Name: Claudia Rauh
Alter: 25
Diagnose: Oligoartikuläre Juvenile idiopathische Arthritis (1998)
Interview:
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?
Zur damaligen Zeit war ich gerade einmal zwei Jahre alt. So kann ich heute nur auf die Berichte meiner Familie Bezug nehmen. Die ersten Symptome waren ein verändertes Gehverhalten, welches zum ersten Mal Ende meines ersten Lebensjahres auftrat. Ich eignete mir untypische Bewegungsabläufe an und humpelte. Meine Schmerzen konnte ich noch nicht artikulieren. Da das Phänomen des Kinderrheumas damals noch nicht so bekannt war, wie es vielleicht heute ist bzw. sein sollte, hat es sehr lange gedauert eine richtige Diagnose zu erhalten. Diese war dann auch eher ein Zufallsbefund durch den Chefarzt der Kinderklinik, da er zum Glück Kinderrheumatologe war.
Wie hat Deine Familie reagiert? Was hat es damals bei Deinen Eltern ausgelöst?
Zur damaligen Zeit habe ich persönlich das noch gar nicht verstanden. Ich kann mich noch gut an einige der Krankenhausaufenthalte erinnern, doch sie dominieren nicht meine Kindheitserinnerungen. Darüber bin ich sehr froh und dankbar, denn meinen Eltern gelang und gelingt es auch noch heute, dass die Krankheit nicht unser Leben dominiert. Sie waren nach der Diagnose natürlich sehr geschockt und zu Beginn auch überfordert. Man wusste damals einfach überhaupt nichts darüber und die Möglichkeit, Google oder eine andere Suchmaschine im Internet zu benutzen gab es auch noch nicht, sodass die Informationsbeschaffung beschwerlich war. Doch sie organisierten weitere Termine bei Kinderrheumatologen eines sehr renommierten Zentrums, um eine Zweitmeinung einzuholen, welche die vorherige Diagnose bestätigten. Wir entschieden uns für die Behandlung beim Chefarzt der Kinderklinik, wo ich bis zu meinem 18. Lebensjahr mindestens einmal im Monat einen Termin hatte. Ich bin also damit aufgewachsen. Für mich waren die Arztbesuche Teil des Alltags.
Wie hat sich dein Leben und das deiner Familie seither verändert?
Meine Familie hat mir eine glückliche und zufriedene Kindheit ermöglicht. Ich konnte allen Hobbies nachgehen, die ich machen wollte, wie Tanzen, Töpfern oder Querflöte spielen. Die Erkrankung war zwar immer da, aber hat nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wir haben uns damit arrangiert und die Medikamenteneinnahmen in den Wochenablauf integriert und viele zusätzliche Therapien (z.B. Physio- und Ergotherapie) in Anspruch genommen. Ich muss sagen, dass ich mir keine schönere Kindheit hätte vorstellen können, auch wenn ich ab und an ins Krankenhaus musste, weil eine Gelenkpunktion oder medikamentöse Einstellung nötig war.
Wie bewältigst du deinen Alltag?
Meinen Studienalltag kann ich insgesamt sehr gut bewältigen. Ich habe gelernt, mir regelmäßige Pausen einzubauen und auf meinen Körper zu hören. Pausen machen heißt bei mir zum einen Spaziergänge an der frischen Luft zu machen und zum anderen auch mal die Beine auf dem Sofa hochzulegen. Wenn ich schlechtere Tage habe, an denen das Knie mal wieder schmerzt, kann ich immer auf die Hilfe und Unterstützung meiner Familie und die meines Partners bauen. So übernehmen sie Tätigkeiten, die mir schwerfallen und bauen mich auch emotional auf, wenn es mir mal wieder schlecht geht, weil ein Gelenk schon wieder geschwollen ist. Es kann deprimierend sein, wenn der Körper nicht das macht, was man will. Ich musste erst lernen, dass es okay ist, nicht alles zu können und akzeptiere die Erkrankung nun als Teil von mir. In meinem Alltag kann ich mit ihr sehr gut umgehen. Ich muss mich nicht einschränken und kann dem nachgehen, was mich glücklich macht und woran ich Spaß habe.
Wie geht es dir aktuell?
Aktuell geht es mir gut. Leider hatte ich 2019 einen sehr schlimmen Schub, bei dem mehrere Gelenke von Entzündungen betroffen waren. Seither gibt es immer wieder kleinere Aktivitäten, die vor allem das rechte Kniegelenk betreffen. An einigen Tagen ist es sehr heiß, versteift und etwas geschwollen. Am nächsten Tag kann aber auch schon wieder alles gut sein, als wäre nichts gewesen. Ich versuche das Ganze mit Bewegung auszugleichen und nehme nur im Notfall eine Schmerztablette.
Wie therapierst Du zur Zeit?
Seit 2019 spritze ich mir 14-tägig ein Biological. Mit dem TNF-Alpha-Blocker komme ich sehr gut zurecht und konnte meine Beschwerden damit reduzieren und unter Kontrolle bringen. Zuvor wurde ich nur mit Tabletten behandelt. Gelegentlich nehme ich auch Schmerztabletten, wenn mich bspw. die Beschwerden im Alltag stark einschränken würden. Außerdem wirken die Tabletten gleichzeitig entzündungshemmend. Zudem versuche ich, neben der Schulmedizin, noch andere Ansätze in meinen Alltag zu integrieren. Quarkwickel oder Umschläge mit Schwedenbitter gehören zu den Hausmitteln, die gelegentlich angewendet werden. Außerdem habe ich meine Ernährung stark umgestellt und mein Gewicht reduziert, welches sich aufgrund der vielen Kortisonstöße innerhalb der letzten zwei Jahre stark erhöht hatte. Ich möchte meine Gelenke dadurch entlasten und fühle mich zeitgleich fitter und gesünder. Das hilft mir auch im Alltag aktiver zu sein. In meiner Ernährung verzichte ich weitestgehend auf Fleisch und achte auf einen hohen Proteinanteil, den ich über Hülsenfrüchte und fettarme Milchprodukte decke. Außerdem integriere ich viele entzündungshemmende Lebensmittel in meinen Speiseplan.
Was hilft dir, dein Rheuma gut in den Griff zu bekommen?
Leichte Bewegungen und Sporteinheiten, eine ausgewogene und gesunde Ernährung und Auszeiten, in denen ich die Möglichkeit habe mich auch einfach mal auszuruhen. Doch auch die regelmäßigen Arztbesuche gehören für mich dazu. Bei diesen werden meine Blutwerte und Gelenke kontrolliert und ich werde immer umfangreich über mögliche Therapieansätze aufgeklärt. Für mich gehört eine gut eingestellte Basismedikamentierung genauso mit dazu, wie eine ausgewogene Ernährung oder die Bewegung im Alltag. Es ist ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren, das letztlich hilft, die Krankheitssymptome in den Griff zu bekommen.
Was ist dein Wunsch in Bezug auf Deine Erkrankung?
Ganz einfach: beschwerdefrei sein! Ich möchte mein Leben auch weiterhin nach meinen Vorstellungen gestalten können und die Krankheit nicht meinen Alltag dominieren lassen. Für mich steht an oberster Stelle, dass ich glücklich bin. Und das bin ich ja auch jetzt schon. Natürlich habe ich an einigen Tagen mit Schmerzen oder Einschränkungen zu kämpfen, doch dabei steht immer die Frage im Raum, ob man sich davon nun runterziehen lässt oder weiterkämpft und den Kopf nicht in den Sand steckt. Ich plädiere für Zweiteres.
Schlusswort/Fazit:
Betroffene von rheumatischen Erkrankungen müssen lernen auf ihren Körper zu hören. Es ist manchmal nicht einfach zu erlernen, was einem wirklich guttut oder wie man die Erkrankung akzeptieren kann. Der Austausch mit anderen kann dabei sehr helfen, z.B. über Vereine oder Selbsthilfegruppen. Ich selbst habe eine Website gegründet (www.rheumalicious.de), auf der ich von mir und meiner Krankheit erzähle, auch das ist eine Art der Verarbeitung. Über meinen Instagram-Kanal (rheumalicious_) stehe ich im Austausch mit anderen Betroffenen. Es hilft, andere Schicksale kennenzulernen und sich neue Perspektiven zu erschließen. Es ist wichtig, dass Ängste und Sorgen wahrgenommen werden. Doch sollten diese nicht das Leben dominieren. Eine rheumatische Erkrankung kann viele Schwierigkeiten mit sich bringen, doch sie ist nicht das Ende der Welt. Zum Schluss kann ich nur jedem mit auf den Weg geben, sich stets eine positive Einstellung zu sich selbst, dem Leben und der Erkrankung zu bewahren und immer optimistisch zu bleiben.