Ich heiße Melanie, bin 38 Jahre alt und lebe mit der Diagnose Multiple Sklerose.

Mut-Mach-Geschichte-Melanie

Welche Symptome haben dich zur Diagnosestellung Multiple Sklerose geführt? Was dachtest du als erstes bei der Diagnose MS?

Meine verwaschene Aussprache und meine Kraftlosigkeit waren schon deutliche Anzeichen. Aber erst als ich nicht mehr sauber schreiben konnte, ging ich zum Arzt. Schon nach 5 Minuten Untersuchung hatte ich die Diagnose MS und hing am Kortisontropf. Vor der Diagnose hatte ich noch nie etwas von Multiple Sklerose gehört, weshalb ich auch kein Krankheitsbild im Kopf hatte.

 

In deinem Instagram Profil @melsworldinpictures machst du dich emotional nackig. Du zeigst dich verletzlich, weinend und wütend, aber auch verliebt, ausgelassen und superglücklich. Spielen Gefühle seit der Diagnose MS eine größere Rolle in deinem Leben?

Das Leben ist doch ein einziges Gefühl! Emotional bin ich schon immer gewesen, aber nach der Diagnose zeigten sich meine Symptome oft auch in Verbindung mit meinen Emotionen. Sie machen ein Leben doch erst aus und das zeige ich mittlerweile öffentlich auf meinem Profil. Das ist meine persönliche Auffassung von „authentisch sein“!

 

Wie haben deine Familie und deine Freunde auf die Diagnose reagiert?

Es war ein großer Schock für alle Familienmitglieder. Mein Mann erlebte die Diagnose live mit und steht mir seitdem fürsorglich jeden Tag zur Seite. Unsere drei Kinder waren sehr klein und kennen mich gar nicht anders. Sie wachsen verständnisvoll damit auf, dass ihre Mama MS hat.

Einige Freunde und Familienmitglieder wollen sich nicht mit dem Thema belasten und manche ignorieren die Tatsache einfach. Ich sehe nicht „typisch krank“ aus und lege auch großen Wert darauf, mir die MS nicht anmerken zu lassen. Schön finde ich es natürlich nicht, wenn das direkte Umfeld eher verhalten auf eine für mich so lebensverändernde Information reagiert.

 

In welchen Punkten hat sich dein Leben grundsätzlich geändert, seitdem du weißt, dass du MS hast?

Da kommen einige Sachen zusammen, die sich in meinem Leben verändert haben. Hier ist eine kleine Auswahl für euch:

  • Ich war ein Sportfreak. Nach der Diagnose fühlte ich aber keinen Sinn mehr darin, weiterhin Sport zu machen. Das hat bis heute angehalten.
  • Ich erfülle mir seit der Diagnose jeden Wunsch schneller. Gerade wenn es um Reiseziele geht, bin ich ganz schnell dabei.
  • Viel mutiger bin ich geworden!
  • Heute erlebe ich die Welt intensiver und habe die Natur für mich entdeckt.
  • Ich nehme alles mit, was mich interessiert
  • Oberflächlichkeit und Konsum interessieren mich nicht mehr.
  • Ich schätze mein Leben, lebe bewusster und dankbarer.

 

Du legst viel Wert auf Ernährung, auch wenn du das auf deinem Blog nicht in den Vordergrund stellst. Was für praktische Tipps kannst du MS Erkrankten in Bezug auf Ernährung geben?

Beim Thema Ernährung stellen sich mir die Haare auf! Ich könnte mich ständig aufregen, denn in unseren reichen Industrieländern wird uns tagtäglich ein falsches Bild von gesunder oder ausgewogener Ernährung vermittelt. Hier zwei Schlagwörter, die weitreichende Folgen für uns alle haben und so gar nicht gesund sind: Massentierhaltung und genmanipulierten Nahrungsmittel.

Egal ob wir chronisch krank oder gesund sind, wir sollten uns ALLE viel mehr Gedanken um das machen, was wir essen. Und von den „guten Sachen“, die Mutter Natur uns zur Verfügung stellt, sollten wir viel mehr zu uns nehmen, wie beispielsweise von Gemüse, Obst, Nüssen, Gewürzen, Kräutern oder Hülsenfrüchten. Ein Tipp ganz allgemein: industriell hergestellte Fertigprodukte komplett weglassen. MSlern würde ich darüber hinaus noch raten, auf entzündungsfördernde Lebensmittel zu verzichten. Es ist wissenschaftlichen erwiesen, dass einige der Lebensmittel, die wir täglich zu uns nehmen, das Risiko von Entzündungen empfindlich erhöhen. Wenn man eh schon hohe Entzündungswert im Körper hat, sollte man doch – vor allem als chronisch kranke Person – darauf achten, dass man diese Entzündungswerte nicht auch noch von sich aus erhöht, indem man „das Falsche“ zu sich nimmt. Ganz im Gegenteil, sollte man doch den Entzündungen eher entgegenwirken, indem man die „richtigen“ Lebensmittel isst. Das ist doch logisch, oder?

Entzündungsfördernde Lebensmittel, die gemieden werden sollten sind u.a. folgende:

  • Künstliche Transfette (Süßigkeiten, zuckrige Backwaren, Frittiertes und Fertigprodukte)
  • Haushaltszucker (Saccharose genannt, wie auch Glucose und Fruktose)
  • Weißmehl (steigert die Darmbakterien)
  • hoher Alkoholkonsum
  • Fleisch (Schweinefleisch enthält übrigens besonders viele entzündungsfördernde Substanzen)
  • Milchprodukte

Um über die Ernährung hinaus agil zu bleiben, kann ich, auch wenn ich selbst keine Lust mehr darauf habe, jedem nur Sport empfehlen. Denn Sport wirkt entzündungshemmend und ist total gut für den Körper. Überhaupt ist unser Körper toll: Die Zellen im Körper sind sehr lernfähig und können auf alle möglichen Einschränkungen reagieren und allerlei Dinge recht schnell neu erlernen.

Außerdem solltet ihr euch nicht einschüchtern lassen und steht’s das Beste über euch denken. Glaubt an euch!

Selbstliebe ist ein wichtiges Thema: Es ist nicht immer leicht und keiner weiß, was morgen kommt, doch das Leben ist lebenswert auch mit MS und ihren Einschränkungen und Symptomen.

 

Wie geht es dir aktuell?

Aktuell erhole ich mich noch von meinem letzten Schub, den ich im September hatte. Die Folgen sind recht umfangreich: Eine Sehnerventzündung mit Gesichtsfeldeinschränkung, kognitive Defizite, eine Gangstörung, rechtsseitiges Kribbeln und Taubheit, Spastiken und starke Fatigue und zu guter Letzt noch ein Erschöpfungssyndrom mit dessen folgen. Die anfängliche Depression, die mit dem Schub eintraf, ist überstanden. Ich fühle mich jetzt, trotz all der Symptome, wieder bei mir angekommen. Ich bin bereit und motiviert, an meinem Erfolg zu arbeiten!

 

Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?

Dass die Forschung weiter dem Ziel nachkommt herauszufinden, was genau MS auslöst und weiter positiv wirkende Medikamente auf den Markt bringt. Erleben würde ich gerne ein Heilmittel, obwohl ich stark an Selbstheilung glaube.

 

Gibt es ein Ziel, dass du 2020 erreichen möchtest?

2020 begann nicht gut für mich. Ein 3-wöchiger Aufenthalt in der Reha und eine aktive MS, die bis jetzt anhält, ist nicht schön! Deshalb ist das einzige Ziel, dass ich momentan für 2020 habe, frei der vielen Symptomen zu sein und einen wunderschönen Sommer zu genießen!

 

Schlusswort:

Multiple Sklerose ist nicht das Ende deiner Welt. Auch mit Einschränkungen lässt es sich noch bis ins hohe Alter gut leben, solange man dazu bereit ist! Ich wünsche allen Betroffenen, die hinfallen, dass sie die Kraft haben wieder aufstehen zu können und nicht liegenbleiben. Das Leben ist lebenswert und jeder Tag birgt eine neue Chance für so Vieles. Das Leben ist schön trotz MS!

 

 

Stand 2020