida Michaela´s Mutter. Meine Tochter ist drei Jahre alt und hat mit dem Alter von einem Jahr die Diagnose Rheuma erhalten

Du bist eine Bloggermama und schreibst auf Facebook über dich und deine Tochter Alida, die schon in jungen Jahren Rheuma hat. Auf deinen Bildern wirkt Alida oft fidel, doch sie hat auch schon viel Zeit in Krankenhäusern verbracht. Wie schaffst du es, Alidas Leben so frei und unbeschwert wie möglich zu gestalten?

Ich glaube ich werde angetrieben von der Angst, dass sie kein normales Leben haben kann und deshalb versuche ich eben ganz bewusst, ihr eine unbeschwerte Zeit zu geben. Ich liebe es, zu sehen wie sie sich über die ganz normalen Dinge und Unternehmungen freut. Das spornt mich an. Immer nur Trübsal zu blasen, hilft ihr nicht.

Wie verlief der Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?

Längere Zeit schon fiel bei Alida eine etwas „komische“ Hand auf. Ich hab es als „Babyspeck“ verbucht. Bei zwischenzeitlichen Quengeleien und Laufverweigerungen eines Kleinkindes denkt man einfach an Phasen, nicht ans Kranksein.

Aber dann während unseres Umzuges in eine neue Wohnung kamen allerlei Dinge zusammen. Es gab dort viele Mücken, und Alida hatte genau am Arm einen dicken Mückenstich. Die eigentliche Schwellung des Armes ging deshalb erstmal unter. Dann tat sie sich aber noch im Bad weh und fing an, den Arm gar nicht mehr zu benutzen. Als sie mir dann eines morgens den Arm weinend entgegenstreckte, erkannte ich, dass da wirklich was nicht stimmt. Noch am selben Tag bin ich mit ihr zum Kinderarzt gegangen. Wegen des Sturzes im Bad dachten die Ärzte an eine Fraktur, die in der Kinderklinik aber ausgeschlossen wurde.

Es wurde ein MRT gemacht und Alida bekam intravenös Antibiotika, weil eine Infektion vermutete wurde. In drei nervenaufreibenden Wochen für uns beide wurden Test gemacht: ständig wurde ihr ständig Blut abgenommen, sie bekam einen Venenzugang über den Kopf, damit ihre Arme nicht so leiden und immer wieder musste sie nüchtern bleiben, weil keiner wusste, ob sie vielleicht operiert werden muss.

Irgendwann kam dann in der Klinik der Verdacht Rheuma auf. Es wurde erkannt, dass sowohl das Sprunggelenk als auch das Knie auf der rechten Seite verdickt waren. Nach einer hochdosierten Cortison-Stoß-Therapie wurde uns mitgeteilt, dass wir Alida in drei Monaten einem Kinderrheumatologen vorstellen sollen. Aber sie konnte schon am nächsten Morgen nicht mehr laufen. So wurde sie in die nächstgelegene Klinik mit Kinderrheumatologie eingewiesen, wo man sie erstmal über das Wochenende mit einem sehr starken Medikament „erfolgreich“ behandelte. Aber richtig gut und schnell wurde ihr dann im Zentrum für Kinderrheumatologie in Garmisch geholfen, wohin sie verlegt wurde. Hier spritzten die Ärzte Alida Cortison in verschiedene Gelenke und starteten eine Basistherapie. Seither sind wir alle 3-4 Monate dort stationär in Behandlung.

Wie war es für dich, als du von Alidas Diagnose erfahren hast?

Ich darf es kaum aussprechen, aber in diesem Moment war ich erleichtert. Die Diagnose hieß für uns, dass es keine „nicht in den Griff zu bekommende Infektion“ ist. Erst später habe ich realisiert, was sie wirklich hat und mit dieser Erkenntnis kam auch die Angst. Nachdem ich mich über die Krankheit informiert hatte, ist mir schnell klar geworden, dass unser Leben sich ändern wird.

Wie bringt man diese Diagnose einem Kind bei?

Alida war kurz vor ihrem 2. Geburtstag als sie Diagnose erhalten hat. Richtig beigebracht haben wir ihr da gar nichts. Sie weiss, dass sie einen „dicken Daumen“ hat und sie versteht, dass sie Spritzen bekommt, damit „ihr Aua nicht wieder kommt“. Aber mehr können wir ihr jetzt mit drei Jahren nicht erklären, denke ich.

Wie hat sich dein Leben und das deiner Familie seit der Diagnose verändert?

Alles hat sich verändert. Unser Leben besteht aus Arztterminen. Weil ich sie nicht selbst spritzen möchte, sind wir jede Woche beim Kinderarzt. Außerdem muss ihr in regelmäßigen Abständen Blut abgenommen werden und alle paar Wochen wird Alida vom Augenarzt untersucht. Hat sie einen Infekt, ist es wichtig, zeitnah zum Kinderarzt zu gehen, weil sie aufgrund der Medikamente und einer zusätzlichen Immunschwäche sehr immunsuppremiert ist und schon banale Infekte für sie gefährlich werden können. Deshalb bin ich vor allem in der „Schnupfen-Zeit“ sehr zurückhaltend, was Einkaufe oder Ausflügen betrifft, und meide Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen, vor allem am Wochenende.

In dieser Zeit sind wir leider auch wieder häufiger ohne Alida draußen unterwegs, anstatt Ausflüge mit ihr zusammen zu machen. Und wenn im Kindergarten „etwas größeres“ rumgeht, muss ich sie vorsorglich Zuhause lassen. Aber ich bin guter Dinge, dass im Waldkindergarten, wo vieles draußen stattfindet, nicht ganz so häufig was grassiert. Auf ihre Kleidung muss ich besonders achten, da sie einfach ein empfindlicheres Kind ist. Sätze oder Gedanken wie „Ach, nur ganz kurz ohne Mütze“ oder „Die paar Minuten im nassen Badeanzug“ gibt es bei mir nicht.

Schnupfenzeit ist die Zeit wo ich zur Buhfrau werde, denn ich werde wieder gezwungen sein, die Verwandtschaft darauf hinzuweisen, dass sie bitte komplett gesund sein sollten, wenn sie zu Besuch kommen, damit Alida sich nichts einfängt. Das klappt leider nicht immer und ehrlich gesagt, schränkt mich das auch gefühlsmäßig sehr ein.

Auch die vielen Therapien haben unser Leben verändert. Alida erhält wöchentlich Ergotherapie und Krankengymnastik. Weil die Krankengymnastik spezialisiert auf „Kinderrheuma“ sein soll, fahren wir eine Stunde dorthin. Und weil ich mit Alida alle drei Monate geplante Klinikaufenthalte habe, die noch auf die „normalen“ Krankzeiten addiert werden, beschäftigte mich mein Arbeitgeber nach Ende der Elternzeit (zum 3. Geburtstag von Alida) nicht weiter. Ich bin für das Unternehmen keine zuverlässige Mitarbeiterin. Der Umstand, dass ich nicht mehr arbeiten darf, reißt, zusätzlich zu den Fahrten zu Ärzten und Therapien, ein dickes Loch in die Haushaltskasse. Durch die Krankheit und die damit einhergehenden Veränderungen bin ich emotional etwas empfindlicher geworden. Und weil ich wegen möglicher Infekte bei Alida bei den Kindern im Freundes- und Familienkreis doll aufpasse, mache ich mich öfter unbeliebt. Meine Entscheidungen werden von anderen nicht immer verstanden und akzeptiert.

Positiv hat sich aber verändert, dass ich die „einfachen Dinge“ für Alida total schätze. Ich könnt heulen vor Freude, wenn ich sehe, wie sie in einem Streichelzoo Tiere streichelt, wie sie am Spielplatz klettert oder wenn sie sich auf die Schaukel im Kindergarten freut. Sie ist ein so offenes und herzliches Mädchen, als würde sie das Alles selber zu schätzen wissen. Unser Leben hat sich somit in allen Bereichen – den guten und den weniger guten – sehr stark verändert.

Wie geht es Alida und dir aktuell?

Vor kurzem hatte sie einen Infekt. Dabei kam es zu Komplikationen, so dass sei stationär behandelt wurde. Jetzt hat sei einen unklaren Ausschlag und bekommt deshalb keine Rheuma-Medikamente gespritzt. Ihr Immunsystem soll sich erholen. Insgesamt geht es ihr aber gut und die Entzündungswerte sind niedrig. Auch bei der Eingewöhnung in den Waldkindergarten läuft es super. Sie singt sehr viel, sie hat körperlich und auch emotional wieder einen großen Entwicklungssprung gemacht, lacht, tobt und ist ein freches, aber sehr liebenswertes Mädchen.

Wie bewältigen Alida und du den Alltag? Habt ihr Einschränkungen?

Einige Dinge, die normale Kinder tun, kann ich mit Alida nicht machen. Zum Beispiel überlege ich dreimal, ob ich tatsächlich mit ihr ins Schwimmbad gehe oder nicht. Durch die Immunschwäche muss ich damit rechnen, dass sie danach krank ist. Letztes Jahr konnten wir bei den heißen Temperaturen im Sommer nicht gemeinsam schwimmen gehen, weil ihre Halswirbelsäule gerade betroffen war und gewärmt werden sollte. Da ist kaltes Wasser natürlich kontraproduktiv. Die übrigen Gelenke jedoch sollten drei Mal täglich mit Kühlpackungen behandelt werden. Dank der nicht vorhandener Entzündungen in den Gelenken ist das gerade besser.

Ansonsten haben wir vor allem durch all die Therapien und Arztbesuche wenig Zeit. Erschwerend kommt hinzu, dass ich eine chronische Darmentzündung habe damit auch in Behandlung bin, sie zu meinen Arztterminen aber nicht mitnehmen kann. Gut ist, sie freut sich auf ihre Aufenthalte in der Spezialklinik in Garmisch, denn sie mag die Fisch im Aquarium, die dort im Eingang stehen. Das macht es leichter für mich ihr diesen Aufenthalt zumuten zu müssen. Insgesamt bleibt uns aber wenig Zeit für wirklich spontane Aktivitäten… und trotzdem kriegen wir das immer irgendwie hin, so dass es passt.

Ganz aktuell wird Alida immer größer und damit schwerer für mich. Puh, das kann anstrengend sein. Weil sie aber lange Strecken noch nicht laufen oder im Laufrad überbrücken kann, trage ich sie häufiger. Und Ich bin dabei mich einzulesen was die Ernährung rund um Rheuma betrifft. Das ist spannend.

Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit deines Kindes?

Ich wünsche mir für Alida, dass wir die Krankheit zusammen mit den Ärzten so gut in den Griff bekommen, dass sie keine nennenswerte Einschränkungen im Leben haben wird. Sie bekommt so starke Medikamente, dass ich mir vom Herzen wünsche, dass sie dann tatsächlich auch helfen, ohne den Körper auf Dauer zu schädigen. Ich wünsche mir weiterhin, dass die Krankheit und all die schlimmen Momente damit ihre Persönlichkeit und ihre Gedanken nicht zum Negativen verändert.

Schlusswort: Fazit, Rat an Betroffene, Motto etc.

Was zählt ist das eigene Gefühl, das Vertrauen zu den behandelnden Ärzten und am aller Wichtigsten, das Vertrauen in das Kind. Werden die vielen gutgemeinten Ratschläge aus dem Umfeld zu viel, muss man sie einfach wegschieben.

Das Kind wird mit der Erkrankung und allem was dazu gehört groß und wir Mamas und Eltern dürfen sie nicht bemitleiden, sondern sollten froh sein, dass es die Möglichkeit gibt, sie zu behandeln. Unsere Aufgabe ist es, die Kinder möglichst so durchs Leben zu begleiten, dass sie viele positive Dinge mitnehmen. Denn wenn ich als Mama mit ihr nicht positiv den Weg zusammen gehe, wie soll sie das später alleine können?

Stand 2019