Mein Name ist Priscilla und ich bin 35 Jahre alt. 2018 habe ich die Diagnose Reizdarmsyndrom sowie Endometriose und Fibromyalgie erhalten. Außerdem habe ich auch 2017 die Diagnose PMS gestellt bekommen.

Mut-Mach-Geschichte-Priscilla

Dein Weg zur Diagnose Reizdarmsyndrom verlief holperig und gestaltete sich sehr langwierig. Welches Rätsel hast du den Ärzten aufgegeben, dass Sie dir keine Diagnose nennen konnten?

Alles fing mit einem riesigen Blähbauch und Bauchkrämpfen an. Das war nach der Geburt meiner zwei süßen Kinder. Ich war 25 Jahre jung und die meisten Ärzte gingen davon aus, dass meine Verdauungsprobleme psychischer Natur sind. Gerne wurde mir gesagt, dass ich zu jung Kinder bekommen hätte oder dass mich mein Mann öfters streicheln sollte. Erst als ich aufgrund anhaltender Schmerzen auf der Notfallstation landete, wurde ich ernst genommen. Da waren aber bereits 5 Jahre Beschwerden ins Land gezogen. Hier wurde erstmal eine Sorbitintoleranz diagnostiziert. Das Weglassen von sorbithaltigen Lebensmittel hat aber nur kurz Linderung verschafft. Die Symptome wie Brainfog, auch bekannt als Gehirnnebel, chronische Fatigue, Schwindel, Schmerzen, Verstopfung und Durchfall blieben.

 

Wie erinnerst du den Moment, an dem du eine Diagnose erhalten hast? Wie hast du dich gefühlt?

Das Reizdarmsyndrom oder die Erkrankung Fibromyalgie sind Ausschlussdiagnosen. Ein Zusammenschluss von vielen verschiedenen Symptomen. Ich war ich nicht happy. Ich hatte mir vor der Diagnose immer vorgestellt, dass, wenn ich endlich weiß, was ich habe, ich endlich lernen würde, damit umzugehen und dass mir dann ein Medikament oder eine Therapie helfen würde. Als die Therapie aber lediglich aus Schmerzmitteln, Medikamenten gegen Verstopfung oder gegen Durchfall oder Antidepressiva bestand, war das für mich enttäuschend. Eine wundervolle Ärztehelferin riet mir, außerhalb der Schulmedizin nach Lösungsansätzen zu suchen. Anfangs war ich sauer, weil ich jahrelang nach den besten Ärzten gesucht hatte und nun galt ich als austherapiert.

 

Wie nah bist du dran, selbst an Morbus Crohn zu erkranken?

In meiner ayurvedischen Ausbildung habe ich gelernt, dass sich Krankheiten in sechs Phasen festsetzen. Von der Ansammlung des Ungleichgewichtes im Körper über die Verschärfung und Verschlechterung bis zur Ausbreitung, Neuverteilung und Manifestation bis hin zur Chronifizierung der Krankheit, die im letzten Stadion irreparabel ist. Meine Entzündungen hatten sich im Körper zwar schon ausgebreiteten und festgesetzt, jedoch noch nicht manifestiert. Somit konnte ich mit einer radikalen Ernährungsumstellung der entzündlichen Festsetzung im Gewebe entgehen. Ich darf aber KlientInnen mit Morbus Crohn begleiten, die mit der Ernährungsumstellung symptomfrei sind und die Medikamente absetzen konnte.

 

Mit welchen Vorurteilen hattest du bis zu deiner Diagnose immer wieder zu kämpfen?

Eine Person aus meinem Bekanntenkreis meinte einmal zu mir: „Das war ja klar, dass du Nahrungsmittelunverträglichkeiten hast, du bist halt einfach eine komplizierte Person.“ Das war enorm verletzend. Als hätte ich Einfluss darauf, was ich verdauen kann und was nicht. Jemand anderes sagt zu mir: „Dann sei halt nicht so auf Äußerlichkeiten bedacht. Dann hast du halt einen Blähbauch. Zieh dir halt lockere Kleidung an.“ Als wäre der Blähbauch mein größtes Problem und nicht die andauernden Schmerzen und die damit verbundenen Ängste vor Nahrungsmitteln. Aber was sollte ich antworten? Denn solange man keine Diagnose hat, hat man auch nicht das Anrecht, krank zu sein oder sich krank zu fühlen. Das heißt, man spielt das Leben einer gesunden Person. Das ist mit einem Marathonlauf vergleichbar, der nie aufhört. Nicht auf der Arbeit und nicht in der Freizeit. Denn die Schmerzen und die verschiedenen Symptome sind einfach immer da.

 

Wenn man dich auf deinem Instagram Account @chronisch_ehrlich oder auf deinem gleichnamigen YouTube-Kanal erlebt, kann man sich nicht vorstellen, dass du nicht vor Freude und Energie strotzt. Was hat dir deine Kraft zurückgegeben und dich zu dieser Powerfrau werden lassen?

Ich musste mir eingestehen, dass ich krank bin. Diese Tatsache hatte ich jahrelang verleugnet. Denn ich dachte bei jedem Arzttermin: „Jetzt finden sie es raus und dann habe ich mein Leben zurück!“ Als mir mitgeteilt wurde, dass ich austherapiert bin, brach für mich eine Welt zusammen. Ich stieß dann immer wieder auf die Bücher von Anthony William und seiner Virustheorie. Ich dachte mir: „Na gut, dann versuche ich es halt damit.“ Ich hörte mich in verschiede Podcast rein und las das Buch „Heile deine Leber“. Das Beschriebene packte mich von Tag eins an. Ich konnte mich in meiner Entzündungsgeschichte wiederfinden und entschied meine Ernährung radikal umzustellen. Das war kurz nachdem ich im Krankenhaus erfolglos die Ernährung nach FODMAP umgestellt hatte. Also war ich über die Jahre wirklich geübt darin, meine Ernährung umzustellen. ☺

 

Mit jeder Leckerei auf deinem Instagram Account gibst du auch immer das Rezept preis. Gibt es ein Gemüse und ein Kraut, mit dem du am liebsten kochst, weil es einfach immer guttut?

Im Ayurvedischen bin ich ein Vata Pitta Typ. Das heißt, mir tun Süßes und geerdetes gut. Ich durfte durch die Ernährungsumstellung und durch meine Ausbildung als ayurvedischer Ernährungscoach lernen, was mein Körper braucht. Und wenn mein Körper im Gleichgewicht ist, ich auch auf die Nahrungsmittel Lust habe, die mir und meiner Verdauung guttun. Natürlich ist das absolute Starkraut der Sellerie als Saft getrunken. Sellerie wirkt reinigend, entzündungshemmend und mal ganz ehrlich: der Gang zur Toilette ist kein Horror mehr! ☺

 

Als ayurvedische Gesundheitsberaterin und Ernährungs-Expertin unterstützt du Menschen mit Morbus Crohn oder Essstörungen zu einer Ernährung zu finden, die die Betroffenen körperlich und geistig wieder fit und stark werden lassen. Was ist das erste, das du Morbus Crohn-Betroffenen für eine gute Ernährung empfehlen würdest?

Als Ernährungscoach darf ich Erkrankte nicht therapieren. Ich sehe mich eher als Ermutigerin auf dem Weg der selbstbestimmten Ernährungsumstellung. Oft bin ich auch im Kontakt mit den behandelnden Ärzten, die meistens sehr offen für eine Ernährungsumstellung ihrer Patienten sind. Hier schauen wir ganz praktisch den Alltag an, die Essgewohnheiten, die Herausforderungen und die Wünsche und Ziele. Daraufhin erarbeite ich einen Ernährungsplan, der sich Schrittweise aufbaut.

 

Ging es nach deiner eigenen Ernährungsumstellung immer nur bergauf oder hattest du auch Rückschläge? Wie bist du mit denen umgegangen?

Der Heilungsweg läuft leider nicht stringent bergauf. Es kommen Kurven, Umwege und ab und an steile Abhänge. Hier habe ich gelernt MIT und nicht gegen meinen Körper zu arbeiten. Wenn er gerade erschöpft war, bin ich mit ihm gegangen. Habe mir mehr Schlaf gegönnt, habe geweint oder mir eine Packung gedörrte Datteln reingepfiffen. Das ein oder andere Mal habe ich essenstechnisch eine über die Stränge geschlagen und zum Beispiel Spaghetti oder Chips gegessen. Das habe ich aber schnell sein gelassen, da mein Körper mir mit seinen Symptomen schnell mitgeteilt hat, was ihn im Heilungsprozess lähmt und was ihn vorwärtsbringt.

 

Gibt es heute noch Momente, in denen es dir schwer fällt mit einer chronischen Erkrankung zu leben?

Seit meiner Arbeit mit chronisch Erkrankten immer weniger, weil meine Krankheits- und Heilungsgeschichte zu etwas geworden ist, das anderen Menschen helfen darf. Ohne dies wäre aber die Tatsache chronisch erkrankt zu sein schon sehr sinnlos.

 

Was war bist jetzt die größte Herausforderung seit deiner Diagnose?

Zu akzeptieren, dass ich immer anders essen werde. Als mir diese Akzeptanz aber in Fleisch und Blut übergegangen ist, machte es mir nichts mehr aus. Aber bis ich dies verinnerlicht hatte, war es schon schwer.

 

Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?

Ich wünsche mir, dass entzündliche Erkrankungen nicht mehr herabgesetzt werden. Es ist die Hölle mit ihnen zu leben und es braucht enorme Stärke sich von all den normalen Dingen, die gesunde Menschen konsumieren dürfen, frei zu sprechen. Dafür wünschte ich mir Medaillen. Eine Art von Medaille möchte ich durch die Interviewreihe auf YouTube namens chronisch ehrlich schaffen. Hier erzählen chronisch Erkrankte ihre Geschichte, also ganz ähnlich wie eure Mut mach Geschichten hier auf NIK-ev.de, aber in Form von Videos. So sind die Betroffenen nicht mehr nur irgendeine Zahl, sondern man sieht endlich das Gesicht hinter der Krankenakte. Sie sind wahre Helden!

 

Mein Schlusswort:

Das Allerwichtigste ist, dass du weißt, dass die Erkrankung nicht deine Schuld ist. Du hast nichts falsch gemacht. Die zweit wichtige Sache ist die Hoffnung. Denn die Hoffnungslosigkeit ist ein ganz ganz dunkler kalter Raum. Solltest du dich an diesem Ort befinden, möchte ich dich ermutigen, dass du dir Geschichten von Menschen durchliest, anhörst oder ansiehst die deine Erkrankung hatten und sich selbst wieder ins Gleichgewicht gebracht haben. Wir unterschätzen oft die Macht unserer Gedanken. An dem Tag als die Hoffnung auf Heilung zurückkam, war der Beginn meiner Heilungsreise. Du kannst das auch!

Fotos Sophia Lasson / Fotografin

Stand 2020