Die Geschichte von Franziska

Mehr erfahren

Wie hast du deine ersten Multiple Sklerose-Symptome erlebt, und wie verlief die MS-Diagnosephase? Gab es rückblickend Symptome, die heute anders zu deuten gewesen wären?

Zwischen dem ersten Symptom, das ich bewusst wahrgenommen habe und der Diagnosestellung lagen etwa sechs Monate. Das lag vor allem daran, dass meine Symptome relativ mild waren und verschiedene Ursachen haben konnten.

Das erste Anzeichen war ein Taubheitsgefühl im kleinen Finger. Das hielt einige Wochen an. Kurz darauf hatte ich Schmerzen in der rechten Schulter, weshalb ich dachte, ich hätte mir vielleicht etwas eingeklemmt. Einige Wochen später begann meine rechte Gesichtshälfte zu kribbeln – schließlich wurde auch meine Lippe taub. Das war der Punkt, an dem ich zur Hausärztin ging. Sie verwies mich dann direkt zur Neurologin, und ab da verlief die Diagnosestellung relativ zügig.

Rückblickend denke ich, dass ich meine Symptome anfangs nicht richtig ernst genommen habe. Gerade weil sie so unspezifisch und mild waren, dachte ich oft, ich würde mir das nur einbilden oder hätte mir eben etwas verrenkt. Dieses Zögern war sicherlich ein Hindernis auf dem Weg zur Diagnose.

Was ging dir durch den Kopf, als du die Diagnose erfahren hast? 

Die Diagnose war ein großer Schock! Ich wusste nicht, was ich mit den Worten anfangen sollte, und ich hatte viele Fragen im Kopf: Was bedeutet das für mich, meine Familie, unsere Zukunft? Die Diagnose kam wenige Wochen vor unserer Hochzeit und mitten in der Planung unseres Hauses. Ich fragte mich, ob wir das Haus komplett barrierefrei umplanen sollten, ob ich weiter arbeiten kann, wie ich mit der Erkrankung umgehen und ob ich offen über die MS sprechen möchte.

Was hättest du dir in der Zeit direkt nach der Diagnose gewünscht, weil es dir gefehlt hat?

Im Moment der Diagnose habe ich den Austausch mit anderen MS-Betroffenen sehr vermisst. In meinem Bekanntenkreis gab es niemanden mit MS, den ich hätte anrufen können, um einfach mal zuzuhören, Fragen zu stellen oder mich verstanden zu fühlen. Dieses Gefühl von „Ich bin damit allein“ war sehr präsent.

Welche Reaktionen hast du von Ärzt*innen und deinem Umfeld erlebt, in der Zeit der Diagnosefindung?

Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Im ärztlichen Bereich habe ich sowohl gute als auch weniger gute Erfahrungen gemacht. Mein erstes Diagnosengespräch fand zum Beispiel sehr unpersönlich mit dem Radiologen statt – zwischen Tür und Angel im leeren Wartezimmer. Das war für mich kein angenehmer Moment. Zum Glück habe ich danach auch emphatische Ärzt*innen kennengelernt.

In meinem persönlichen Umfeld habe ich glücklicherweise durchweg positive Erfahrungen gemacht: Meine Familie stand von Anfang an hinter mir, ebenso meine Freund*innen. Auch mein Arbeitgeber war sehr verständnisvoll und unterstützend, als ich ihm ein paar Wochen nach der Diagnose davon erzählt habe.

Hat sich dein soziales Umfeld seit deiner MS-Diagnose verändert?

Nein, zum Glück nicht.

Wie hat sich deine MS im Laufe der Jahre verändert? Und an welchem Punkt stehst du gerade? Wie blickst du in die Zukunft?

Meine MS ist bisher – toi, toi, toi – weitestgehend stabil. Ich vertrage meine Therapien und habe in den letzten Jahren bewusst beobachtet, was mir und meinem Körper guttut. Ich habe gelernt, meine Grenzen besser einzuschätzen, und das hilft mir sehr im Umgang mit Symptomen. Ich blicke positiv in die Zukunft. 

Was hat dich in der Zeit seit deiner Diagnose besonders viel Überwindung und Kraft im Leben gekostet?

Am meisten Kraft hat es mich gekostet, nicht in Gedankenspiralen abzurutschen – darüber, was alles passieren könnte, wann der nächste Schub kommt oder welche Symptome noch auftreten könnten. Stattdessen versuche ich, mich bewusst auf das Hier und Jetzt zu fokussieren.

Nimmst du aktuell Medikamente? Welche Therapien oder Medikamente hast du bereits ausprobiert – was hat geholfen, was weniger? 

Nach gründlicher Überlegung und dem Einholen mehrerer medizinischer Meinungen habe ich mich nach der Diagnose für eine Basistherapie entschieden. Diese nehme ich seitdem durchgehend – und komme damit zum Glück sehr gut zurecht.

Hast du bereits Erfahrungen mit alternativen oder ergänzenden Behandlungsmethoden gemacht?

Ja, mein Neurologe verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und bietet auch alternative Therapien an, was ich sehr schätze. Ergänzend zur medikamentösen Behandlung mache ich bei ihm zum Beispiel regelmäßig Akupunktur zur Stabilisierung. Er legt außerdem großen Wert darauf, entzündungsfördernde Faktoren im Körper zu minimieren.

In diesem Zusammenhang habe ich mich unter anderem auf Unverträglichkeiten und Nährstoffmangel testen lassen, meine Kiefergesundheit überprüfen lassen und mit seiner Unterstützung persönliche Stressquellen identifiziert. Ich finde es sehr spannend, wie stark viele Prozesse im Körper miteinander verknüpft sind – deshalb bin ich auch froh, bei einem Neurologen in Behandlung zu sein, der diesen ganzheitlichen Blick mitbringt.

Du engagierst dich schon lange bei aMStart, einer digitalen Plattform für MS Patient*innen und Angehörige. Wie ist es dazu gekommen?

Jasmin von aMStart habe ich nach meiner Diagnose kennengelernt und war von Anfang an begeistert von der Idee, die sie als Gründerin von aMStart in die Tat umgesetzt hat. Genau so eine Plattform hätte ich mir bei meiner Diagnose gewünscht: einen Ort für Austausch, Verständnis und Orientierung. Deswegen engagiere ich mich für aMStart: zunächst als Gesprächspartnerin für andere Betroffene, seit längerem auch in strategischen Themen. Es bedeutet mir viel, Teil dieser besonderen und unterstützenden MS-Community zu sein und gemeinsam etwas zu bewirken!

Wie siehts mit deiner Seele aus, wenn du Schübe hast? Wie schaffst du sie im Gleichgewicht zu halten, wenn gefühlt gar nichts mehr läuft?

Ich bin sehr dankbar, dass ich seit meiner Diagnose keinen Schub mehr hatte. Trotzdem gibt es Tage, an denen bestehende Symptome stärker sind oder ich mich einfach schlapp und traurig fühle. An solchen Tagen versuche ich, die Situation und meine Gefühle anzunehmen, mir Ruhe zu gönnen und mich nicht dafür zu verurteilen, wenn ich um meine Gesundheit trauere. Das ist oft leichter gesagt als getan. Doch meine Erfahrungen der letzten fünf Jahre haben mir gezeigt, dass es mir gut tut, meinen Gefühlen ab und zu komplett freien Lauf zu lassen, um danach wieder positiv und gestärkt weiterzumachen.

Wie siehts mit deinem Körper aus? Wie hält du den fit?

Sport tut mir sehr gut, deshalb bewege ich mich möglichst jeden Tag. Dabei achte ich auf eine Mischung aus Spaziergängen mit meinem Hund, Krafttraining, Pilates und Joggen.

Wie organisierst du deinen Alltag, um deine Energie so gut es geht einzuteilen?

Ich höre aufmerksam auf meinen Körper und plane bewusst mit meiner Energie. Als eher introvertierter Mensch kosten mich soziale Treffen oft viel Kraft – seit meiner Diagnose merke ich das noch stärker. Wenn ich z. B. ein intensives Wochenende mit Freundinnen vor mir habe, freue ich mich sehr, nehme mir aber auch Pausen, wenn ich sie brauche. Dann ziehe ich mich zwischendurch zurück, mache nicht alle geplanten Programmpunkte mit und ruhe mich zwischendrin alleine aus, bis ich wieder mehr Energie habe.

Was rätst du Betroffenen, die ihre Diagnose ganz frisch haben und somit noch ganz am Anfang ihrer MS-Reise stehen?

Drei Dinge, die mir persönlich geholfen hätten und haben:

  • Die Möglichkeit zu nutzen, sich mit einer Person auszutauschen, die die Diagnose schon länger hat und reflektiert damit umgeht – sei es aus dem Bekanntenkreis oder z.B. über aMStart. Das hilft, sich nicht so allein zu fühlen.
  • Sich ausreichend Zeit zu nehmen, um sich gut über die verschiedenen Therapien zu informieren, da es eine große Auswahl in unterschiedlichen Formaten gibt. Wenn man unsicher ist, sollte man keine Scheu haben, eine zweite Meinung einzuholen.
  • Ein medizinisches Team um sich zu haben, dem man vertraut und bei dem man sich wohlfühlt. Ich habe am Anfang mehrfach die neurologische Praxis gewechselt, bis ich bei meinem heutigen Neurologen angekommen bin, dem ich seit einigen Jahren vertraue. Das gibt mir viel Sicherheit und Ruhe im Umgang mit der Krankheit.

Wie geht es dir aktuell?

Aktuell geht es mir gut, danke ! :)

Welche Dinge machst du heute bewußter als noch vor der MS-Diagnose?

Ich bewege mich heute bewusster, weil ich stärker im Hinterkopf habe, dass meine Mobilität irgendwann eingeschränkt sein könnte. Auch bei der Ernährung achte ich viel mehr auf meinen Körper: Ich ernähre mich größtenteils entzündungshemmend und so, dass es meinem Wohlbefinden guttut. Insgesamt nehme ich Pausen, Bewegung und Ernährung viel ernster als früher – weil ich für mich gemerkt habe, welchen Unterschied dies machen kann.

Was ist dein größter Motivator und stärkt dich so richtig doll?

Mein größter Motivator ist der Wunsch, möglichst lange gesund und zufrieden zu leben – um viel Zeit mit meiner Familie und meinen liebsten Menschen (und Haustieren :)) verbringen zu können. Gleichzeitig gibt mir die Möglichkeit, durch meine MS-Diagnose andere Betroffene zu unterstützen, unglaublich viel Kraft und Sinn. Das Gefühl, damit etwas Positives bewirken zu können, stärkt mich sehr.

Was wünscht du dir sonst in Bezug auf MS?

Möglichst bald eine Heilung! 

Schlusswort:

Seid emphatisch – euch selbst gegenüber und zueinander!