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Interview mit dem Experten Dr. Peer Aries – Verträglichkeit der Corona-Impfung

Wie gut vertragen Autoimmunerkrankte die Corona-Impfungen?

Die bisherigen Daten zeigen, dass im Vergleich zu der übrigen Bevölkerung die Verträglichkeit der Impfstoffe bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen offensichtlich nicht sehr viel anders ist. Lokale und systemische Reaktionen sind generell bei den SARS-CoV-2 Impfung etwas höher als bei den Impfstoffen gegen Influenza oder Tetanus. Die Reaktion ist in etwa vergleichbar mit z. B. der Reaktion auf die Gürtelroseimpfung (Shingrix).

Sind sie für die Patienten unbedenklich?

Zunächst einmal sind die Impfungen in Abwägung von Nutzen und Risiko den meisten Patienten zu empfehlen. In Anbetracht der der Tatsache, dass es natürlich auch bei den SARS-CoV-2 Impfung, wie auch bei anderen Impfungen, zu Nebenwirkungen kommen kann, kann man nicht sagen, dass die Impfungen generell „unbedenklich“ seien. Es muss für jeden einzelnen Patienten individuell abgewogen werden, wie der Nutzen und das Risiko ist. z. B. ist die Relation von Nutzen und Risiko bei Kindern unter 12 Jahren anders als bei älteren Menschen über 80 Jahren. Auch sollten natürlich die empfohlenen Alters-Restriktionen für die unterschiedlichen SARS-CoV-2 Impfungen berücksichtigt werden, da es eben z. B. unter den Vektorimpfstoffen bei jüngeren Frauen andere Risiken gibt als mit den mRNA Impfstoffen.

Wirken die mRNA-Impfstoffe bei ihnen anders?

Die Impfstoffe „wirken“ bei allen Menschen gleich. Das Prinzip der Reaktion des Immunsystems bleibt immer das Gleiche. Was aber der eigentliche Hintergrund der Frage ist, ob das Ansprechen auf die mRNA Impfstoff bei Patienten mit Autoimmunerkrankung anders ist. Hierzu gibt es keine speziellen Untersuchungen, allein die Tatsache einer bestehenden Autoimmunerkrankung lässt zurzeit noch nicht die Empfehlung zu, dass ein mRNA Impfstoff bevorzugt verwendet werden sollte.

Haben Medikamente einen Einfluss auf die Wirkung des Impfstoffes?

Hierbei geht es wahrscheinlich um die immunsupprimierten den Medikamente. Generell ist schon lange vor den SARS-CoV-2 Impfung bekannt, das immunsupprimierten der Therapien das Ansprechen auf die Impfung verändert. Dass es bei den aktuellen SARS-CoV-2 Impfstoffen leider nicht anders ist. Es kommt jedoch auch die Art der Immunsuppression an, einige Medikamente scheinen dabei zum Teil auch dosisabhängig mehr und andere weniger das Ansprechen auf die Impfung abzusprechen. Beim Cortison ist es z. B. so, dass Dosen von über 10 mg Prednisolon pro Tag deutlich mehr das Ansprechen auf die Impfung unterdrücken als niedrigere Dosen.

Ist eine dritte Impfdosis für Autoimmunerkrankte zu empfehlen?

Diesbezüglich gibt es Moment in der Wissenschaft und unter den Ärzten viele Diskussion. Die aktuelle Empfehlung des Bundes Gesundheitsministerium es ist zunächst einmal eine politische Empfehlung. Eine medizinische Empfehlung generell zur 3. Impfung wurde bisher von der ständigen Kommission (STIKO) noch nicht ausgesprochen. Allerdings gehen wir schon davon aus, dass alle Menschen im weiteren Verlauf eine 3. Impfung brauchen, um den Impfschutz aufrecht zu erhalten. Einzelne Patientengruppen sollten wahrscheinlich aufgrund des nicht optimalen Ansprechens auf den ersten Impfzyklus früher geimpft werden als andere. So wäre es vorstellbar, dass 6 Monate nach dem ersten Zyklus z. B. Menschen über dem 80. Lebensjahr oder mit bestimmten immun unterdrückenden Medikamenten bevorzugt eine 3. Impfung bekommen sollen. Wir empfehlen jedoch diesbezüglich die aktuell noch ausstehende Empfehlung der ständigen Kommission abzuwarten und noch nicht voreilig eine weitere Impfung anzumelden. In individuellen Fällen kann es aber durchaus sinnvoll sein, schon jetzt konkret über eine 3. Impfung nachzudenken, diese sollte jedoch von Seiten der betreuenden Ärzte sehr individuell entschieden werden.

Haben Autoimmunerkrankte das Risiko eines schwereren Verlaufs bei einer Corona-Infektion?

Diese Aussage ist sehr generell gefasst und ist so nicht richtig. Wir wissen vielmehr, dass nicht die Autoimmunerkrankung an sich, sondern z. B. eine unkontrollierte Entzündung das Risiko für einen schweren Verlauf der COVID-19 Infektion erhöht. Auch kann in Abhängigkeit der laufenden immunsupprimierenden Therapie das Risiko erhöht sein. Allein die Tatsache einer vorliegenden Autoimmunerkrankung würde ich noch nicht per se als Risiko für einen schwerwiegenden Verlauf bewerten.

Gibt es schon Studien zur Impfung bei Autoimmunerkrankungen?

Ja, unsere Kollegen aus Israel haben uns bereits sehr viele hilfreiche Daten hierzu geliefert. Hieraus können wir schlussfolgern, dass die Verträglichkeit im Vergleich zur übrigen Bevölkerung sehr ähnlich zu sein scheint. Auch wissen wir, dass z. B. bei den entzündlich rheumatischen Erkrankungen ungefähr 90 % der Patienten auf die Impfungen ansprechen, auch wenn vielleicht das Ausmaß des Ansprechens etwas niedriger ist als in der übrigen Bevölkerung.

Wem würden Sie von einer Impfung abraten?

Es gibt nur sehr wenigen Patienten mit Autoimmunerkrankungen, den von einer SARS-CoV-2 Impfung abzuraten ist. Diesbezüglich sind z. B. einige Medikamente genannt, wäre bei den bekanntermaßen in den ersten 4 Monaten nach der Applikation des Medikamentes das Ansprechen auf die Impfung deutlich minimiert ist. Bei diesem Patienten empfehlen wir, die Impfung zu einem späteren Zeitpunkt durchführen zu lassen. Ähnlich ist es bei Patienten, die gerade eine sehr starke Entzündung haben und mit hohen Cortisondosen behandelt werden, auch diesen Patienten würden wir empfehlen, die Impfung zu einem späteren Zeitpunkt durchführen zu lassen.

Können Impfungen eine Autoimmunerkrankung verstärken?

Auch diesbezüglich gibt es erste Daten aus Israel, die uns gezeigt haben, dass ungefähr 5-10 % der Patienten eine zunehmende Krankheitsaktivität nach der SARS-CoV-2 Impfung beobachtet haben. Dabei ist es tatsächlich zum Teil schwer zwischen einer in relativ „normalen Impfreaktion“ und einem Schub zu unterscheiden, da sowohl im Rahmen der Impfreaktion als auch im Rahmen des Schubes z. B. Haut oder Gelenkveränderungen auftreten können. Aus meiner Erfahrung ist das Risiko eines Schubes relativ gering, und wenn es tatsächlich dazu gekommen ist, legt sich diese Krankheitsaktivität im Verlauf der nächsten 4-6 Wochen meistens spontan. Es ist wahrscheinlich die absolute Ausnahme, dass deshalb eine Therapieintensivierung erfolgen muss

Welcher Impfstoff ist für Menschen mit Autoimmunerkrankungen am besten geeignet?

Diesbezüglich verweise ich auf die Antwort von oben, es gibt bis jetzt keine klare Empfehlung für einen der bekannten Impfstoffe für einzelne Autoimmunerkrankungen. Eine kleine Ausnahme gibt es, auch ohne, dass es hierfür Beweise gibt, es wird jedoch von einzelnen Fachgesellschaften z. B. empfohlen, Patienten mit dem Nachweis von Phospholipidantikörpern bevorzugt einen mRNA Impfstoff zu impfen. Diese ist es jedoch eher eine Weiche als eine wissenschaftlich bewiesene Empfehlung.

Können Sie einmal erklären, wie hoch das Risiko einer Ansteckung oder Weiterverbreitung des Virus trotz Impfung sein kann?

Der Begriff Impfdurchbruch beschreibt genau dieses Phänomen, dass Patienten, die geimpft worden, dennoch eine Infektion durchmachen. Dieses ist kein besonderes Phänomen für die SARS-CoV-2 Impfung, sondern kommt auch bei jeder anderen Impfung vor. Die genauen Zahlen, die zurzeit hierfür angegeben werden, variieren zurzeit stark. Es ist zudem davon auszugehen, dass eine hohe Dunkelziffer gibt, da der Verlauf der Infektion offensichtlich anders ist als bei ungeimpften Personen. Es bleibt jedoch dabei, dass es die absolute Ausnahme ist. Anders herum gesagt, über 90 % der aktuell auf der Intensivstation wegen COVID-19 liegenden Patienten sind ungeimpft.

Wie hoch muss eine Impfwirkung sein, um die Pandemie durchbrechen zu können?

Auch diesbezüglich gibt es unterschiedliche Angaben, die damals angenommenen 80 % galten der damaligen SARS-CoV-2 Variante. Durch die aktuelle Delta Variante rechnen einige Epidemologen damit, dass möglicherweise eine 80%ige Quote nicht ausreichen könnte. Ich glaube, man sollte sich weniger an diesen Zahlen festhalten, als sich darum bemühen, so viele Patienten wie möglich impfen zu lassen.