Neurodermitis

Die Neurodermitis – auch atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem genannt – ist eine häufige Erkrankung der Haut: Circa 13% der Kinder leiden zumindest zeitweise unter atopischen Ekzemen, bei den Erwachsenen sind circa 2% – 3% der Bevölkerung betroffen.

Was ist Neurodermitis?

Die Erkrankung ist eine chronisch oder chronisch-rezidivierend verlaufene Hauterkrankung. Typische Merkmale der Neurodermitis sind eine trockene Haut mit Ausbildung von Ekzemen (entzündete, rötlich-schuppende z.T. nässende Areale) und ein oftmals quälender Juckreiz. Die Ekzemherde, die klassischerweise erst nach dem 3. Lebensmonat auftreten, sind im frühen Kindesalter vor allem im Bereich des Gesichtes und an den Streckseiten von Armen und Beinen lokalisiert.

Mit zunehmendem Altern wandern die Ekzemherde eher in die großen Gelenkbeugen. Prinzipiell – vor allem im Schub – können sich jedoch in allen Körperregionen Ekzeme ausbilden. Säuglinge und Kleinkinder sind am häufigsten betroffen, jedoch kommt es im Schulalter bzw. in der Pubertät bei vielen Kindern zu einer deutlichen Besserung der Erkrankung bis hin zum Abklingen aller Symptome.

Die Neurodermitis ist eine nicht-ansteckende Hauterkrankung. Eine häufige Komplikation der Erkrankung stellt jedoch eine Superinfektion der Ekzemherde dar, d.h. eine übermäßige Besiedelung der Haut mit Keimen wie Bakterien, Viren oder Pilzen. Bedingt wird diese höhere Anfälligkeit für eine Keimbesiedlung durch eine Art Abwehrschwäche der Haut im Bereich der Ekzemherde. Daraus lässt sich jedoch keine erhöhte allgemeine Abwehr-/Immunschwäche ableiten. So leidet ein Neurodermitiker im Vergleich zu hautgesunden Menschen nicht häufiger an allgemeinen Infekten wie Erkältungen.

Die Neurodermitis zeigt in der Mehrzahl der Fälle einen milden Verlauf. Bei einigen Patienten kommt es jedoch zu einer starken Ausdehnung der Ekzemherde oder einem Befall sensibler Körperareale, die in Kombination mit dem begleitenden Juckreiz die Lebensqualität stark beeinträchtigen können.

Die Ursachen der Neurodermitis sind komplex. Eine Rolle spielen sowohl eine genetische vererbte Bereitschaft zur Ausbildung einer Neurodermitis sowie diverse Auslösefaktoren. Untersuchungen konnten zeigen, dass das Risiko für ein Kind bis zum 12. Lebensjahr eine Neurodermitis zu entwickeln 60% – 80% beträgt, wenn beide Eltern an der Hauterkrankung leiden. Dabei scheinen verschiedene Gene auf mehreren Chromosomen für die Veranlagung zur Entwicklung einer Neurodermitis verantwortlich zu sein.

Unter anderem vermutlich ausgelöst durch eine Veränderung der Strukturproteine in den oberen Hautschichten und eine veränderte Zusammensetzung der Hautfette leiden Neurodermitis-Patienten unter einer gestörten Barrierefunktion der Haut. Dies führt zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen und einem gestörten Wasserhaushalt der Haut.
Das bekannteste Strukturprotein der Haut nennt sich Filaggrin. Veränderungen im Filaggrin-Gen führen zu einem erhöhten Risiko, an einer Neurodermitis zu erkranken.
Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung nehmen aber auch Umwelteinflüsse wie z.B. Allergene, Ernährung, Infektionen, Tabakrauch, Klima sowie emotionale Belastungen und Stress.

Bei etwa der Hälfte der Neurodermitis-Patienten können (IgE-vermittelte) Allergien gegen Inhalationsallergene und/oder Nahrungsmittelallergene nachgewiesen werden. Durch Kontakt mit diesen Allergenen kann die Ekzemreaktion an der Haut hervorgerufen bzw. verstärkt werden. Zusätzlich leiden diese Patienten aber häufig auch an anderen Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis (zudem auch die Neurodermitis gehört) wie Heuschnupfen oder Asthma.

Therapie

Die Neurodermitis steht derzeit im Fokus der Medikamentenforschung. Zu den bereits bekannten Behandlungsmöglichkeiten sind deshalb in jüngster Zeit bereits neue Optionen hinzugekommen und viele weitere in der Erprobung. Auf diese wird im unteren Teil dieses Abschnittes weiter eingegangen.

Meiden von Provokationsfaktoren

Bekannte Provokationsfaktoren sollten gemieden werden. Bei einem Pollenallergiker empfiehlt es sich daher zum Beispiel, Aktivitäten im Freien zu Spitzenzeiten des Pollenfluges zu meiden. Abendliches Duschen nach Aufenthalt im Freien hilft die Pollenlast zu reduzieren.

Für Hausstauballergiker empfiehlt sich regelmäßiges Staubsaugen und ein Encasing (milbendichter Bezug) für Matratze und Bettzeug. Alternativ kann das Bettzeug regelmäßig bei 60 Grad gewaschen werden.

Einige Neurodermitiker (bei Kindern sind es ca. ein Drittel der Patienten) leiden zusätzlich an einer Nahrungsmittelallergie. Bei sicherer Identifizierung des Nahrungsmittels kann eine Diät sinnvoll sein. Jedoch sollte die Notwendigkeit der Diät alle zwei bis drei Jahre ärztlich überprüft werden, denn grade im Kindesalter können sich die Allergien auch wieder verlieren. Bei nicht nachgewiesener Nahrungsmittelallergie ist eine Diät nicht sinnvoll und kann eher zu einem Stressfaktor werden.

Bei anstehender Berufswahl kann eine qualifizierte Beratung helfen, ungeeignete Arbeitsplätze, die zum Beispiel ein Umgang mit reizenden Stoffen oder häufiges Händewaschen notwendig machen, zu meiden.

Basistherapie

Um dem Barrieredefekt der Haut entgegen zu wirken, und damit die Neuentstehung von Ekzemherden zu verhindern oder bestehende Krankheitssymptome zu lindern, ist eine konsequente Basispflege der Haut sehr wichtig. Die gesamte Haut sollte täglich mit wirkstofffreien Präparaten eingecremt werden.

Die Grundlage der Cremes oder Salben sollte dabei dem aktuellen Hautzustand angepasst sein. Für sehr trockene Areale empfehlen sich fettere, bei nässenden Ekzemen wässrigere Grundlagen.

Durch Zugabe der Feuchthaltefaktoren Urea und Glycerin kann die Wasserbindungsfähigkeit in den oberen Hautschichten erhöht werden. Vor allem bei kleineren Kindern kann Urea ein Brennen der Haut verursachen und wird deshalb bei Säuglingen gar nicht, bei Kleinkindern nur nach vorheriger Prüfung der Verträglichkeit empfohlen.

Die Verwendung von Ölbädern kann helfen, ein Austrocknen der Haut nach dem Baden zu verhindern.

Topische Glukokortikoide („Kortisoncremes“)

Topische Glukokortikoide werden seit Jahren in der Behandlung der Neurodermitis eingesetzt. Kontinuierliche Weiterentwicklung hat zur Zulassung von modernen Präparaten mit guter Wirksamkeit bei geringem Nebenwirkungsrisiko geführt.

Eingeteilt werden die Kortisonpräparate in 4 Klassen, wobei die Klasse 1 schwach, die Klasse 4 stark wirksam ist. Die Anwendung erfordert gute Kenntnisse der unterschiedlichen Wirkung und Nebenwirkungen der verschiedenen Kortisonklassen und -präparate auf die unterschiedlichen Regionen des Körpers. So reagieren zum Beispiel Gesicht, Achselhöhlen und Genitalbereich viel empfindlicher auf eine Behandlung als andere Körperregionen, was bei der Auswahl des Präparats und der Anwendungsdauer berücksichtigt werden sollte.

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) hat einen therapeutischen Index für die in Deutschland am häufigsten angewendeten topischen Glukokortikoide erarbeitet. Dieser Index beschreibt das Verhältnis von Wirkung zu Nebenwirkung der geprüften Präparate. In Klasse 2 und 3 stehen Präparate mit günstigem Verhältnis von Wirkung zu Nebenwirkung zur Verfügung, die sich auch für den längerfristigen Einsatz eignen. Calineurin-Inhibitoren stellen mittlerweile eine gute Alternative zu Kortisonpräparaten dar. Sie wirken antientzündlich ohne die Nebenwirkungen von Kortison.

Lichttherapie

In akuten Krankheitsphasen kann – unter Berücksichtigung der Langzeitwirkung – bei erwachsenen Patienten auch eine Lichttherapie hilfreich sein. Zur Verfügung stehen verschiedene Strahlenspektren wie UVA-1, Schmalband UVB 311nm oder PUVA (UVA plus Psoralen).

Biologika und JAK-Inhibitoren

Hier handelt es sich um biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, in der Regel Antikörper aus lebenden Zellkulturen, die gespritzt oder als Infusion verabreicht werden. Diese Medikamente sind gegen entzündungsfördernde Botenstoffe des Immunsystems gerichtet, fangen diese ab und reduzieren dadurch den Krankheitsprozess sowie die Entzündungsreaktionen. Biosimilars sind Nachahmerprodukte der Biologika, die kostengünstiger sind und zu dem Originalpräparat zwar ähnlich aber nicht identisch sind.
JAK-Inhibitoren arbeiten ebenfalls nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, indem sie gezielt bestimmte entzündliche Stoffwechselprozesse der Zelle hemmen.