Chronische HauterkrankungenNeurodermitis/Atopische Dermatitis
Neurodermitis richtig behandeln
Zusammengefasst:
- Die Behandlung der Neurodermitis erfolgt individuell und stufenweise, basierend auf dem Schweregrad der Erkrankung.
- Die Basistherapie umfasst die tägliche Anwendung einer Hautpflege mit wirkstofffreien Zubereitungen wie Cremes, die z. B. rückfettend und feuchtigkeitsspendend wirken. Die Basistherapie sollte unabhängig vom Hautzustand täglich am gesamten Körper erfolgen.
- Die topische Therapie beinhaltet die Verwendung von Kortisoncremes und Calcineurininhibitoren zur Behandlung akuter Schübe bei leicht-mittelschweren Formen des Ekzems.
- Bei mittelschweren bis schweren Fällen sollte die Systemtherapie z.B. mit monoklonalen Antikörpern oder Januskinase-Inhibitoren in Erwägung gezogen werden.
- Alternative Therapien und Entspannungstechniken umfassen ergänzende Maßnahmen wie Akupunktur, werden jedoch nicht von Leitlinien-Experten empfohlen.
Therapie der Neurodermitis
- Wie wird die Neurodermitis behandelt?Neurodermitis, auch bekannt als atopische Dermatitis, ist eine chronische, schubartig verlaufende Hauterkrankung, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen kann. Obwohl die Erkrankung nicht geheilt werden kann, gibt es eine Reihe wissenschaftlich gut untersuchter Therapieoptionen.So kann eine gezielte, auf Deine individuellen Bedürfnisse angepasste Therapie und Pflege helfen, die Symptome zu lindern und die Kontrolle über die Krankheit zu gewinnen.
- Was versteht man unter einem Stufenschema?Die Therapie der atopischen Dermatitis wird individuell an den Schweregrad der Erkrankung angepasst. Dabei folgt die Behandlung einem Stufenschema, das aufeinander aufbauende Maßnahmen umfasst.
Basistherapie
- Was kann man bei trockener Haut bzw. leichten Ekzemen machen?Die tägliche Anwendung einer Hautpflege mit wirkstofffreien Zubereitungen wie Cremes, die z. B. rückfettend und feuchtigkeitsspendend wirken am gesamten Körper in ausreichender Menge stärkt die Hautbarriere. Die Basistherapie bildet so die Grundlage aller Therapiestufen, unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Die Auswahl des idealen Produkts ist individuell und sollte parfüm-, farbstoff- und konservierungsstofffrei sein. Die Konsistenz des Produkts sollte an den Hautbefund angepasst werden – ist die Haut sehr trocken, eignet sich ein fettigeres Präparat. Nässt die Haut, ist ein Produkt mit einem höheren Wassergehalt (z.B. eine Lotio) besser.
Äußerliche anzuwendende (topische) Therapie
- Kortisonsalbe – was heißt dasBei leichten bis mittelschweren Formen des atopischen Ekzems kommen äußerlich anzuwendende Therapien, auch topische Therapien genannt, zum Einsatz. Hierbei sind topische Steroide (Kortisoncremes/-salben) und topische Calcineurininhibitoren (nicht Cortison-haltig, dennoch entzündungshemmend wirksam) relevant. Calcineurininhibitoren können insbesondere im Gesicht oder an den Augenlidern hilfreich sein. Langfristig erfolgt die äußerliche Behandlung als sogenannte proaktive Therapie, bei der nach Abklingen der akuten Entzündung vorbeugend die ehemals betroffenen Stellen ein- bis zweimal in der Woche behandelt werden.
Systemtherapie
- Das Ekzem ist trotz regelmäßiger Basistherapie weiterhin ausgeprägt, was hilft weiter? Bei Patient*innen mit mittelschwerem bis schwerem atopischen Ekzem (Neurodermitis) oder bei Patienten, bei denen mit einer lokalen Therapie kein ausreichender Therapieerfolg erzielt wird, ist eine Systemtherapie (innerliche Therapie) in Tabletten- oder Spritzenform häufig unerlässlich.
- Was gibt es für Optionen für eine Systemtherapie? Verschiedene systemische Therapieoptionen stehen zur Behandlung der atopischen Dermatitis zu Verfügung. Hierzu zählen Biologika, JAK-Hemmer und konventionelle Immunsuppressiva.
- Was sind Immunsuppressiva und wie wirken sie? Arzneimittel, die schon seit längerem bei mittelschweren bis schweren Formen der Neurodermitis eingesetzt werden, sind konventionelle Immunsuppressiva. Sie unterdrücken relativ unspezifisch die Reaktionen des Immunsystems. Die Gruppe der Immunsuppressiva beinhaltet eine Reihe von verschiedenen Wirkstoffen, beispielsweise Ciclosporin. Auch die Einnahme von Glukokortikoiden (Kortison) in Tabletten- oder flüssiger Form zählen zu den Immunsuppressiva. Die Anwendung erfolgt normalerweise nur über eine kurze Zeit, bis die Symptome unter Kontrolle gebracht wurden.
- Was sind Biologika und wie wirken sie? Monoklonale Antikörper gehören zur Gruppe der sogenannten Biologika. Sie werden aus Zellkulturen gewonnen und ähneln körpereigenen Abwehrstoffen (Antikörpern). Sie greifen besonders zielgerichtet in die Entzündungskaskade der atopischen Dermatitis ein, in dem sie spezifisch Entzündungsbotenstoffe oder deren Rezeptoren blockieren. Diese Wirkstoffe wirken präzise, indem sie nur einen oder zwei Botenstoffe hemmen, die bei der Entzündung und dem Juckreiz in der Haut eine Rolle spielen. Die zur Behandlung der Neurodermitis eingesetzten Biologika werden in der Regel gut vertragen, Abbrüche aufgrund von Nebenwirkungen sind selten. Die Therapie mit monoklonalen Antikörpern zeigt meistens nach einigen Wochen erste Zeichen der Wirksamkeit und sollte langfristig (über Jahre) erfolgen.
- Wie Januskinase-Inhibitoren und wie wirken sie? Januskinase-Inhibitoren hemmen Enzyme, die eine Rolle in verschiedenen Signalwegen spielen, unter anderem im Entzündungsprozess der atopischen Dermatitis. Da diese Enzyme auch bei anderen Entzündungsprozessen beteiligt sind, werden diese Wirkstoffe auch bei anderen Krankheiten, z.B. aus dem rheumatologischen und gastroenterologischen Formenkreis eingesetzt. Die Wirkung ist im Vergleich zu Biologika breiter, jedoch nicht mit den ‚klassischen‘ Immunsuppressiva gleichzusetzen. Januskinase-Inhibitoren werden in Tablettenform täglich eingenommen. Eine erste Wirksamkeit zeigt sich innerhalb von einigen Tagen bis wenigen Wochen. Bei diesen Präparaten sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen erforderlich, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten.
Alternative Therapien und Entspannungstechniken
- Was ist der Unterschied zwischen alternative Therapien und medizinische Therapien?Neben den oben beschriebenen schulmedizinischen Maßnahmen gibt es auch alternative Therapien wie Akupunktur, Phytotherapie und traditionelle chinesische Medizin. Diese werden jedoch aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Belege nicht von den Leitlinien-Experten empfohlen. Ergänzend zur medikamentösen Therapie können Entspannungstechniken wie autogenes Training und progressive Muskelentspannung zur Juckreizlinderung beitragen.
- Gibt es zusätzlich zur medikamentösen Therapie auch weitere Optionen, die zur Juckreizlinderung führen können?Es gibt verschiedene Entspannungstechniken, die ergänzend zur medikamentösen Therapie gegen Juckreizattacken wirksam sein können. Dazu gehören vor allem autogenes Training und progressive Muskelentspannung. Beide Maßnahmen werden als Ergänzung zur medizinischen Therapie empfohlen, jedoch nicht als alleinige Behandlung der atopischen Dermatitis.
Quellen: S3-Leitlinie Atopische Dermatitis
(https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-027); Braun Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Mit freundlicher Unterstützung von:
Almirall
Neurodermitis richtig behandeln- kein Leben von Schub zu Schub
Neurodermitis richtig behandeln Zusammengefasst: Therapie der Neurodermitis Basistherapie Äußerliche anzuwendende (topische) Therapie Systemtherapie Alternative Therapien und Entspannungstechniken Quellen: S3-Leitlinie Atopische Dermatitis(https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-027); Braun Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie Mit freundlicher Unterstützung von:Almirall
Neurodermitis/Atopische Dermatitis
Juckreiz lindern bei Neurodermitis
„Hör auf, dich zu kratzen.“ Diesen Satz hast du dir als Neurodermitis-Patient*in sicherlich schon häufiger anhören müssen. Das ist allerdings viel einfacher gesagt als getan, denn Juckreiz als Hauptsymptom der Neurodermitis ist für viele Betroffene quälend und sehr belastend.
In diesem Beitrag gehen wir dem Symptom Juckreiz auf den Grund und geben dir hilfreiche Tipps an die Hand, was du selbst tun kannst, ihn zu lindern.
Der Kampf gegen Juckreiz: Strategien und Behandlungen für dich
Jucken, kratzen, stärkeres Jucken… Ein Teufelskreis, der sehr belastend ist und es immer schlimmer macht. Auch wenn Kratzen eine nachvollziehbare Reaktion auf den Juckreiz ist – und für eine kurze Zeit Erleichterung bringt – kann es diesen sogar verstärken. Viele Menschen mit Neurodermitis wissen das und versuchen, sich zurückzuhalten, was aber gar nicht so einfach ist. Das geht den meisten Patient*innen so und daher musst du keinesfalls bei jedem Kratzen ein schlechtes Gewissen haben.
Aber gerade darum ist es wichtig für dich, Strategien zu finden, die deinen Juckreiz lindern. Diese Aspekte solltest du dabei immer im Hinterkopf haben: An erster Stelle steht eine auf dich zugeschnittene, effektive Behandlung, das wichtigste Mittel gegen Juckreiz. Neben der Basistherapie gibt es je nach Schweregrad der Erkrankung noch die äußerliche (topische) und innerliche (systemische) Behandlung. Zu den innovativen, systemischen Behandlungsoptionen gehören Biologika und JAK-Inhibitoren:
Biologika sind biotechnologisch hergestellte Medikamente. Sie beeinflussen gezielt die fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems, indem sie beispielsweise bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe blockieren und so den Entzündungsprozess unterbrechen. Sie werden als Injektion unter die Haut verabreicht und können bei guter Wirkung und Verträglichkeit langfristig eingesetzt werden, um neue Schübe möglicherweise zu verhindern. Die Medikamente stehen in festgelegten Dosierungen als Fertigspritze oder Fertigpen zur Verfügung. Nach einer ärztlichen Einweisung kannst Du Dir das Medikament meistens selbst spritzen.
JAK-Inhibitoren gehören zu einer Klasse von Wirkstoffen, die aufgrund ihrer geringen Molekülgröße als „Small Molecules“ bezeichnet werden. Sie hemmen das Enzym Januskinase (JAK), das am Entzündungsprozess beteiligt ist, und reduzieren dadurch das Entzündungsgeschehen, inklusive Juckreiz. Sie werden als Tablette – meistens einmal täglich – eingenommen, gelangen über den Magen-Darm-Trakt ins Blut und wirken so im gesamten Körper. JAK-Inhibitoren können zur möglichen Vermeidung von neuen Neurodermitis-Schüben langfristig angewendet werden.
Die zur Therapie der mittelschweren und schweren Neurodermitis zugelassenen Biologika und JAK-Inhibitoren sind in der Regel gut verträglich. Durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen können etwaige Nebenwirkungen frühzeitig erkannt und die Therapie individuell angepasst werden.
Welche Therapie und Hautpflege für wen in Frage kommt, ist sehr unterschiedlich und unter anderem abhängig vom Hautzustand und der Stärke des Juckreizes. Deine Dermatologin oder dein Dermatologe wird dir hier zu Seite stehen und die passende Behandlung für dich finden.
Außerdem wichtig für dich: Stressbewältigung. Denn Stress kann den Juckreiz beeinflussen. Auch, wenn es im hektischen Alltag nicht immer möglich ist, Stress komplett aus dem Weg zu gehen, gibt es Möglichkeiten, ihn zu reduzieren. Beispielsweise können Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation bei leichtem Juckreiz helfen.
Zu guter Letzt: Du solltest Faktoren, die deine Haut reizen, so gut es geht meiden. Das können beispielsweise bestimmte Nahrungsmittel, Pollen oder auch Tierhaare sein. Diese Faktoren sind in der Tat sehr individuell – beobachte daher am besten, welche Faktoren bei dir Symptome verschlimmern können. Sprich über deine Beobachtungen und Vermutungen hinsichtlich sogenannter Trigger-Faktoren bzw. Allergien mit deinem Hautarzt oder deiner Hautärztin und lasse diese medizinisch mit einem Testverfahren überprüfen.
Lass den Kopf nicht hängen – es gibt immer einen Ausweg!
Die Herausforderungen, die durch den Juckreiz bei Neurodermitis entstehen, sind vielfältig und nicht zu unterschätzen. Wir wissen, wie schwierig das für dich sein muss und möchten dich an dieser Stelle daran erinnern, dass du dich damit nicht abfinden, sondern eine Lösung anstreben solltest. Vergiss nicht, auch deine Dermatologin oder deinen Dermatologen darauf anzusprechen – gemeinsam könnt ihr eine Therapie finden, die zu dir persönlich passt.
Wenn Du an weiteren interessanten Artikeln, wissenschaftlich belegten Informationen und Neuigkeiten rund um Neurodermitis interessiert bist, schau doch mal auf diesem Blog vorbei: www.neurodermitis-wen-juckts.de/blog.html.
Mit freundlicher Unterstützung von:
AbbVie
Chronische Hauterkrankungen
Was sind Biologika / Systemtherapien?
Was sind Biologika / Systemtherapien?
Wenn es nicht mehr reicht, eine Chronische Hauterkrankung von außen z.B. mit Cremes zu behandeln oder man damit nicht ausreichend Erfolg erzielt, ist eine innerliche Behandlung mit Medikamenten indiziert, eine sog. Systemtherapie. Hierbei handelt es sich bevorzugt um Tabletten oder Spritzen. Bei Tabletten gelangen die Wirkstoffe über den Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn, bei Spritzen erfolgt dies direkt. Ihre Wirksamkeit ist dadurch stärker, doch steigt damit auch das Risiko von Nebenwirkungen. Wirkstoffe mit gezielter Wirkung nach einem sog. Schlüssel-Schloss-Prinzip erhalten daher immer mehr Bedeutung, weil sie z. B. die Aktivität bestimmter Immunzellen ganz gezielt und damit mit wenig unerwünschten Wirkungen blockieren. Zu diesen Wirkstoffen gehören z.B. Biologika, Medikamente die biotechnologisch hergestellt werden.
Wie wirken Systemtherapien bei chronischen Hauterkrankungen und was macht Biologika dabei besonders?
Systemtherapien sind Therapien mit z.B. Tabletten oder Spritzen, die von innen auf die Erkrankung wirken. Sie nehmen bei chronischen Hauterkrankungen Einfluss auf das Immunsystem. Einige altbewährte Medikamente wie Methotrexat und Ciclosporin wirken sich breitbasig auf das Immunsystem aus, fahren es also allgemein etwas herunter. Mittlerweile gibt es modernere Systemtherapeutika wie Biologika und JAK-Inhibitoren. Bei den Biologika handelt es sich um biotechnologisch hergestellte Medikamente in Form von Antikörpern , die an bestimmten Stellen im Immunsystem wirken. Man spricht von einem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Sie blockieren bestimmte Botenstoffe, die meist hochreguliert sind, und reduzieren so die Entzündungsaktivität. Hierbei gibt es komplizierte Kaskaden in unserem Immunsystem, die so blockiert werden. Durch die gezielte Wirkung haben die Patienten meistens weniger Nebenwirkungen als bei den Immunsuppressiva.
Welche Systemtherapien gibt es?
Bei den Systemtherapien gibt es die altbewährten Medikamente die das Immunsystem drosseln wie MTX oder Ciclosporin. MTX nimmt dabei Einfluss auf die Zellteilung und reduziert die sich schnell teilenden Zellen des Immunsystems. Ciclosporin hingegen kommt häufig auch in der Orantransplantation zur Anwendung, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Es verhindert die Ausschüttung immunsystemstimulierender Stoffe und somit die Aktivierung und Vermehrung von Abwehrzellen. Modernere Medikamente wie Biologika oder JAK-Hemmer hingegen wirken gezielt an bestimmten Stellen im Immunsystem ohne es breitbasig zu beeinflussen. Das Immsunsytem arbeitet in Kaskaden oder Hierarchien mit Kettenreaktionen. Moderne Systemtherapeutika wirken nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip und sind speziell auf die jeweilen Kaskaden der Erkrankung abgestimmt. Sie blockieren bestimmte Botenstoffe, die meist übermäßig produziert werden, regulieren so das Immunsystem hin zu normalen Leveln und reduzieren dadurch die Krankheitsaktivität. Biologika sind hier biotechnologisch hergestellte Antikörper, die an bestimmte Botenstoffe andocken und sie dadurch blockieren. JAK-Inhibitoren blockieren ebenfalls proinflammatorische Stoffwechselprozesse in der Zelle.
Biologika sind mittlerweile für viele Erkrankungen zugelassen. Bei der Haut sind es v.a. die Psoriasis, die Neurodermitis und die Acne inversa. Aber auch Rheuma und chronisch entzündliche Darmerkrankungen werden mit Biologika behandelt.
Ein Beitrag von derma2go
Chronische HauterkrankungenNeurodermitis/Atopische Dermatitis
Neurodermitis und Psoriasis: Was Du jetzt wissen solltest.
Wie oft kommt eine Erkrankung mit Neurodermitis und Psoriasis vor?
Neurodermitis ist besonders bei Kindern weit verbreitet. Bis zu 15% aller Kinder leiden unter der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung, die sich mit fortschreitendem Alter jedoch meist verläuft. So sind in der Regel nur noch 3% aller Erwachsenen von der atopischen Dermatitis betroffen. Zum Vergleich: Von der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung Psoriasis (=Schuppenflechte) sind rund 3% der Gesamtbevölkerung (in DE) betroffen. Hierbei unterscheidet man zudem Typ 1 und Typ 2: Bei Typ 1 tritt die Erkrankung vor dem 40. Lebensjahr in Erscheinung und nimmt meist einen schweren Verlauf, während bei Typ 2 die Erkrankung sich erstmal nach dem 50. Lebensjahr zeigt und eher milde Verläufe mit sich bringt.
Was sind die typischen Symptome für Neurodermitis und Psoriasis?
Kennst Du die Formulierung „das triggert mich“? Betroffene der chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen können ein Lied davon singen, da in der Regel aktive Schübe durch sogenannte Trigger ausgelöst werden. Doch mit welchen Symptomen äußern sie sich? Allgemeine Anzeichen für einen Schub sind starker Juckreiz gepaart mit einer starken Rötung, nässende Entzündungen und die Bildung von Bläschen und kleinen Knoten. Dabei sind besonders Gesicht, Kopfhaut, Nacken, Hände wie Füße, Körperseiten und die Beugefalten der Arme und Beine betroffen. Je nach Altersphase unterscheidet sich das Erscheinungsbild der Neurodermitis noch einmal. Auch eine Haut ohne aktiven Schub ist von der atopischen Dermatitis gekennzeichnet: trocken, empfindlich, gerötet und neigt zur Schuppung. Gut zu unterscheiden ist zudem die Psoriasis (=Schuppenflechte): Hier zeigt die Haut scharf begrenzte, rötliche Hautverdickungen (sog. Plaques), silbrig-glänzende, weiße Schuppen, die Größe der betroffenen Areale variiert stark, Juckreiz kann auftreten und die Haut ist generell trocken und empfindlich mit Spannungsgefühl.
Worin liegen die Ursachen für Neurodermitis und Psoriasis?
Betroffene der chronisch entzündlichen Hauterkrankung Neurodermitis stellen sich oft die Frage, wieso gerade sie davon betroffen sind. Die Antwort darauf ist leider, dass es genetisch bedingt ist. Forscher konnten Gene identifizieren, die für einen Mangel an Eiweißen verantwortlich sind und so die schützende Hornschicht fehlerhaft aufgebaut ist, wodurch die Barrierefunktion der Haut geschwächt ist. Auch wird durch diesen Gendefekt die Zusammensetzung der Hautfette beeinflusst, weshalb die Haut an Feuchtigkeit verliert und schneller austrocknet. Diese Umstände alleine reichen jedoch nicht für eine Aktivierung der Erkrankung. Erst mit äußeren Faktoren (Antigene aus der Umwelt) kommt es zu einer Sensibilisierung und Abwehrstoffe werden gebildet. Ebenfalls genetisch bedingt ist die Psoriasis: Forscher konnten feststellen, dass Kinder von Psoriasis-Betroffenen mit einer 10%igen Wahrscheinlichkeit ebenfalls erkranken, wenn ein Elternteil betroffen ist – bei beiden Elternteilen liegt das Risiko sogar bei 40%. Ergänzend dazu kommt ein fehlgeleitetes Immunsystem, welches eine chronische Aufrechterhaltung des Abwehrmechanismus gegen Entzündungen vorweist.
Neurodermitis & der atopische Formenkreis
Neurodermitis gehört zum atopischen Formenkreis. Betroffene leiden daher meist nicht nur unter den krankhaften Hautveränderungen, sondern neigen auch zu allergischem Asthma und Heuschnupfen. Es besteht eine generelle Überempfindlichkeit auf Kontakt mit Allergenen und anderen Reizstoffen. Im Internet ist zudem oft zu lesen, dass eine Ernährungsumstellung die Neurodermitis erfolgreich behandeln kann. Richtig ist: Eine Umstellung der Ernährung kann die Behandlung der Neurodermitis unterstützen. Liegt eine Reaktion auf Milchprodukte vor, ist es ratsam und sinnvoll darauf zu verzichten. Eine vollwertige Behandlung kann die richtige Ernährung jedoch nicht ersetzen, da es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung handelt, die von einem Facharzt behandelt werden muss. Psoriasis zählt hingegen nicht zum atopischen Formenkreis.
Was ist eine leitliniengerechte Therapie?
Die Therapie bei Neurodermitis und Psoriasis muss individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden. Um für den Einzelfall eine optimale Therapie gewährleisten zu können, gibt es in Deutschland Therapieleitlinien, welche von Experten aus dem jeweiligen Fachgebiet verfasst werden. An diesen Leitlinien können sich die behandelnden Ärzte orientieren, um stets eine aktuelle, auf den Patienten zugeschnittene Therapie anwenden zu können.
So findet die Therapie bei der Psoriasis und Neurodermitis abhängig vom Schweregrad statt:
Bei leichten Erkrankungsformen steht die sogenannte topische Therapie (=Auftragen von Medikamenten auf der Haut) im Vordergrund, bei mittelschweren und schweren Symptomen kommen zusätzlich die Phototherapie und systemische Therapien (=Medikamente zur oralen Einnahme) zum Zuge.
Hautwoche anlässlich des Welt-Neurodermitis-Tags vom 14. Bis 24. September 2021
Solltest Du Dir nun die Frage stellen, ob Du möglicherweise selbst von Neurodermitis oder Psoriasis betroffen bist, haben wir eine gute Nachricht für Dich: Am 14. September startet unsere gemeinsame Aktionswoche mit derma2go. Vom 14. bis 24. September 2021 kannst Du Dich kostenfrei von einem ausgewiesenen Experten der chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen beraten lassen.
Autoimmunerkrankungen – So erklär ich‘s meinem Kind
Was ist eine Autoimmunerkrankung?
Normalerweise kämpft unser Immunsystem (das heißt Abwehrsystem) gegen fremde Eindringlinge. Wenn z.B. Bakterien oder Viren in den Körper eindringen, erkennt es sie und bekämpft sie. Im Fall von Autoimmunerkrankungen macht das Immunsystem etwas Falsches, es denkt, dass Teile unseres eigenen Körpers „fremd“ sind und bekämpft sie genauso wie sonst nur die schädlichen Eindringlinge. Dadurch können ganz verschiedene Organe angegriffen und krank werden, z.B. die Haut oder die Gelenke oder der Darm. Wir bekommen dann Probleme mit diesem Organ, weil es z.B. rot wird, anschwillt oder schmerzt.
Wie entsteht so eine Erkrankung? Warum habe gerade ich das bekommen?
Manchmal hat man von seinen Verwandten sogenannte Gene vererbt bekommen, die das Risiko erhöhen, eine Autoimmunerkrankung zu bekommen. Bei manchen Menschen bricht aber, obwohl sie solche Gene haben, gar keine Erkrankung aus. Warum andere dann plötzlich eine Autoimmunerkrankung bekommen, wissen wir bisher nicht.
Es kann sein, dass Infekte, die sozusagen Stress für den Körper bedeuten, oder psychischer Stress (zum Beispiel viel Ärger in der Schule oder mit den Freunden) oder vielleicht auch schmutzige Luft dazu beitragen, dass unser Immunsystem plötzlich solche falschen Reaktionen macht und Teile unseres eigenen Körpers angreift.
Bisher ist aber noch sehr viel über die Ursachen von Autoimmunerkrankungen unerforscht. Vielleicht wirst Du ja später Forscher und kannst helfen solche Rätsel zu lösen.
Ist das ansteckend?
Nein
Haben so etwas viele Menschen?
Ja, es bekommen etwa 10% der Menschen, vielleicht sogar mehr, im Laufe des Lebens eine Autoimmunerkrankung. Wenn alle Schüler auf dem Schulhof stehen, ist das jeder Zehnte oder noch mehr. Davon haben manche Kinder ein Problem mit der Haut, manche haben vielleicht mal ein schmerzendes dickes Gelenk, wieder andere haben oft Bauchweh und Durchfall. Du bist also nicht allein. So etwas kann jeder bekommen und Du bist nicht schuld daran, dass Du diese Krankheit bekommen hast.
Wie geht es jetzt weiter? Werde ich das immer haben?
Autoimmunerkrankungen verlaufen in den meisten Fällen in Schüben, das heißt mal geht es besser, mal geht es schlechter und zwischendurch merkt man manchmal gar nichts von der Krankheit und vergisst sie sogar. Manchmal gibt es dann „Trigger“, die wieder einen Schub auslösen, wie z.B. Infekte. Das lässt sich nicht verhindern aber gut behandeln.
Kann man verhindern, dass man so eine Krankheit bekommt?
Bisher weiß niemand, wie man es verhindern kann, dass solche Krankheiten entstehen.
Was kann man dagegen tun?
Es gibt heutzutage viele verschiedene Medikamente gegen Autoimmunerkrankungen, die so gut helfen, dass man meist nicht mehr viel von der Krankheit merkt. Im Lauf des Lebens muss man allerdings oft immer mal wieder Medikamente bekommen und sie regelmäßig nehmen. Es ist aber sehr gut, dass Du diese Krankheit jetzt und nicht vor hundert oder auch nur vor fünfzig Jahren bekommen hast, denn da gab es all diese Medikamente noch nicht.
Was kann ich selber machen damit es mir besser geht?
Außerdem ist es immer gut, sich gesund zu ernähren, viel Obst und Gemüse zu essen, viel an der frischen Luft zu sein, Sport zu treiben und Freunde zu treffen.
Wenn Du Fragen hast, kannst Du Deine Eltern oder Deinen Arzt fragen. Manchmal hilft es auch mit seinen Freunden darüber zu reden, vielleicht haben sie ja etwas Ähnliches oder kennen jemanden in ihrer Familie der auch eine Autoimmunerkrankung hat. Und manchmal hilft es auch die Krankheit für eine Weile zu vergessen und einfach fröhlich zu sein, denn Gute Laune ist auch eine Art Medikament.
Rheumatische Erkrankungen
Rheumatherapie – warum ist sie so wichtig?
Es gibt Rheuma-Erkrankte, die über Jahre die Augen vor ihrer Erkrankung verschießen. Sie überwinden schlimme und weniger schlimme Schübe und das ganz ohne Medikamente. Diese Menschen leiden und holen sich dennoch keine medizinische Hilfe. Warum passiert sowas und was kann dagegen getan werden?
Aus meiner Erfahrung ist dieses Verhaltensmuster eine Mischung aus Frustration bezüglich bisheriger Erfahrungen mit der Schulmedizin, Unkenntnis über die heutigen Möglichkeiten der Therapien und auch Fehlinformationen über das Verhältnis von Wirkung und Nebenwirkung der heutigen therapeutischen Möglichkeiten. Da bei jedem einzelnen Patienten die drei genannten Punkte sehr unterschiedlich ausgeprägt sind, gibt es kein allgemeines Rezept, wie man alle Patienten abholen kann. Aus meiner Erfahrung ist aber ein Austausch innerhalb der Patientengruppen häufig ein entscheidender Moment, der bei dem einen oder anderen Patienten doch den Wunsch wachsen lässt, es noch mal mit einer adäquaten Therapie nochmal zu versuchen. Gute Informationen sind das A&O, von anderen Mitpatienten kommend, im Internet oder auch beim Hausarzt. Gut informierte Patienten leiden nicht nur weniger, sondern sie haben auch die beste Prognose, langfristig sogar auch ohne Medikamente gut zurechtzukommen.
Warum ist es so wichtig, sich seiner Erkrankung zu stellen?
Die Vorstellung vieler Patienten ist doch, dass die Medikamente häufig gefährlicher sind als die Erkrankung an sich. Zum Teil beruhen die Aussagen auf der eigenen Erfahrung, dass eine erste oder eine zweite Therapie nicht vertragen wurde. Die Frustration ist dann sehr hoch und das Gefühl, alle Medikamente seien mit Nebenwirkungen verbunden führt dazu, dass keine weiteren Therapieversuche gewünscht werden. Dieses ist durchaus auch als Mediziner nachvollziehbar. Unsere Aufgabe ist es dem Patienten zu erklären, dass es durchaus zu Nebenwirkungen kommen kann, es aber heutzutage so viele unterschiedliche Therapien gibt, dass es für jeden Patienten definitiv mindestens ein Medikament gibt, dass er verträgt und das eine adäquate Wirkung hat. Das Entscheidende ist die Kenntnis, dass wenn die Krankheit gut behandelt ist, diese auch die Möglichkeit hat einzuschlafen und keine weiteren Therapien notwendig sind. Lässt man die Krankheit laufen, führt sie nicht nur zu aktuellen Schmerzen, sondern auch zu langfristigen Schäden, die später auch mit der gleichen Therapie nicht mehr annähernd so gut zu behandeln sind, wie es heute noch möglich wäre.
Was passiert im Körper, wenn Erkrankte nicht therapieren werden?
Wir sprechen insbesondere Jahr über Erkrankungen mit chronischen Entzündungen. Unabhängig davon, wo diese chronische Entzündung abläuft, führt sie häufig zu einer Narbenbildung an dem Ort der Entzündung. Sei es der Darm, die Gelenksinnenhaut, das Auge oder an dem Nerven. Diese narbigen Veränderungen führen dann dazu, dass das Organ nicht mehr adäquat arbeiten kann, es kann sich nicht mehr so gut bewegen, es kann nicht mehr so gut die Nahrung aufnehmen, sehen oder fühlen. Unabhängig von der Tatsache, dass Entzündungen zum aktuellen Zeitpunkt nicht selten mit Schmerzen verbunden sind, führen sie also auch langfristig zu konkreten Schädigungen des Körpers. Des Weiteren wissen wir, dass eine chronische Entzündung dazu führt, dass die Blutgefäße auf der Innenseite der Wände klebrig werden und sich z.B. Cholesterin leicht ablagert. Dies erklärt auch, warum Patienten mit einer über mehrere Jahre bestehenden Entzündung häufiger Herzinfarkte und Schlaganfälle bekommen. Es ist also neben der Schädigung des eigentlichen Organs, bei dem die Entzündung sitzt, auch zusätzlich noch andere langfristige Schädigungen verursacht. Allein durch die Behandlung der Entzündung können wir es heutzutage schaffen, das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle unserer Patienten auf das normale Maß zurückzudrängen. Und wer möchte nicht gerne schmerzfrei sein und auch langfristig noch die Gelenke, den Darm, das Auge einwandfrei benutzen können.
Ist der Zeitpunkt wichtig, wann die Therapie bei eine Autoimmunerkrankung beginnt, oder sind die Erfolgsaussichten auch nach Jahren unerkannter Symptome genauso gut?
Wie bereits oben schon genannt, ist die Prognose der entzündlichen Erkrankung unter anderem davon abhängig, wann mit einer Therapie begonnen wird. Es ist gar nicht mal so wichtig mit welchem Medikament die Entzündung behandelt wird, viel wichtiger ist es, dass die Einleitung früher erfolgt und eine regelmäßige Kontrolle gewährleistet ist, sodass eine unzureichende Therapie weiter angepasst werden kann. Manchmal ist es nicht das erste oder zweite Medikament, dass die Entzündung ausreichend unterdrückt, manchmal ist es eben auch das dritte oder vierte. Dieses ist sowohl für die Patienten als auch für die Ärzte zum Teil ärgerlich und schwierig, deshalb aber das Ziel aus den Augen zu lassen, die Krankheit gut unter Kontrolle zu haben und Spätschäden zu verhindern, ist das Schlechteste, was man machen kann.
Was raten Sie speziell Rheumapatienten, die mit ihrem Hausarzt trotz kontinuierlicher Beschwerden nicht weiterkommen, aber keine Zeit bis zu einer Diagnose vergeuden möchten. Worauf sollten die Patienten besonders achten, wenn Sie einen Verdacht haben, dass ihre Symptome vielleicht auf eine rheumatische Erkrankung hindeuten?
Der Hausarzt ist im eigentlichen Sinne tatsächlich der erste Ansprechpartner für jeden Patienten. Der Hausarzt muss die Erkrankung nicht allein diagnostizieren und perfekt behandeln können, seine Aufgabe ist es aber als ein Wegweiser zu agieren und dem Patienten aufzuzeigen, wann er sich wo am besten vorstellen sollte. Hat man das Gefühl, der Hausarzt kann einem nicht erklären, warum man diese Beschwerden hat, und hilft einem auch nicht, eine weitere Abklärung voranzutreiben, da muss man sich ernsthaft fragen, ob es der richtige Hausarzt für einen ist. Ich halte nicht sehr viel davon, dass die Patienten sich eigenständig beim Facharzt vorstellen. Von den Patienten, die sich ohne Hausarzt beim Rheumatologen vorstellen, habe nur 25 % tatsächlich eine entzündlich rheumatische Erkrankung und 75 % eine andere Erklärung für ihre Beschwerden. Würden diese Patienten vom Hausarzt bereits vorab an die richtige Fachrichtung verwiesen werden, hätten wir viermal mehr Termine für neue rheumatologische Patienten als aktuell.
Haben Erkrankte, die hohe Dosen an Medikamenten einnehmen eine kürzere Lebenserwartung?
Ich fürchte, dass ist die Befürchtung von vielen Patienten, dass die Medikamente in normaler oder auch höherer Dosis zu einer kürzeren Lebenserwartung führen. Die Ärzte würden dann tatsächlich einen schlechten Job machen, wenn wir unsere Patienten zwar schmerzfrei therapieren könnten, aber alle früher sterben. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich die Therapeutika für die entzündlichen Erkrankung wesentlich verbessert. Dabei waren immer folgende Ziele im Fokus der Studienärzte: Verbesserung der Lebensqualität jetzt und gute Verträglichkeit langfristig. Somit wägt jeder Arzt ab, ob seine empfohlene Therapie tatsächlich besser oder schlechter als die Erkrankung an sich ist. Empfiehlt der Arzt eine Therapie, z.B. auch in höherer Dosis, dann hat er sich vorab selbst überlegt, ob das damit verbundene Risiko im Verhältnis zu dem Risiko der Erkrankung steht. Dies schließt natürlich nicht aus, dass es auch Nebenwirkungen geben kann, auch mal tödliche Nebenwirkungen. Diese sind in jedem Einzelfall absolut zu bedauern, ob es aber tatsächlich an der Therapie oder nicht doch auch an der unzureichenden Kontrolle der Erkrankung gelegen hat, ist in jedem Einzelfall herauszufinden. Zusammenfassend ist aber zu betonen, dass auch bei der Zulassung der Medikamente immer darauf geachtet wird, ob das kurz und langfristige Risiko der Therapie im Verhältnis zu dem aktuellen Therapieerfolg steht.
Rheumatische Erkrankungen
Interview Dr. Tatsis: Keine Angst bei Rheuma
Warum es genau Sie betrifft und nicht Ihren Nachbarn, weiß man nicht. Es wird davon ausgegangen, dass eine angeborene Neigung für eine Autoimmunerkrankung besteht und dann von außen ein Auslöser dazu kommt, um die Erkrankung in Gang zu setzen. So ein Auslöser kann eine Infektionserkrankung sein wie eine Grippe oder eine Lungenentzündung, es kann ein persönliches Ereignis sein, welches sehr belastend ist oder eine sehr stressreiche Lebensphase. Diese Auslöser sind nicht der Grund für die Erkrankung, können aber den ersten Krankheitszeichen vorausgehen. Sie selber oder ein anderer Mensch sind nicht schuld an der Erkrankung.
Für manche Patienten ist die Diagnose zunächst wie ein Schock, der verarbeitet werden muss. Man möchte es nicht wahrhaben und hadert mit seinem Schicksal. Hierbei sollten Sie sich Zeit nehmen, sich in die neue Situation einzugewöhnen. Bedenken Sie, dass die Erkrankung nicht nur nimmt, sondern auch gibt. Sie bietet Ihnen die Chance, Ihr Leben und Ihre Werte neu zu überdenken und zu ordnen. Sie können Ihre Ziele überprüfen und anpassen. Sie lernen achtsamer mit sich und Ihrem Umfeld umzugehen.
Muss es unbedingt eine medikamentöse Dauertherapie mit Spritzen oder Tabletten sein, die man regelmäßig einnimmt?
Da die rheumatischen Erkrankungen meistens nicht gleichbleibend aktiv sind, sondern wechseln zwischen Phasen der Krankheitsruhe und der Krankheitsaktivität (Schübe), wird versucht, die Therapie der Aktivitätsphase der Erkrankung anzupassen. Dies geschieht in Absprache mit dem Rheumatologen durch Anpassung der Dosierung, Änderung der Medikamente oder sogar -wenigstens zeitweise- Pausierung der Medikamente. Diese Anpassung nach unten erfolgen zumeist nicht schnell, sondern allmählich, also im Laufe von Wochen und Monaten. Im Falle eines Krankheitsschubes ist es erforderlich, rasch Kontakt mit dem Rheumatologen aufzunehmen, um zumindest kurzzeitig die Therapie zu intensivieren.
Rheuma geht fast immer mit Schmerzen einher. Meistens haben die Schmerzen ihre Ursache in einer Entzündung im Körper. Um einer akuten Entzündung entgegenzuwirken, die Schmerzen zu lindern und die entzündeten Gelenke zu schonen, werden Schmerzmittel eingesetzt – vor allem bei einem Schub kommen Rheumatiker nicht um Schmerzmedikamente herum. Für den dauerhaften Schutz der Gelenke und um die Krankheitsaktivität im Körper langfristig so gering wie möglich zu halten, gibt es mehrere Behandlungsformen, die sich nach den individuellen Symptomen richten und die häufig auch erfolgreich miteinander kombinierbar sind. Wie der Weg zum richtigen Therapieplan aussieht, wie lang er dauern kann und warum es für Rheumatiker wichtig ist, schon bei frühen Anzeichen einen Spezialisten aufzusuchen, erläutert uns heute die Hamburger Rheumatologin Dr. Tatsis.
Warum habe ich eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung bekommen?
Patient und Arzt legen gemeinsam Ziele fest, die mit der Therapie erreicht werden sollen. Völlige Krankheitsruhe ist das am häufigsten angestrebte Ziel und es gelingt oft dieses Ziel zu erreichen. Selbstverständlich sollte die Therapie nicht unangenehmer sein als die Erkrankung. Mittlerweile gibt es so viele Medikamente, dass es in den meisten Fällen gelingt, ein gut wirksames und verträgliches Medikament für jeden Patienten zu finden. Die Therapie soll Ihr Freund sein, sie soll Ihnen freundlich entgegenkommen und Sie begleiten auf Ihrem Weg.
Natürlich sind unterstützend eine gesunde Ernährung und viel Bewegung in Form von Ausdauersport und Krankengymnastik weitere wichtige Bausteine der Gesamttherapie. Eine medikamentöse Basistherapie ersetzen können diese Maßnahmen jedoch nicht. Sie wirken im Zusammenklang.
Wenn Sie auf eine medikamentöse Therapie komplett verzichten, obgleich diese angezeigt ist, läuft die Erkrankung frei weiter. Es besteht das hohe Risiko, dass Gelenke beschädigt und zerstört werden oder innere Organe dauerhaft geschädigt werden. Unter Umständen sind diese Schäden nicht mehr rückgängig zu machen, wenn Sie Ihre Meinung hinsichtlich der Therapie ändern. Man weiß auch, dass eine dauerhafte Entzündung das Risiko von Infektionen, Tumoren, Herz-Kreislauferkrankungen, Thrombosen und das Risiko früher zu sterben erhöht.
Insgesamt gesehen ist das Risiko einer medikamentösen Therapie weitaus geringer als das Risiko einer unbehandelten Erkrankung.
Was sind „Biologika“ und wann kommen Sie zum Einsatz?
Biologika sind Antikörpertherapie, die in lebenden Zellen „hergestellt“ werden. Das bedeutet, dass Zellen angeregt werden, diese Antikörper zu bilden. Seit dem Jahr 2000 werden solche Antikörper in der Therapie chronisch entzündlich rheumatischer Erkrankungen eingesetzt, wie bei vielen anderen Autoimmunerkrankungen auch. Die Antikörper müssen unter die Haut gespritzt oder auch als Tropfinfusion zugeführt werden. Für die meisten Patienten ist es praktisch diese Therapie selbsttätig unter die Haut zu spritzen mit „Pens“ oder Fertigspritzen. Der Spritzabstand schwankt zwischen einmal pro Woche und einmal alle 4 Wochen oder sogar alle 3 Monate, je nach Präparat. Das Spritzen ist sehr einfach und gut zu erlernen. Die medizinischen Fachassistenten in der Praxis üben die Injektion mit den Patienten. Die Antikörpertherapien sind sehr teuer, der Preis pro Jahr und Patient liegt zwischen ca. 6000 und 24000 Euro. In Deutschland sind wir in der glücklichen Lage, dass unsere Krankenversicherung für die hohen Kosten aufkommt. Für die Verordnung dieser hochpreisigen Therapien gibt es Regeln, die vom verordnenden Arzt eingehalten werden müssen. Dies gilt für alle, sowohl für Kassenpatienten wie für Privatpatienten.
Seit wenigen Jahren gibt es auch neue Medikamente, sogenannte „JAK-Hemmer“, die in ihrer Wirkung der Antikörpertherapie vergleichbar sind, aber als Tablette einmal täglich geschluckt werden. Der Preis für diese neue Medikamententherapie ist genauso hoch wie der für die Antikörpertherapie.
Bekomme ich Krebs von der Biologikatherapie?
Nein. Um dies zu klären, haben sehr viele Länder Europas und die USA im Jahr 2000 Register eingerichtet, in denen diese Therapien überwacht werden. Für die als erstes eingeführten Biologika, die TNF-alpha-Blocker wie Infliximab, Etanercept oder Adalimumab, überblickt man mittlerweile 20 Therapiejahre von mehreren zehntausend Patienten. In Deutschland führt das Deutsche Rheumaforschungszentrum Register wie das RABBIT-Register und beobachtet alle neueren Therapien. Dieses Register wird sehr sorgfältig geführt und die Daten werden regelmäßig veröffentlicht. Es nehmen seit 2001 bislang etwa 20000 Patienten allein in Deutschland teil an diesem Register. Auch für Kinder mit Rheuma werden solche Register geführt. Auch für Schwangere.
Die Ergebnisse dieser Beobachtungen in den Registern zeigen, dass eine unkontrolliert laufende chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung mit hoher Krankheitsaktivität das Risiko für Krebs, für Infektionen, für Herzinfarkte und Schlaganfälle, für Thrombosen deutlich erhöht. Auch die Gefahr zu sterben ist erhöht. Alle diese Risiken werden gesenkt durch eine effektive entzündungshemmende Therapie. Dies wurde in vielen Studien mehrfach nachgewiesen. Das allgemeine Krebsrisiko durch Therapie mit Biologika ist nicht erhöht. Eine kleine Ausnahme für den nicht streuenden weißen Hautkrebs wie das Basaliom muss gemacht werden. Die Patienten sollten sich sicherheitshalber einmal im Jahr dem Hautarzt vorstellen, um im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung die Haut absuchen zu lassen. Ein erhöhtes Risiko für den gefürchteten schwarzen Hautkrebs, das maligne Melanom, besteht nicht.
Es konnte auch gezeigt werden, dass bei Patienten, die in ihrer Vorgeschichte eine Krebserkrankung haben, diese nicht wieder aktiv wird, wenn eine Biologikatherapie begonnen wird.
Ja, das ist nötig, weil es sich um eine chronische Erkrankung handelt, die über Jahre läuft. Eine Dauererkrankung erfordert eine Dauertherapie. Leider ist es nicht möglich Autoimmunerkrankungen zu heilen. Man kann aber die Krankheitsaktivität sehr gut unterdrücken durch die medikamentöse Therapie. So ist es für die meisten Patienten möglich, ein Leben zu führen, bei dem sie von der Erkrankung nichts spüren. Für viele Medikamente ist auch nachgewiesen, dass sie ein Voranschreiten der Erkrankung verhindern können. Um dies zu erzielen, ist es erforderlich, dauerhaft die sogenannte „Basistherapie“ einzunehmen.
Multiple Sklerose (MS)
Interview Dr. Knop: Multiple Sklerose
Ich freue mich riesig, Herrn Dr. Knop als neuen Partner unseres Netzwerkes begrüßen zu dürfen.
Herr Dr. Knop ist Neurologe in der Hamburger Praxis „Neurologie am Neuen Wall“, eine der wohl schönsten Praxen der Stadt mit einem tollen Blick über unsere hanseatische Innenstadt.
In Hamburg studiert, hat er über ein paar Schlenker von Bad Pyrmont über die Schweiz und England den Weg wieder in unsere schöne Stadt zurückgefunden.
Seine Fachgebiet umfasst die Neuroimmunologie, Multiple Sklerose, Immunneuropathien, Myasthenia gravis und Myositis.
Nicht unerwähnt sollten ich lassen, dass unter seiner Leitung das Muskellabor, in der Fachsprache Neuromuskuläres Zentrum, im AK St. Georg aufgebaut wurde.
Herr Dr. Knop, schön, dass Sie NIK e.V. mit Antworten zur Seite stehen. Lassen Sie uns direkt mit der ersten Frage einsteigen: Gibt es das typische Anzeichen für eine MS?
Typische MS Symptome sind sensible Störungen, Koordinationsstörungen, Gangstörungen oder eine auch eine einseitige Sehstörung. Letztlich sind diese Beschwerden aber nicht spezifisch für eine MS und können bei einer Vielzahl von neurologischen und nicht neurologischen Erkrankungen auftreten. Viele MS Patienten klagen darüber hinaus über rasche Erschöpfbarkeit und Blasenentleerungsstörungen. Charakteristisch ist auch, dass sich Symptome nicht so plötzlich wie bei einem Schlaganfall, sondern meist über ein bis sieben Tage zunehmend entwickeln und teils auch von alleine wieder abklingen können. Nach Diagnosestellung lassen sich so teilweise erste Symptome schon lange zurück liegend erfragen.
Hat der Hausarzt Möglichkeiten zur Diagnose?
Bei Verdacht auf eine MS Diagnose kann vom Hausarzt, so wie von jedem Facharzt ein MRT veranlasst werden. Damit allein kann die Diagnose zwar nicht bestätigt werden, aber eine wichtige und frühe Weichenstellung erfolgen – und vor allem findet eine Abgrenzung von anderen Hirnerkrankungen, zum Beispiel Schlaganfall statt.
Warum ist es so wichtig, schnellstmöglich zu einem Neurologen zu gehen? Und auch zu therapieren?
Der Neurologe ist der Facharzt, der die MS Diagnose in der Regel absichert und bestätigt und er entscheidet zusammen mit dem Patienten ob, ab wann und wie eine verlaufsmodifizierende Immuntherapie erfolgen soll oder muss. Ferner kann es notwendig sein, eine schnelle Schubtherapie, meist mit hochdosiertem Methylprednisolon intravenös einzuleiten. Vor allem passiert das bei sehr ausgeprägten Schüben, beispielsweise bei einer schweren Sehnervenentzündung (Opticusneuritis) mit Blindheit oder einer Halbseitenlähmung oder auch Querschnitts-Rückenmarksentzündung (transverse Myelitis).
Was passiert, wenn ich meine Schübe ignoriere?
Ein Großteil der Schübe bildet sich von allein nach einiger Zeit wieder zurück, teilweise komplett, teilweise auch nur unvollständig. Wir wissen heute, dass der Langzeitverlauf der MS durch die Schubtherapie mit Kortison nicht beeinflusst wird. Allerdings können sich Schübe schneller zurückbilden und es steigt die Chance einen Schub ohne oder mit nur geringen Beschwerden zu überstehen
Hatten Sie schon Covid 19 MS Patienten? Wenn ja, was können Sie uns zum Verlauf sagen?
Ja, zwei jüngere Patientinnen, die die Infektion glücklicherweise ohne gravierende Symptome oder Nachwirkungen überstanden haben. Insgesamt stellt die MS an sich bei jüngeren Betroffenen ohne andere Begleiterkrankungen kein erhöhtes Risiko dar für einen schwereren COVID19 Verlauf. Die Situation kann sich aber ändern, bei bestimmten (aber nicht allen) Immuntherapien, bei langem MS Verlauf mit stärkerer körperlicher Beeinträchtigung, fortgeschrittenem Lebensalter und Begleiterkrankungen, so wie Übergewicht, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauferkrankungen.
Gibt es etwas, um die MS positiv zu beeinflussen?
Es gibt einen wissenschaftlichen Konsens, die MS heute früh immuntherapeutisch zu behandeln, häufig schon mit dem ersten Ereignis. Das Ansprechen auf diese Therapien bei kurzem Verlauf und jungem Diagnosealter ist sehr viel besser, als wenn erst in höherem Lebensalter und längerem Krankheitsverlauf behandelt wird. Die meisten MS Patienten haben eine entzündlich-dominierte, schubförmige Verlaufsform, deren Beeinflussung auch auf die nächsten 10-20 Jahre nach Diagnosestellung maßgeblich durch diese frühe Therapie erfolgt.
Neben einer spezifischen MS Therapie sind auch Lebensstil modifizierende Faktoren wichtig. Erwiesen ist der positive Effekt auf neurologische Erkrankungen im Allgemeinen durch regelmäßige Bewegung und Sport, erholsamen – und regenerierenden Schlaf, eine ausgewogene, abwechslungsreiche und nicht so zuckerlastige Ernährung, sowie Nikotinkarenz.
Wir suchen alle nach dem einen Satz. Haben Sie ein Rezept um Ihren Patienten Mut zu machen?
MS ist die häufigste neurologische Autoimmunerkrankung, es gibt ca. 240.000 Betroffene in Deutschland und Sie sind nicht allein!
Das Wissen um die Erkrankung und deren Therapie ist in den letzten 20 Jahren dramatisch gewachsen und wir können einem Großteil der Betroffenen inzwischen ermöglichen, trotz MS ein vielfach normales, in jedem Fall erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu führen.
LupusRheumatische ErkrankungenSystemischer Lupus erythematodes
Lupus erythematodes: Experteninterview mit Dr. Peer M. Aries
Laut Angaben der Berliner Charité leiden in Deutschland rund 20.000 Menschen an der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes oder auch „Schmetterlingsflechte“ genannt. Die Ausprägung der Krankheit reicht dabei von Gesichtsrötungen bis zu Gelenkschmerzen und hat eine Vielfalt an Symptomen. Dr. Peer M. Aries von der Rheumatologie im Struenseehaus in Hamburg erzählt uns, welche Therapieformen und Behandlungsmöglichkeiten es gibt, was Betroffene selbst tun können und was man bei Kinderwunsch beachten sollte.
Was ist Lupus erythematodes (LE)?
Der Lupus erythematodes gehört zu den Formen des Weichteilrheuma, auch genannt Kollagenosen. Es ist eine Autoimmunerkrankung, die insbesondere die Haut und Schleimhäute betreffen kann. Bei der systemischen Verlaufsform kann es auch zu entzündlichen Veränderungen der Gelenke bzw. der inneren Organe (Herz, Lunge und Niere) kommen. Für die Patienten ist es wichtig zu wissen, dass nicht jeder Patient mit einem Lupus einen schweren Verlauf mit Beteiligung aller Organe haben wird. Die meisten Patienten haben eine mildere Verlaufsform.
Was ist die Ursache von LE und wie entsteht er?
Einen einzelnen Auslöser für den Lupus erythematodes gibt es – wie für viele andere Autoimmunerkrankung – tatsächlich nicht. Wir wissen heute, dass offensichtlich einige Gene zu dieser Erkrankung prädisponieren, das heißt die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Patient diese Erkrankung bekommt. Diese Gene sind jedoch nicht allein entscheidend. Es gibt viele Menschen mit solchen Genen, die keine Autoimmunerkrankung bekommen. Es müssen also noch andere Faktoren hinzu kommen, wie z.B. Umweltfaktoren oder auch Infektionen. Auch dabei spielt es eine wichtige Rolle das nicht der einzelne Umweltfaktoren oder die einzelne Infektion letztendlich für die Autoimmunerkrankung entscheidend ist, es scheint in der Hinsicht aber eine Rolle zu spielen, dass es das Immunsystem durcheinanderbringt und zu einer autoaggressiven handelsweise verleitet.
Welche Formen des LE gibt es?
Wir unterscheiden grob zwischen dem auf die Haut begrenzten Lupus erythematodes und der systemischen Verlaufsform, bei dem auch außerhalb der Haut entzündliche Veränderungen auftreten können.
Welche Therapieformen und Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Bei der Therapie hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel getan. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass wir eine Vielzahl von Medikamenten inzwischen zur Verfügung stehen haben, sondern auch das Konzept, wann man welche Therapie einsetzt ist heutzutage von entscheidender Bedeutung. Wir richten uns dabei nach dem Verlauf der Erkrankung. Es gibt nicht eine Therapie, die allen Patienten grundsätzlich zu empfehlen ist.
Wir unterscheiden zwischen einer milden und schweren Verlaufsform und versuchen auch die individuellen Unterschiede der Patienten dabei zu berücksichtigen. Dazu gehört natürlich auch, wie es z.B. mit einem Schwangerschaftswunsch aussieht oder welche Vortherapien die Patientin bereits gehabt hat. Tatsächlich empfehlen wir sehr vielen Patienten die Einnahme von Quensyl, da gerade bei der systemischen Verlaufsform bekannt ist, dass wir mit dieser Therapie Schübe bzw. einen schweren Verlauf vermeiden können. In Anbetracht der Tatsache, dass das Risiko von Nebenwirkungen relativ gering ist, sind wir sehr großzügig mit der Empfehlung der Therapie insbesondere auch bei Patientinnen, die in näherer Zeit schwanger werden wollen.
Was können Betroffene selbst tun?
Die Frage ist natürlich besonders häufig, da viele Patienten nicht alleine abhängig sein wollen von den Medikamenten. Grob gesagt, und sicherlich nicht erstaunlich, ist eine gesunde Lebensweise für solche Autoimmunerkrankung zuträglich. Eine ausgewogene Ernährung oder auch Vermeidung von viel Stress ist von Vorteil. Zweites ist nicht immer in der Entscheidung der Patienten, und wir wollen unserer Patienten auch nicht in einen Glaskasten sperren. Letztendlich soll unsere Therapie den Patienten ermöglichen, ein ganz normales Leben zu führen. Dazu gehört eben auch mal Stress.
Auf der anderen Seite sollten die Patienten sich freizeitliche Aktivitäten suchen, die z.B. zum Stressabbau führen können. Der Schlagwort ist heutzutage Achtsamkeit, dieses kann z.B. beinhalten mehr Sport und Bewegung zu machen, oder auch sonstige Entspannungstechniken zu lernen. Bezüglich der Ernährung ist es mir wichtig, dass die wissenschaftliche Grundlage für solche Empfehlungen tatsächlich sehr begrenzt ist. Dennoch kann man all unseren Patienten empfehlen, dass die Berücksichtigung einer mediterrane Kost sicherlich von Vorteil ist. Dieses beinhaltet möglichst wenig Fleisch und Alkohol und viel Omega 3 Fettsäuren, z.B. in entsprechenden Ölen wie Walnussöl oder Leinsamenöl oder auch in Form von Fischen. Die Einnahme von Omega 3 Fettsäurenkapseln ist sicherlich auch möglich, wird aber von den meisten Rheumatologen gegenüber der grundsätzlichen Ernährungsumstellung nicht bevorzugt.
Müssen Lupus Patienten bei bestehenden Kinderwunsch etwas beachten und kann die Therapie während der Schwangerschaft weiter geführt werden?
Es ist zu empfehlen, dass das Thema mit dem Rheumatologen im Vorwege besprochen wird. Dieses ist sicherlich nicht besonders Romantisch, kann aber für eine erfolgreiche Schwangerschaft von besonderer Bedeutung sein. In diesem Gespräch geht es darum, wann ein guter Zeitpunkt für eine Schwangerschaft ist. Wir wissen z.B. das Patienten mindestens 3-6 Monate vor der Empfängnisschutz einen kontrollierten Krankheitszustand (sogenannte Remission) haben sollten, weil damit das Risiko für eine zunehmende Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft vermieden werden kann.
Außerdem muss geschaut werden, welche Medikamente die Patienten zu dem Zeitpunkt des Kinderwunsches einnehmen. Einige Medikamente verbieten sich bei einem Schwangerschaftswunsch, andere Medikamente werden explizit empfohlen. Zudem sollten noch individuelle Risikofaktoren für eine Schwangerschaft untersucht werden, dabei sind z.B. Antikörper zu berücksichtigen, die z.B. für das Kind und die Entwicklung einer Hautveränderung von Bedeutung sein könnten, oder auch Antikörper, die etwas mit der Blutgerinnung zu tun haben.
Dr. Peer M. Aries ist Facharzt für Innere Medizin / Rheumatologie und betreibt in Hamburg eine Gemeinschaftspraxis für Rheumatologie und klinische Immunologie. Wesentlicher Bestandteil ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Abteilungen für Lungen, Nieren und Bluterkrankungen sowie der Radiologie. Schwerpunkte sind Innere Medizin, Rheumatologie, Klinische Immunologie sowie Rheuma und Schwangerschaft.
CED
Colitis ulcerosa – welche Therapie passt zu mir?
Für jeden Topf den passenden Deckel, für jeden Menschen mit Colitis ulcerosa (CU) die passende Therapie – du hast deine noch nicht gefunden? Gib die Suche nicht auf, denn die Medizin macht große Fortschritte. Was heutzutage möglich ist, wird aktuell auf einem Kongress in Leipzig diskutiert.
Auf der „Viszeralmedizin 2024“ – dem größten deutschen Kongress im Bereich Gastroenterologie – kommen alle zusammen, die daran arbeiten, die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht in der Diagnostik und Therapie. Ein wichtiger Ansatz ist die personalisierte Medizin, also die Suche nach der Therapie, die für jede einzelne Person genau die richtige ist.
Hoher Bedarf an passenden Therapien
Wie eine Umfrage zeigt, ist die Lage ernst: Fast die Hälfte der Menschen mit einer mittelschweren oder schweren CU sind unzufrieden mit ihrer aktuellen Therapie.[1] Und nach aktuellem Wissensstand ist CU nicht heilbar.[2] ABER: Die Behandlungsmöglichkeiten sind heutzutage so fortgeschritten, dass auch internationale Expertengruppen eine Normalisierung der Lebensqualität als anzustrebendes Ziel erklären. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Krankheitskontrolle, die auch die Symptomkontrolle einschließt.[3]
Zum Beispiel ist das Symptom Bowel Urgency (imperativer Stuhldrang) für Betroffene besonders belastend. Das plötzliche Bedürfnis, eine Toilette zu erreichen, kann sogar vorhanden sein, wenn du dich klinisch gesehen in Remission befindest.[4] Und trotzdem wird Bowel Urgency im Arztgespräch oft nicht angesprochen – häufig aus Scham.[5] Tipps für das Arztgespräch kannst du hier nachlesen.
Kortikosteroide: Risiken und Nutzen abwägen
Ein großer Fortschritt in der CU-Therapie ist der Einsatz von Biologika und sogenannten small molecules (auch: Januskinase(JAK)-Inhibitoren). Diese werden aber meistens erst im späteren Therapieverlauf eingesetzt. Zu Beginn der Behandlung und auch während eines akuten Schubs, verordnen Ärztinnen und Ärzte Kortikosteroide.
Doch Vorsicht: von einer Langzeittherapie mit Kortison raten Expertinnen und Experten wegen der vielen Nebenwirkungen ab.
„Meiner Einschätzung nach werden Kortikosteroide bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen im Langzeitverlauf leider immer noch zu intensiv und zu langfristig genutzt. Sämtliche Leitlinien nationaler und internationaler Fachgesellschaften sagen, dass systemische Steroide keine Rolle in der Langzeittherapie der Patientinnen und Patienten mit Colitis ulcerosa spielen sollten. Während oft zunächst nur an sichtbare Nebenwirkungen gedacht wird, wie Akne oder Flüssigkeitseinlagerungen, werden die teilweise völlig irreversiblen sehr oft vergessen. Eine Osteoporose mit Wirbelkörperfrakturen oder die Entwicklung eines Grauen oder Grünen Stars können Betroffene auch langfristig beeinträchtigen.[6]“
Wichtig: Nimm Kortison immer nur auf ärztliche Anweisung ein! Solltest du Bedenken wegen einer zu langen Nutzung haben, sprich mit deiner Ärztin oder deinem Arzt.
Offene Herausforderungen
Trotz vielversprechender Fortschritte bleibt die Behandlung der CU eine Herausforderung. Es ist oft nicht vorhersehbar, welche Therapie individuell am besten wirkt. Für Patientinnen und Patienten, die auf herkömmliche Behandlungen nicht ansprechen, sind innovative Ansätze besonders wichtig, vor allem wenn Symptome wie Bowel Urgency trotz einer Therapie den Alltag weiter belasten.
Fazit
Der Viszeralmedizin-Kongress bietet eine ideale Plattform, um diese Themen zu diskutieren und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Es bleibt spannend, denn die Zukunft hält vielversprechende Entwicklungen bereit, die das Leben mit der Erkrankung weiter verbessern könnten.
Nach dem Kongress könnt ihr euch ein kurzes Update auf dem Instagram-Account des NIK e.V. anschauen.
[1] Danese S et al. Dig Dis 2019; 37: 266-283
[2] Mavroudis G et al. Ther Adv Gastroenterol 2022; 15: 1-15
[3] Turner D et al. Gastroenterol 2021; 160: 1570-1583
[4] Fawson S et al. Dig Dis 2022; 67: 2813-2826
[5] Rubin DT et al. [ePoster] DDW; San Diego/Virtual 2022: Sa1627
[6] Khan HM et al. Clin Exp Gastroenterol 2015; 8: 293-302
Mit freundlicher Unterstützung von:
Lilly Deutschland GmbH
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