
Die Geschichte von Jennifer
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung? Gab es Besonderheiten oder Schwierigkeiten?
Der Weg kam mir ewig lang vor, auch wenn es nur ein dreiviertel Jahr war hatte ich oft das Gefühl wie in einer Schwebe zu leben. Man hat nur noch funktioniert, das geleistet was ging und ist von Arzt zu Arzt gerannt. Ich glaube eine Schwierigkeit die vielen jungen Frauen bekannt sein dürfte ist, dass man einfach nicht ernst genommen wird. Gerade wenn man einem die Krankheit nicht auf den ersten Blick ansieht und Blutwerte nicht aufschlussreich sind.
Wie hast du die Diagnose Lupus aufgenommen? War dir, deiner Familie und deinen Freunden klar, was diese Diagnose bedeutet?
Nachdem ich endlich den Hausarzt gewechselt habe, deutete mein neuer Hausarzt direkt Autoimmunerkrankungen, bzw. wegen des Schmetterlingserythems den Lupus an. Das war im Juni. Erstmal habe ich mir überhaupt nichts dabei gedacht und dann fängt man an zu googlen. Dann treffen einen so Schlagwörter wie „nicht heilbar“, „Organbeteiligung“ oder „keine Sonnenexposition mehr“ und die Welt bricht zusammen. Vorerst wurde mir dann jedoch mitgeteilt ich habe keinen Lupus, wegen der unpassenden Blutwerte. Mein Bauchgefühl hat mir aber immer irgendwie gesagt, dass es das ist. Als die Diagnose dann schwarz auf weiß kam, hatte ja ich bereits etwas Zeit mich an den Gedanken zu gewöhnen und im Endeffekt war ich einfach nur froh, dass ich endlich wusste was mit mir die ganzen letzten Monate los war und die Sache einen Namen hat.
Was ist bis jetzt deine größte Herausforderung mit Lupus gewesen? Welche Tipps kannst Betroffenen geben, wie man diese meistern kann?
Am herausforderndsten war für mich, sich selbst das Eingeständnis zu machen, dass jetzt eben nicht mehr alles so geht wie vorher. Ich war früher regelmäßig beim Sport, am Wochenende auf Feiern und nur unterwegs. Generell hatte ich immer mehr als genug Energie. Wenn das alles plötzlich nicht mehr geht, weil der Körper streikt, dann ist das für die Psyche erstmal hart zu verarbeiten.
Woran ich aber auch echt zu knacken hatte, war das Gefühl der Hilflosigkeit in Bezug auf Ärzte. Ich habe nicht gerade wenig schlechte Erfahrungen gemacht in der letzten Zeit.
Ich glaube der beste Tipp generell ist, dass man einfach gut auf sich achten muss. Den Fokus nicht auf das legen was schlecht läuft und was eben nicht mehr geht, sondern auf das was noch geht und die guten Dinge.
In Bezug auf die Ärzte: dranbleiben. Für sich einstehen, obwohl mir das heute immer noch mehr als schwerfällt. Aber man sollte immer auf sein Bauchgefühl hören. Man selbst kennt sich und seinen Körper am besten.
Welche Missverständnisse begegnen dir im Alltag, wenn es um den Lupus geht?
Naja, man sieht meine Krankheit halt nicht auf den ersten Blick. Ich bin auch kein Mensch der mit seinen Schmerzen hausieren geht. Wenn man mich so sieht, dann würde niemand denken, dass ich täglich mit einer schweren Autoimmunerkrankung und den damit verbundenen Schmerzen zu kämpfen habe. In den letzten Monaten habe ich oft die Erfahrung machen müssen, dass das Verständnis fehlt. Auch da musste ich erst lernen für mich einzustehen, man selbst weiß am besten was man leisten kann und was eben nicht, das braucht niemand anderes außer man selbst zu bewerten. Es fällt einem ja selbst sowieso schon schwer, dass der Anspruch nicht mehr der Gleiche sein kann wie bei einem gesunden Menschen. Da ist es das Letzte was man benötigt, noch von außenstehenden Personen in Frage gestellt zu werden.
Was sind Momente, in denen du besonders stolz auf dich bist, weil du sie heute mit Lupus schon gut meisterst?
Im Endeffekt habe ich mein ganzes Leben auf links gekrempelt. Antientzündliche Ernährung, keinen Alkohol mehr, ein bewusstes Leben und ganzheitliche Gesundheit stehen heute an der Tagesordnung. Das hat mich zu Beginn jede Menge Energie gekostet, man glaubt gar nicht wie anstrengend es ist aus alten Gewohnheiten auszubrechen. Aber ich habe irgendwann angefangen den Lupus nicht mehr als Krankheit zu betrachten, sondern als Zeichen meines Körpers, dass irgendwas in meiner Lebenswelt so nicht passte. Ich sehe den Lupus als persönlichen Seismographen, der mir genau zeigt, was mit gut tut und was nicht, ob ich mich mit manchen Dingen übernehme oder eben nicht. Ich bin besonders stolz darauf, dass ich es dank Ernährungs- und Lebensstilumstellung schaffe ohne Medikamente auszukommen, daran war am Anfang nicht dran zu denken. Klar gibt es solche und solche Tage, aber diese sind im Vergleich zur Anfangszeit besser auszuhalten.
Hast du manchmal Angst, wenn du an die Zukunft denkst?
Klar. Ich unterschätze die Krankheit nicht, sie ist unberechenbar. Das habe ich im Juni gemerkt, als ich plötzlich nicht mehr gehen konnte, weil beide Kniegelenke so stark entzündet waren. Schubsituationen machen mir Angst, aber ich habe gelernt, dass Angst und Stress den Lupus bloß füttern. Deswegen versuche ich mich wirklich jeden Tag auf die positiven Dinge zu fokussieren und dankbar zu sein für jeden Tag an dem die Schmerzen aushaltbar sind.
Wie hat sich dein Lebensweg durch den Lupus verändert? Hast du z.B. einen anderen oder neuen Job eingeschlagen oder dich von Personen abgewendet oder auch zugewendet.
Ich bin nach wie vor im gleichen Job und erfahre von meinem Arbeitgeber wirklich Rückhalt. Ich war viel krank im Jahr 2024 und oft hat mich der Gedanke, dass ich nun wieder nicht arbeiten gehen kann echt gequält. Aber meine Vorgesetzen haben echt alles getan um mir den Druck, den ich mir irgendwo selbst gemacht habe, zu nehmen.
Wie schon oben erwähnt, fehlt oft das Verständnis. Müsste man meinen Gesundheitszustand beispielsweise an Hand meines Instagrams beurteilen, würde niemand vermuten, dass hinter der Person auf dem Account jemand steht, der eigentlich schwer krank ist. Demnach gab es die ein oder andere Situation (leider auch im Freundeskreis), in welcher man auf kein Verständnis getroffen ist. Auf solche Leute verzichte ich dann gern.
Aber was für mich einen sehr großen Wert hat ist, dass ich während meines Krankenhausaufenthalts in einer rheumatischen Klinik zwei Gleichgesinnte getroffen habe, die sich mittlerweile zu Freundinnen entwickelt haben. Jemanden zu haben dem du die Symptome erzählst, der dich versteht und genau weiß wie es sich anfühlt bei Ärzten kein Gehör zu finden ist Goldwert. Das kann dir niemand sonst geben.
Wie geht es dir aktuell?
Mir geht es gut. Ich bin nicht komplett symptomfrei, aber die antientzündliche Ernährung und der neue Lebensstil tragen dazu bei, dass ich meinen Alltag weitestgehend normal bestreiten kann und auch wieder die Dinge machen kann, welche mir besonders am Herzen liegen, wie Sport, Festivalbesuche und Urlaube.
Welche Erfahrungen hast du mit Therapien, Medikamenten und Ärzten gemacht?
Ganz schwieriges Thema. Ich glaube das konnte man meinen vorherigen Aussagen schon entnehmen. Also man macht echt viele Erfahrungen bei denen man sich im Nachhinein denkt „ist das jetzt echt passiert?“. Von Aussagen wie „mit 27 könnte man auch mal ein bisschen Gelenkschmerzen haben“ bis zu „versuchen Sie mal ihre Beschwerden wegzuignorieren, ich schreibe ihnen Antidepressiva auf“.
Ich habe zum Glück (mittlerweile) einen ganz tollen Hausarzt, der sich wirklich für mich einsetzt und engagiert ist. Ansonsten kann ich mich immer an einen Bekannten wenden, welcher Medizin studiert, dieser steht mir auch immer mit Rat und Tat zur
Seite.
Die meiste Zeit habe ich eigentlich Kortison und Schmerzmittel genommen, wobei letzteres eigentlich nie wirklich geholfen hat. Während meines Klinikaufenthalts stand die Therapie mit Hydroxychloroquin im Raum. Jedoch hatten wir uns vorerst dagegen entschieden.
Momentan fahre ich noch einmal die Woche ins Krankenhaus und bekomme über einen Katheter Injektionen in meine Blase. Die Therapie schlägt bei meinen Schmerzen in der Blase gut an. Dies ist auch das einzige „Medikament“ mit welchem wir bei meinen Symptomen arbeiten. Ansonsten basiert alles auf pflanzlicher Ebene und das funktioniert für mich, in Kombination mit Ernährung und Lebensstil, wirklich gut.
Wie schon oben erwähnt, man muss echt lernen für sich einzustehen. Ich wurde das letzte dreiviertel Jahr von Arzt zu Arzt geschickt und viele fühlten sich in keinster Weise verantwortlich, bzw. hatten keine direkte Lösung parat und ich wurde abgewiesen.
Hast du schon alternative Heilmethoden ausprobiert, die dich zu deiner Therapie unterstützen sollen?
Ich glaube ich habe mittlerweile alles durch und Unmengen an Geld für die ganze alternative Medizin ausgegeben, das zahlt die Krankenkasse ja nicht. Neben den ganzen Ärzten war ich parallel auch immer bei einer Heilpraktikerin. Ich habe mich nach den Ansätzen von Medical Medium und der generellen ganzheitlichen Gesundheit coachen lassen und die Traditionelle Chinesische Medizin habe ich auch ausprobiert.
Ich finde es super wichtig, neben der Schulmedizin die Erkrankung noch aus weiteren Blickwinkeln zu betrachten. Ich bin definitiv der Meinung, dass man nicht nur schauen sollte wie man die Symptome der Erkrankung reguliert kriegt, sondern viel mehr darauf schauen sollte was die Ursachen der Erkrankung sind. Wieso bin ich krank geworden und was kann ich tun damit mein Körper „gesund“ wird.
Am effektivsten war für mich die Ernährung und die Umstellung des Lebensstils. Ich merke von Woche zu Woche, dass es weniger Symptome werden und fühle mich immer fitter. Ich habe gemerkt, dass Stress meine Symptome nur befeuert, deswegen liegt mein Hauptaugenmerk im Alltag bei einem regulierten Nervensystem und gutem Stressmanagement.
Was motiviert dich am meisten, wenn es dir durch die Autoimminunkrankheit schlecht geht?
Meine Hündin Hailey. Ich hatte oft Tage an denen ich mich am liebsten nur in meinem Bett verkrochen hätte. Mit Hund geht das nicht. Man funktioniert dann für jemand anderen auch wenn man sich nicht danach fühlt.
Ich gehe nach wie vor gerne zum Sport, das hilft mir den Kopf freizukriegen. Moderate Bewegung und Kraftsport helfen mir aber auch bei den Symptomen, vor allem bei den Schmerzen in den Beinen und der Kraftlosigkeit in den Armen.
Aber auch der Gedanke an ein „normales“ Leben, bzw. ein Leben ohne Schmerzen und Einschränkungen. Vor einem Jahr noch hatte man so viele Perspektiven und Vorstellungen vom Leben, wenn man krank ist, ist der einzige Wunsch wieder gesund zu sein. Das motiviert mich vor allem darin, meine Ernährung und Lebensweise weiterhin so durchzuziehen.
Was findest du, könnte für die Unterstützung von Betroffenen besser gemacht werden? Was denkst du, könnte die Öffentlichkeit noch über Lupus erfahren, um besser Bescheid zu wissen?
Ich glaube die Sensibilisierung für die Erkrankung und auch den Schweregrad der Erkrankung und was das eigentlich für die Psyche des Erkrankten bedeutet. Ich habe oft das Gefühl, dass ich für meine Familie und meine engsten Freunde eine Last bin, weil mein Leben jetzt einfach mit so Einschränkungen einhergeht. Aber ich bin wirklich gesegnet, weil alle ihr Bestes tun um mich zu unterstützen und für mich da zu sein. Ich würde mir wünschen, dass jeder einen solchen Rückhalt erfährt.
In Bezug auf Ärzte habe ich einfach gemerkt, dass viele (ausgenommen die Rheumatologen) einfach keine Ahnung haben was genau Lupus eigentlich ist. Aufgrund meiner komplexen Symptome bin ich aber darauf angewiesen, bei mehreren Fachrichtungen[Jv1] (Urologie, Gynäkologie, Dermatologie, Neurologie) behandelt zu werden. Ich würde mir wünschen, dass Ärzte zumindest versuchen einem weiterzuhelfen anstelle von „wir können hier leider nichts für sie tun“.
Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?
Ich möchte die Krankheit und die Symptome mehr verstehen, was genau mein Körper mir damit sagen möchte und wie ich reagieren kann. Generell möchte ich wieder mehr die Oberhand gewinnen und nicht ferngesteuert durch die Krankheit agieren, was mir eigentich schon ganz gut gelingt.
Schlusswort:
Ich bin der festen Überzeugung, dass alles im Leben aus einem bestimmten Grund passiert und sich am Ende immer alles dem Guten zuwendet. Wer weiß also wofür diese Krankheit so gut ist und wo es mich am Ende auf Grund dessen hinbringt. Die letzte Zeit hat mir wirklich viel abverlangt und es ging mir oft schlecht, jedoch habe ich selten einen solchen persönlichen Wachstum erfahren wie in dem letzten Jahr und dafür bin ich dankbar.
Auch wenn ich noch nicht allzu lange betroffen bin, kann ich anderen Betroffenen nur ans Herz legen: steh bei Ärzten für dich ein, achte gut auch dich und deine mentale Gesundheit, mache nicht mehr als deine Energie es dir erlaubt, Fokus auf die positiven Dinge und such dir Leute mit ähnlichen Geschichten. Das hat mir unfassbar geholfen.
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