Name: Sine
Alter: 30
Diagnose: Psoriasis (2011)
Instagram: @psoauty
Interview
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?
Seit meiner Jugend hatte ich mit einer schuppigen Kopfhaut zu kämpfen. In meiner Unwissenheit griff ich zunächst zu gängigen Antischuppen-Shampoos oder versuchte es mit Hausmitteln wie Kokosöl und Apfelessig. Während die Shampoos den Zustand meiner Haut eher verschlimmerten, brachten die Hausmittel nur eine begrenzte Linderung. Eine Zeit lang konnte ich mir damit behelfen, doch als sich der Zustand weiter ver-schlechterte und ich keine Ahnung hatte, was mir wirklich fehlte, wurde ein Arztbesuch unvermeidlich. In meiner Familie war Schuppenflechte bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt. So war ich auf mich allein gestellt. Da sich die Schuppenflechte jedoch auf der Haut bemerkbar macht, war für mich schnell klar, einen Dermatologen aufsuchen zu müssen.
Glücklicherweise blieben mir zahlreiche Arztbesuche erspart, und ich erhielt mit dem ersten Besuch eine klare Diagnose.
Wie war es dann, als du die Diagnose erfahren hast? War dir gleich klar, was das für dich und dein Leben bedeutet?
Als ich mit 17 Jahren beim Dermatologen saß, hoffte ich nur, eine einfache Salbe zu bekommen und dass alles wieder gut werden würde. Der Arzt nahm meine Unbeschwertheit sicher wahr und erklärte mir sehr sachlich, aber dennoch einfühlsam, dass es mit der Schuppenflechte nicht so einfach sei und dass wir die Entwicklung gemeinsam beobachten müssten. In diesem Moment verließ meine Unbeschwertheit den Raum und ich erinnere mich noch gut an das Gefühl, das mich überkam, als ich den Ernst seiner Worte in seinen Augen erkannte.
Er sagte mir damals nicht, welches Ausmaß die Schuppenflechte annehmen könnte. Doch als ich allein im Fahrstuhl abwärts fuhr und das erste Rezept in den Händen hielt, ergriff mich eine tiefe Angst. Ich wusste nicht genau, was diese Krankheit für mein Leben bedeuten würde, aber intuitiv spürte ich, dass ich stark sein müsste.
Dein Instagram-Account @psoauty dreht sich rund um Psoriasis und wie du damit lebst, leidest, hoffst und auch glücklich bist. Was hat dich im Jahr 2019 bewogen, mit dem Thema Schuppenflechte so öffentlich umzugehen?
Von Grund auf bin ich ein aufgeschlossenes und offenes Wesen. So kam es mir auch nicht in den Sinn, mich aufgrund meiner Krankheit zu ändern, einzuschränken oder gar zu schämen. Es ist eine Krankheit und ich kann nichts dafür.
Doch als die Krankheit immer weiter voranschritt, die Wunden nahezu meinen ganzen Körper einnahmen und die Belastungen von außen, in Form von bemitleidenden und sich ekelnden Blicken sowie Kommentaren, zunahmen, verschloss ich mich immer mehr, bis ich irgendwann mehrheitlich zu Hause blieb.
Ich hatte das Gefühl, meines Lebens ohnmächtig geworden zu sein und das nährte eine Wut in mir. Die Wut darüber, es zugelassen zu haben, dass die Krankheit nun doch mein Leben bestimmt hatte. Ich hatte die Energie, welche aus der Wut hervorging, gebraucht, um mich aus meiner Ohnmacht zu befreien. Den Mut zu haben, das Leben – Nein, MEIN Leben wieder selbst zu bestimmen.
Die Teilhabe am „normalen“ Leben reichte allerdings nicht, um mich gänzlich aus dem Schatten meiner Krankheit zu lösen. So ging ich damit an die Öffentlichkeit, um dem Gefühl des verstecken Wollens jeglichen Nährboden zu entziehen. Und mit dem Beginn der Offenheit hatte das Verstecken ein Ende.
Ehrlicherweise tat ich es in erster Linie für mich und meine Selbstbestimmung. Dass es mir später die Möglichkeit bieten würde, mich mit Betroffenen oder Angehörigen von Betroffenen auszutauschen, hatte ich damals nicht wirklich im Sinn, da Schuppenflechte in den sozialen Medien im deutschsprachigen Raum vor fünf Jahren kaum thematisiert wurde.
Die offene und empathische Kommunikation über Schuppenflechte auf den sozialen Medien empfinde ich heute als Geschenk für meinen Mut zur Selbstbestimmung.
Was macht deine Haut mit deiner Seele? Wie schaffst du es, geistig stabil zu bleiben, wenn deine Haut sticht, schmerzt, nässt, juckt und schuppt?
Die Beantwortung dieser Frage hat mich lange beschäftigt. Gerne würde ich schreiben, dass mich die Schuppenflechte ausschließlich Geduld, Achtsamkeit und Verständnis gelehrt hat; dass sie mir konstante Stärke und wiederholte Reflexion abverlangt und ich ihr sogar stückweit dankbar bin… Doch das bin ich nicht!
Gewiss rücken bedeutsame Tugenden wie der Dankbarkeit, der Akzeptanz, der Selbstfürsorge, des Demuts und auch des Mitgefühls in den Vordergrund und prägen mein tägliches Handeln – keine Frage! Und ja, es ist zweifellos wichtig, sich auf diese Aspekte zu konzentrieren, um einen gesunden Umgang mit der Krankheit zu finden.
Doch ob es dafür wirklich eine Krankheit braucht, die langsam aber sicher deinen ganzen Körper mit Wunden bedeckt, dir aufgrund der Schmerzen den Schlaf raubt, deine Gedankenwelt verdunkelt und deine Freiheit in so vielen Lebensbereiche einschränkt? Nein, das glaube ich nicht.
Um meiner selbst treu zu bleiben: Die Schuppenflechte ermüdet mich. Sie legt sich wie ein schweres Tuch über meine Seele und meinen Körper. Sie zerrt an mir und lässt mich viel zu oft verstummen.
Ich habe akzeptiert, dass die Schuppenflechte mein Leben begleiten wird. Doch ob ich dieser Krankheit die Führung meines Lebens überlasse, ist geknüpft an tägliche Entscheidungen, die ich treffen. Und ich entscheide mich für mich.
Man sieht auf @psoauty, wie deine Haut an vielen Stellen deines Körpers immer besser wird. Was sind deine fünf besten Hacks, um die Schuppenflechte in den Griff zu bekommen?
Die Schuppenflechte nimmt leider einen großen Raum in unserem Leben ein. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie schwer es sein kann, diesen Umstand zu akzeptieren und man eigentlich nicht ständig daran denken möchte.
Doch genau hier liegt der Knackpunkt: „Integriere deine Schuppenflechte in deinen Alltag, damit sie nicht deinen Alltag bestimmt.“
Was meine ich damit?
- Mir hilft es sehr, immer eine Salbe bei mir zu haben, um meine Haut bei Bedarf schnell eincremen zu können. So verschaffe ich mir Linderung und muss mich nicht unnötig einschränken.
- Außerdem achte ich darauf, keine zu enge Kleidung zu tragen, um Reibungen an der Haut zu vermeiden.
- Ich lege großen Wert auf eine antientzündliche Ernährung.
- Und nehme regelmäßig Basenbäder, die mir sehr bei der Abschuppung helfen.
- Zudem plane ich mir feste Zeiten für eine intensive Pflege meiner Haut ein, damit ich an den übrigen Tagen etwas mehr Ruhe genießen kann.
Wann triggert deine Haut besonders?
Meine Haut wird besonders dann getriggert, wenn ich Alkohol konsumiere – das ist ein bedeutender Faktor, der zu einer Verschlechterung führt. Auch scharfe und zuckerhaltige Lebensmittel haben einen starken Einfluss auf meine Hautgesundheit. Nach dem Genuss solcher Speisen oder Getränke merke ich oft, dass sich die Symptome verschlimmern.
Der Winter stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. In den kalten Monaten neigt meine Haut dazu, noch trockener zu werden, was das Risiko für Risse erhöht. Diese Trockenheit macht die Pflege besonders wichtig.
Stress ist ein weiterer entscheidender Auslöser. In stressigen Phasen spüre ich schnell, wie sich der Zustand meiner Haut verschlechtert. Schon kurze Zeit nach einer stressigen Situation beginnt meine Haut zu reagieren – die Symptome nehmen zu, und es wird klar, dass ein Schub bevorsteht. Die Kombination dieser Faktoren macht es wichtig, auf meinen Körper zu achten und frühzeitig gegenzusteuern, um größere Probleme zu vermeiden.
Wann fällt es dir besonders schwer, mit der Schuppenflechte zu leben?
Am schwierigsten fällt es mir, mit meiner Schuppenflechte zu leben, wenn sie große Teile meines Körpers betrifft und ich viel Zeit für die Pflege meiner Haut aufwenden muss. In solchen Phasen habe ich oft Aktivitäten gemieden, Verabredungen abgesagt und mich zurückgezogen. Das hat mir eigentlich nicht viel ausgemacht, weil ich wusste, dass ich mich um meine Haut kümmern musste. Mir war klar, dass ich keinen Spaß an den Aktivitäten hätte, wenn meine Haut juckt, brennt oder blutet.
Seit ich mit meinem Partner zusammenwohne und wir viele Dinge gerne gemeinsam unternehmen, fällt es mir jedoch schwerer. Ich merke, dass er auch Verabredungen absagt und zu Hause bleibt, wenn meine Haut in einem schlechten Zustand ist. Das tut mir sehr leid. Es belastet mich, dass meine Schuppenflechte nicht nur mein Leben einschränkt, sondern auch das meines Partners.
Natürlich könnte man sagen, dass er auch ohne mich gehen könnte, aber es sind diese gemeinsamen Augenblicke, die wir durch meine Krankheit verlieren, die mir besonders fehlen und mir das Gefühl geben, ihm etwas zu nehmen. Das macht mich nachdenklich.
Wovor hast du am meisten Angst?
In Bezug auf meine Schuppenflechte empfinde ich keine Angst. Was mir jedoch Sorge bereitet, ist die Vorstellung, dass viele Betroffene in ihrer Scham gefangen sind, sich zurückziehen und keinen zum Reden haben, keine Unterstützung erhalten und letztlich allein gelassen werden.
Ich schätze mich unendlich glücklich, ein Umfeld zu haben, dem ich vertrauen kann, und ich bin überzeugt, dass ich gerade deshalb so gut mit meiner Haut umgehen kann. Doch ich weiß, dass es Viele gibt, die nicht nur mit der Last der Krankheit kämpfen, sondern auch mit der Einsamkeit und der Scham, die sie begleitet. Diese doppelte Bürde wiegt schwer, und mein Herz geht an all jene, die diese Last ohne Hilfe tragen müssen.
Was macht dich stolz in Bezug auf die Krankheit?
Häufig erhalte ich Nachrichten auf Instagram, in denen es heißt: „Du kannst so stolz auf dich sein, dass du dich mit deiner Krankheit öffentlich zeigst.“
Ich verstehe die wohlwollende Absicht hinter diesen Worten, doch genauso wenig, wie ich den Begriff der Schuld mit meiner Krankheit in Verbindung bringen kann, fällt es mir schwer, den Begriff „Stolz“ darauf anzuwenden.
Stolz ist für mich ein Gefühl, das aus der Überzeugung erwächst, etwas Bedeutendes erreicht zu haben, das Anerkennung verdient. Doch verdiene ich wirklich Anerkennung dafür, dass ich mich nicht verstecke? Denn wenn ich Stolz empfinden sollte, weil ich meine schuppige Haut nicht verberge, impliziert das nicht, dass die erste logische Schlussfolgerung „Schuppige Haut = zu versteckende Haut“ lautet? Sollten wir nicht eher diese bedauerliche Annahme hinterfragen?
Die Schuppenflechte ist etwas, wofür ich nichts kann, und deshalb empfinde ich keine Scham. Aber das bloße Akzeptieren meiner Haut, so wie sie ist, macht mich auch nicht stolz. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als sie anzunehmen.
Es war kein aktiver Prozess der Selbstfindung oder der Arbeit an meiner Wahrnehmung, der ein Gefühl von Stolz hätte hervorrufen können. Vielmehr war es das Korrigieren einer verzerrten gesellschaftlichen Sichtweise und der darauffolgenden Bewertung, die über eine Erscheinung jenseits der Norm urteilt.
Es ist in Ordnung, krank zu sein, von der Norm abzuweichen und anders zu sein. Dieses Selbstverständnis, das leider verlorengegangen ist, möchte ich fördern und stärken. Denn das ist der Status quo. Und wenn ich es schaffe, auch nur bei einem Bruchteil meiner Begleiter auf Instagram dieses Verständnis zu wecken, dann entsteht in mir tatsächlich ein Gefühl von Stolz – nicht auf mich selbst, sondern auf unsere Gemeinschaft.
Viele Teile der Haut sind offen sichtbar, vor allem im Sommer. Und nicht alle Menschen sind rücksichtsvoll mit Dingen, die sie nicht kennen. Hast du schon unangenehme Situationen erlebt und wie gehst du damit um?
Auch ich habe leider aufgrund meiner Schuppenflechte unangenehme Situationen erleben müssen. Oftmals reflektieren Bekannte, Unbekannte, Freunde und sogar Familienmitglieder nicht die Tragweite ihrer Worte. Es ist meist das Unbekannte, das in ihnen Angst und Unbehagen auslöst, was zu unschönen Handlungen oder verletzenden Bemerkungen führen kann.
Doch ich habe noch niemanden getroffen, der trotz Aufklärung weiterhin verletzend gehandelt oder gesprochen hat. Genau hier sehe ich den Ansatzpunkt: bei der Aufklärung und der offenen Kommunikation. Wir müssen miteinander sprechen, um einander zu verstehen – und verstanden zu werden.
Wie geht es dir aktuell?
Mir geht es zurzeit richtig gut! Ich stehe kurz davor, einen großen Meilenstein in meinem Leben zu erreichen. Ich arbeite weiter darauf hin, und meine Schuppenflechte hält mich dabei nicht auf 😊
Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?
In Bezug auf die Krankheit wünsche ich mir vor allem drei Dinge: Aufklärung, Achtsamkeit und Aufgeschlossenheit.
Aufklärung ist der erste Schritt zur Veränderung. Es ist essenziell, dass mehr Menschen über die Krankheit informiert werden, um Missverständnisse und Vorurteile abzubauen. Aufklärung bedeutet nicht nur, die Symptome und Auswirkungen der Krankheit zu verstehen, sondern auch, die emotionalen und psychologischen Herausforderungen nachzuvollziehen, die Betroffene täglich bewältigen müssen. Wissen öffnet Türen zu mehr Empathie und Unterstützung und kann dazu beitragen, dass sich die Betroffenen weniger isoliert fühlen.
Achtsamkeit: Es geht darum, bewusst und respektvoll mit den Erfahrungen und Bedürfnissen derjenigen umzugehen, die von der Krankheit betroffen sind. Achtsamkeit bedeutet, sich der Herausforderungen bewusst zu sein, die mit der Krankheit einhergehen, und sensibel auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen.
Aufgeschlossenheit: Für mich bedeutet Aufgeschlossenheit, zu akzeptieren, dass jede Person ihre eigene Art hat, mit der Krankheit umzugehen, und dass unterschiedliche Wege zur Bewältigung ebenso wertvoll sind.
Schlusswort:
Die Akzeptanz der Krankheit sollte nicht dazu führen, sich mit ihr abzufinden. Vielmehr sollte sie dich motivieren, täglich für dich und dein Leben einzutreten. Dies umfasst nicht nur das Informieren, Fragen stellen und Wissenserlangen, sondern auch das Kommunizieren, Anwenden und, falls nötig, das erneute Starten und Erforschen weiterer Wege zur Verbesserung.
Eines möchte ich jedem Betroffenen ans Herz legen: Du bist nicht allein! Hilfe ist vorhanden, aber es liegt an dir, danach zu fragen. Sprich über dein Leiden, und du wirst erstaunt sein, wie viele Menschen zuhöre