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Schuppenflechte: Die Geschichte von Nora

Mut-Mach-Geschichte von Nora - Psoriasis

Name: Nora
Alter: 33
Psoriasis Guttata seit etwa 2012

Interview

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung? Gab es Besonderheiten oder Schwierigkeiten beim Stellen der Diagnose?

Wie bei vielen anderen auch hat es einige Termine bei verschiedenen Ärzten, vom Hautarzt bis zum Dermatologen gebraucht, bis ich „endlich“ die Diagnose Schuppenflechte bekommen habe. Ich kann mich – um ehrlich zu sein – nicht mehr an das genau Jahr erinnern. Ich war auf jeden Fall schon im Gymnasium, allerdings noch nicht in dem Alter, wo man beginnt, sich ernsthaft zu verlieben. Alles in allem war ich ein kleiner Wildfang, der gerne an der frischen Luft war, aber natürlich auch immer wieder mit grippalen Infekten zu kämpfen hatte, die dann auch lange nach der Genesung vom Infekt noch Hautausschläge zurückgelassen haben.

Wie war es dann, als du die Diagnose erfahren hast?

Ich war eigentlich fast erleichtert, weil ich endlich ein Medikament dagegen bekommen habe. Im ersten Moment denkt man sich ja: super, eine Diagnose, dann kann man das endlich behandeln und dann ist es weg. Ich glaube, jeder, der das hier grade liest, weiß, dass es in der Praxis leider nicht so aussieht. Meine Schübe wurden schlimmer und die Medikamente schlugen immer weniger an. Dazu kam, dass ich langsam auch mal den Jungs aus meiner Klasse gefallen wollte – was natürlich noch einmal zusätzlich für Stress sorgte. Und Stress ist auf jeden Fall auch ein Trigger für weitere Schübe. Den schlimmsten Schub gab es dann mit etwa 21. Ich war grade frisch von meinem ehemaligen Partner getrennt, habe aber noch mit ihm zusammengearbeitet, musste meine eigene Wohnung finden, mein Studium weiterbringen, Vollzeit in einer Diskothek arbeiten, hatte lange Nächte um die Ohren (das bringt der Job wohl so mit sich) und war auch ständig erkältet. Außerdem ging es für mich noch dreimal die Woche zur Bestrahlung und meine Salbe hatte inzwischen meinen gesamten Körper aufgeschwemmt. Die einzigen Hautpartien, die nicht befallen waren, waren mein Gesicht, meine Hand- und Fußflächen und mein Intimbereich. Da überwies mich mein Kassenarzt endlich in eine dermatologische Ambulanz, die mir nicht nur eine Therapie verschrieben, die sich besser mit meinem Leben vereinbaren ließ, sondern auch nach wenigen Wochen Erfolge zeigte. Zu der Zeit fing ich auch mit dem Rennradfahren an.

Du bist eine richtig tolle Rennradfahrerin und als Bloggerin für den Sport bist du sehr präsent in der Öffentlichkeit. Es gibt viele Bilder von dir, zum Beispiel auf deinem Instagram Account unicorncycling oder deinem gleichnamigen Blog. Außerdem redest du vor Menschengruppen und wirst für Zeitschriften interviewt. Gibt es da Momente, in denen du dich in deiner Haut unwohl fühlst? Was hilft dir in solchen Momenten?

Inzwischen fast gar nicht mehr bzw. nicht wegen meiner Psoriasis. Ich retuschiere sie auch aus Bildern nicht weg, wenn ich mal ein paar Spots habe. Ein schönes Beispiel sind dafür die Ellenbogen: viele Menschen mit Psoriasis haben hier Plaques, und viele Rennradfahrer haben sie sich irgendwann aufgeschlagen. Meine aufgeschlagenen Ellenbogen tendieren aufgrund des Narbengewebes besonders zu Plaques, aber das ist eben das echte Leben – als Psoriasis-Patientin und auch als Rennradfahrerin.

Was bei mir eher das Thema ist: Gutes Zeitmanagement und Entspannungszeiten finden. Das ganze Rennradfahren und das Darüberschreiben mache ich neben einem Vollzeit-Job. Damit es nicht zu stressig wird, ist viel Verständnis von Kooperationspartnern, meinen Followern und vor allen Dingen von meinem privaten Umfeld erforderlich. Andererseits: Durch den Ausgleich beim Rennradfahren kann ich stressige Situationen deutlich besser verarbeiten. Ich bin kein Arzt, aber ich würde sagen, das merke ich auf jeden Fall auch an meiner Haut!

Über die Social Media-Kanäle motivierst du vor allem Frauen fürs Radfahren. Du sprichst aber auch über deine Psoriasis. Ist beides gleich motivierend für die Menschen? Sind die Leute dankbar, dass du so ehrlich über deine Krankheit sprichst oder ist eher das Gegenteil der Fall?

Also negatives Feedback wegen der Postings zu Pso habe ich wirklich noch nie bekommen. Viele haben keine Ahnung, was das ist oder dass es derzeit nicht heilbar, lediglich therapierbar ist. Die schreiben mir z.B., dass sie den Beitrag jemanden gesendet haben, der wohl das gleiche hat. Andere, die auch erkrankt sind, danken mir, dass ich das Thema anspreche, damit mehr Menschen verstehen, dass wir nicht ansteckend oder eine Gefahr für andere sind.

Welche Vorurteile begegnen dir mit deiner Psoriasis immer wieder? Wie würdest du dir wünschen, dass andere Menschen mit Autoimmunerkrankten umgehen?

Das hat sich total verändert, seit ich offen darüber rede! Und natürlich auch, seit meine Haut beinahe erscheinungsfrei ist. Die nervigsten Vorurteile sind auf jeden Fall, dass andere Menschen glauben, ich könnte sie anstecken oder dass ich einfach eine fettige Creme auf die trockenen Stellen tun soll, dann geht der Ausschlag schon wieder weg. Sehr störend empfinde ich aber auch die Tipps für irgendwelche absurden Heilversprechen von Ernährungsumstellungen oder dubiosen Pseudo-Arzneimitteln.

Was ist das Skurrilste, was dir wegen deiner Psoriasis passiert ist?

Ein Mädchen im Supermarkt zeigte auf mich – damals noch mit sehr bunten Haaren – und meinte: „schau mal Mama, eine Prinzessin!“ Die Mutter zog ihr Kind weg und sagte: „Pass auf, die hat Windpocken!“

Wann fällt es dir besonders schwer, mit der Schuppenflechte zu leben?

Inzwischen fällt es mir gar nicht mehr schwer, da ich sie „kenne“ und weiß, wann und was zu Schüben führt und wie sie rasch wieder besser werden, wenn ich es nicht vermeiden kann.

Wie geht es dir aktuell? Deinen aktuellen Bildern nach zu urteilen, bist du nahezu frei von Symptomen. Was ist das Geheimnis dahinter? In wie weit hat dir der Sport geholfen, deine Psoriasis zu bessern?

Wie gesagt, ich bin kein Arzt. Ich kann nur mutmaßen und von meinen eigenen Erfahrungen berichten. Durch die viele Zeit, die ich draußen auf dem Rennrad verbringe, bin ich sehr viel unter der Sonne. Zwar verwende ich immer Sonnenschutzmittel, aber mein Körper produziert doch sehr viel Vitamin D3. Und das wirkt sich wirklich gut auf meine Haut aus. Man sieht auch ganz genau an den Stellen, die vom Trikot verdeckt werden und daher keine direkte Sonneneinstrahlung haben, dass dort noch immer ein paar Punkte sind, die nur im Hochsommer verschwinden. Mich würde das vielleicht mehr stören, wenn ich nicht diesen ganz schlimmen Schub gehabt hätte, so bin ich aber immer nur froh, dass es nur so wenig ist und dass es eigentlich fast gar nicht auffällt. Andererseits ist Bewegung – wie bereits erwähnt – eine tolle Therapie gegen Stress und stärkt das Immunsystem. Meine Pso Guttata wird immer getriggert, wenn ich einen Infekt hatte. Aber dank des vielen Sports bin ich seit Monaten körperlich kerngesund. Was Stress für meine Pso ausmacht, kann ich übrigens auch anhand des Terroranschlags am 2.11.2020 in Wien beurteilen. Danach blühte meine Haut so richtig auf, denn das war wirklich eine schlimme Zeit für mich. Zum Glück war auch mein Dermatologe sehr unkompliziert und ich musste nicht noch einmal extra vorsprechen, man hat mir mein Rezept für meine Therapie direkt in die Apotheke geschickt.

Welche Formen von Therapie hast du schon ausprobiert? Was hat besonders gut geholfen und was war absolut überflüssig?

Ich habe von Cremes bis zur Bestrahlungstherapie schon so ziemlich alles ausprobiert. Viele Präparate habe ich sogar gut vertragen, aber sie waren nicht optimal mit meinem Alltag zu vereinbaren. Deshalb bin ich weiter am Suchen, was am besten für mich passt. Der enge Kontakt zu meinem Arzt, und dass wir alle Dinge gemeinsam absprechen, spielt dabei für mich eine große Rolle. Denn was mir richtig wichtig ist: Mit seiner Gesundheit und mit seinen Medikamenten experimentiert man nicht!

Darüber hinaus interessiere ich mich sehr für systemische Therapien und Biologika, die vielen Psoriasis-Betroffenen schon geholfen haben. Oder vielleicht gibt es ja bald sogar noch was Besseres?

Kannst du Medikamente empfehlen oder setzt du auf homöopathische Mittel?

Ich kann dringend empfehlen, mit seinem Arzt über systemische Therapien zu reden, aktiv seine Wünsche anzusprechen und gemeinsame Therapie-Ziele festzusetzen. Homöopathische Mittel haben bei mir nicht wirklich geholfen, außer vielleicht der Geldbörse der Hersteller. Aber jeder Mensch ist individuell und daher will ich nichts empfehlen, sondern nur ermutigen.

Als Sportprofi brauchst du einen eisernen Willen, viel Disziplin und eine Menge Kraft, dich selbst zu motivieren. Gibt es auch Zeiten, in denen du dich wegen deiner Haut einfach verkriechen möchtest? Hast du Tipps, wie du dich aus solchen Situationen befreist?

Tatsächlich: eigentlich nein. Das hat aber seine Zeit gedauert und ist auch der guten Therapie-Erfolge zu verdanken. Natürlich gibt es Rückschläge – wie ja auch im Sport! – aber inzwischen kann ich damit einfach viel besser umgehen. Viele Dinge, die ich über das Rennradfahren, als auch über mich beim Training gelernt haben, gehen mir sehr schnell „ins Blut“ über und ich wende sie auch im Alltag einfach an, ohne lange darüber nachzudenken. Ob ich jetzt beim Fahren über den Bergpass einmal Pause mache oder nicht, ist doch egal – so lange ich oben ankomme. Und ob da ein Pso-Punkt auf meiner Wange auftaucht oder nicht, eigentlich auch, solange es grundsätzlich in eine gute Richtung geht mit meiner Erkrankung.

Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?

Dass sie so bleibt, wie sie jetzt ist oder generell eine Heilung gefunden wird. Damit könnte man vielleicht auch Therapie-Ansätze für viele andere Autoimmunerkrankungen, die Betroffene vielleicht deutlich mehr im Leben einschränken, finden!

Schlusswort:

Wie beim Rennradfahren geht es mit einer Autoimmunerkrankung manchmal bergauf, manchmal bergab. Das ist normal und gehört dazu, wenn man sich bewegt! Ob es nun um physische Bewegung geht, oder die Entwicklung mit der Erkrankung: es geht immer weiter! Genieß die schönen Momente und erinnere dich daran, wenn es mal nicht so rosig aussieht.

Und es muss nicht jeder gleich zum Hochleistungssportler werden! Aber regelmäßige Bewegung hat mir nicht nur mit meiner Pso geholfen, sondern generell viele neue, schöne Facetten in mein Leben gebracht. Ob man nun eine Straßenbahn-Station zu Fuß geht, am Wochenende einen ausgedehnten Spaziergang macht oder die Alpen überquert, ist zunächst mal egal – wichtig ist, was dabei mit einem passiert.