
Die Geschichte von Lara
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?
Der Weg zur Diagnose war sehr schwierig und dauerte 5 Jahre lang. Anfangs (2017) hatte ich überwiegend Gelenkbeschwerden, vor allem, weil ich damals noch sehr jung war und die meisten dachten, es kein “richtiges” Problem, sondern Wachstumsschmerzen oder Schmerzen vom Tanzen. Damals habe ich aktiv Garde getanzt.
Als ich immer mehr Symptome bekam, haben die meisten Ärzte meine Probleme auf die Psyche geschoben oder dachten, dass ich nur Aufmerksamkeit suche. Recht schnell kamen weitere Symptome hinzu: Fatigue, Synkopen, Herzrhythmusstörungen, schlechte Nierenwerte. Ich bekam auch manchmal nicht so wirklich gut Luft, hatte Schmerzen im Brustkorb, etc., aber man sah keinen Zusammenhang.
2020 hatte mein damaliger Kinderarzt auf unseren Wunsch hin die Rheumawerte abgenommen und da dort einiges auffällig war, kam ich zu einem Kinderrheumatologen. Dieser nahm mich sofort ernst und ich bekam die Verdachtsdiagnose SLE. Nicht wegen meiner Symptome, sondern weil die spezifischen Lupus-Antikörper wiederholt positiv waren. Für eine Lupusdiagnose reichten meine Symptome noch nicht aus.
Auch in dieser Zeit hatte ich immer wieder mit Medical Gaslighting zutun. Mir ging es immer schlechter und bekam versuchsweise MTX, womit es mir besser ging. Plötzlich ging es dann schnell bergab und immer mehr Beschwerden kamen hinzu, Hautausschläge und das Schmetterlingserythem, Fieber, Aphten, etc. und dann bekam ich im Mai 2021 die Diagnose SLE.
Was glaubst du, warum wurde dein Lupus so lange nicht ernst genommen?
Ich glaube das Hauptproblem war, dass ich so viele verschiedene Beschwerden hatte. Beispielsweise hatte ich Gelenkprobleme, aber auch Symptome am Herzen und das hatte auf den ersten Blick keinen Zusammenhang, somit war für die Ärzte ziemlich schnell die Erklärung „Wenn sie an so vielen Stellen Beschwerden hat, kann es nur psychosomatisch sein“. Frauen werden ja generell weniger ernst genommen als Männer, ich war damals ein junges Mädchen und zwischen 11-15 Jahre alt, da war die Erklärung vermutlich am leichtesten. Davon abgesehen kannten sich auch viele Ärzte gar nicht wirklich mit Lupus aus.
Wie hast du die Diagnose Lupus aufgenommen? War dir, deiner Familie und deinen Freunden klar, was diese Diagnose bedeutet?
Dadurch, dass ich ein Jahr lang vor der Diagnose schon die Verdachtsdiagnose hatte, hatten wir uns schon viel mit dem Thema auseinandergesetzt und somit war die endgültige Diagnose eher eine Erleichterung, weil ich endlich eine Antwort für meine Beschwerden hatte. Trotzdem hatte ich es anfangs auch gar nicht so ganz realisiert, was das nun heißt. Für meine Eltern und Freunde war es schwierig, ich glaube schon fast schwieriger als für mich, viele Freunde haben sich auch abgewendet, weil sie einfach überfordert waren.
Was ist bis jetzt deine größte Herausforderung mit Lupus gewesen?
Die größte Herausforderung ist für mich nach wie vor, dass ich sehr viel nicht mehr (selbstständig) machen kann, was bedeutet, Hilfe anzunehmen und auch mal nach Hilfe zu fragen. Vor allem, dass ich die Schule abbrechen musste, war für mich unglaublich schwierig, aber auch, dass ich teilweise bei alltäglichen Dingen Hilfe brauche, ist manchmal sehr schwer zu akzeptieren, vor allem wenn man so jung ist und vorher sehr aktiv war.
Ich kann jedem nur sagen, es ist okay, wenn ihr Hilfe braucht und es ist auch okay, wenn ihr manchmal einfach Ruhe braucht und z.B. Treffen absagen müsst. Es ist manchmal schwer zu akzeptieren, aber es kommen auch wieder bessere Phasen, niemals aufgeben!
Du bist jung und hast einen Herzschrittmacher. Warum war das bei deiner Autoimmunerkrankung notwendig? Wie hast du dich gefühlt, hast dir mitgeteilt wurde, dass du einen Schrittmacher benötigst? Ist er ein positiver Begleiter heute oder stört er dich in irgendeiner Art und Weise?
Der Lupus hat bei mir schon früh das Herz angegriffen, was sich damals in einem sehr hohen Puls, Synkopen, Atemnot und EKG-Veränderungen zeigte. Irgendwann merkte man, dass ich auch immer wieder eine sehr niedrige Herzfrequenz habe. Ich hatte immer mal Phasen, wo ich diesen niedrigen Puls auch extrem merkte, allerdings war es überwiegend während akuter Schüben und ging immer weg, wenn ich einen Kortisonstoß bekam. So kam auch der Verdacht, dass es mit den Lupus zusammenhängt.
Im Winter 2022 hatte ich zusätzlich zu einem Lupusschub eine virale Infektion und das Ganze brachte mein Herz endgültig durcheinander. Ich hatte sehr starke Symptome und hatte nur noch eine Herzfrequenz von knapp 24bpm. Zu dem Zeitpunkt war ich schon stationär und isoliert im Krankenhaus. Ich dachte wirklich ich sterbe, weil einfach kein Arzt wusste warum es mir so ging und was man tun soll.
Nach 2 Wochen, als mein Zustand weiter schlechter wurde und ich mehrmals Atropin brauchte und man dachte, dass mein Herz jeden Moment stehen bleiben würde, wurde ich von meiner damaligen Kinderklinik mit Notarzt in die Uniklinik auf die Intensivstation verlegt, dort machte man viele Untersuchungen und trotz dauerhaften Epinephrin und Atropin (Medikamente, die den Puls erhöhen sollten) ging es mir weder besser, noch ging meine Herzfrequenz hoch.
An diesem Punkt wurde das erste Mal über einen Herzschrittmacher gesprochen. Ich wurde dann versuchsweise entlassen, um zu schauen ob mein Körper klarkommt, weil man die Entscheidung, ob ich einen Herzschrittmacher bekam natürlich mit guter Überlegung treffen wollte. Damals waren drei Leiter verschiedener Abteilungen involviert und trotzdem wusste keiner so Recht, was wir machen sollten. Ich hatte zuhause dauerhaft einen Puls unter 40 und ich dachte jede Nacht ich würde nicht mehr aufwachen.
Ich kam ein paar Wochen später wieder mit dem Rettungsdienst ins Krankenhaus, wieder auf die Intensivstation und letztlich bekam ich dann zwei Wochen später mit 17 Jahren meinen Herzschrittmacher implantiert – das Risiko ohne war zu hoch, dass mein Herz durch zu lange Pausen stehen bleibt.
Anfangs hat sich der Gedanke fremd angefühlt als über einen Herzschrittmacher gesprochen wurde, aber als es mir immer schlechter ging, war ich einfach nur noch froh, dass sich die Ärzte dafür entscheiden haben. Ich habe ihn nun zwei Jahre und hatte zum Glück bisher keine Probleme und würde ihn auch nicht mehr missen wollen, ich möchte nie mehr Angst haben, nachts zu schlafen und nicht mehr aufzuwachen oder zu denken, dass mein Herz gleich stehen bleibt. Der Schrittmacher war eine der besten Entscheidungen für mich.
Lupus gibt Betroffenen häufig das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Wann kommt das Gefühl bei dir hoch?
Ich habe dieses Gefühl oft, wenn ich einen neuen Schub habe oder generell, wenn ich schlechte Nachrichten bekomme, vor allem, wenn diese unerwartet kommen. Z.B. als ich Cyclophosphamid als Therapie bekam und keine wirkliche Wahl hatte, weil der Lupus mein Herz angegriffen hatte — und das eine Woche nach der Implantation des Herzschrittmachers. Das war für mich eine Situation, wo ich das Gefühl von 0 Kontrolle hatte.
In solchen Situationen hilft es mir, mit anderen Betroffenen zu sprechen und meine beste Freundin gibt mir sehr viel Halt. Oft möchte ich aber auch erstmal alleine sein, dann lenke ich mich gerne ab und höre gerne Podcasts, lese Bücher, schaue meine Lieblingsserie und gehe, wenn es möglich ist, mit meinem Hund spazieren.
Wovor fürchtest du dich am meisten, wenn du an die Autoimmunerkrankung denkst und in die Zukunft schaust?
Ich habe am meisten Angst vor der Ungewissheit und der Unberechenbarkeit vom Lupus. Ich musste in den letzten Jahren einige Male erfahren, wie schnell man von einer guten Phase in eine extrem schlechte Phase rutscht und wie schnell es auch lebensgefährlich werden kann – und wie hilflos auch die besten Ärzte manchmal sind. Das macht mir viel Angst, dass ich so eine Situation wie mit der Herzbeteiligung 2022 nochmal erleben könnte.
Auf www.instagram.com/lupuswithlara zeigst du die ungeschönte Wahrheit deines Lupus. Das ist sehr eindringlich und beeindruckend, weil es so ungefiltert ehrlich ist. Woher nimmst du die Kraft, deinen Weg zu beschreiben und die Menschen in deine Welt des Lupus mitzunehmen und so vieles was dir passiert zu erklären?
Ich habe damals mit Instagram angefangen, weil ich selbst nicht wusste, was mit mir los ist und noch keine Diagnose hatte. Als ich dann meine Diagnose bekam, habe ich durch viele andere Betroffene erst wirklich verstanden, was Lupus ist, weil man leider sonst nur wenig dazu findet. Und dann habe ich selbst angefangen, mein Weg mit dem Lupus zu teilen und das Ganze eben auch ehrlich, ohne irgendwas zu verschönern. Ich möchte, dass die Menschen wissen, dass Lupus nicht ein bisschen Schmerz ist. Ich möchte, dass andere sehen mit was Betroffene wirklich leben. Es ist nicht wie in Serien, wo am Ende alles perfekt ist.
Gleichzeitig möchte ich anderen Kraft geben und zeigen, dass das Leben auch mit einem schweren Verlauf weitergeht und man trotz allem schöne Momente und gute Phasen haben kann.
Ich bekomme oft sehr positive Rückmeldungen, dass es anderen Kraft gibt, dass ich trotz allem, was ich schon erlebt habe, noch positiv bleibe oder das manche durch mich erst ihre Diagnose bekommen haben, sowas gibt mir dann wiederum viel Motivation weiterzumachen.
Welche Auswirkungen hatte die systemische Lupus-Diagnose auf dein Leben und seinen Weg?
Als ich krank wurde haben sich einige Freunde abgewendet. Warum genau, weiß ich nicht zu 100 Prozent, aber ich denke mal, dass viele mit mir und der Erkrankung überfordert waren und weil ich vieles nicht mehr machen konnte, was man in dem Alter eben macht, z.B. feiern gehen oder lange in die Stadt shoppen, etc.
Ich hätte im Sommer letztes Jahr eigentlich mein Abitur gemacht, musste aber leider 2022 die Schule abbrechen, als ich versuchte, die 11. Klasse zu wiederholen. Ich hatte vorher zu oft gefehlt, weil ich damals wieder eine lange Zeit auf der Intensivstation lag und in keinem guten Zustand war, in dem ich in die Schule hätte gehen können.
Somit habe ich jetzt anstatt meines Abiturs meinen Realschulabschluss, was natürlich auch gut ist, aber eben nicht mein Ziel war. Seitdem konnte ich bisher weder eine Ausbildung anfangen noch anderweitig arbeiten, allerdings ist mein Ziel Ende dieses Jahr eine Ausbildung im medizinischen Bereich anzufangen. Früher wollte ich immer Medizin studieren, ohne Abitur ist das aber schwierig, daher gehe ich erstmal einen anderen Weg und wer weiss, was sich dann noch ergibt.
Was motiviert dich in deinem Alltag am meisten, wenn es dir durch die Automminunkrankheit schlecht geht?
Mich motiviert es, dass ich weiß, dass es immer wieder bessere Tage geben wird und dass ich aus allen schlechten Phasen auch etwas mitnehmen und lernen kann. Oft setze ich mir in schlechten Phasen Ziele, die ich erreichen möchte, wenn es mir besser geht. So bin ich auch in schlechten Phasen motiviert, dass es irgendwann wieder besser wird.
Wie geht es dir aktuell?
Es ist ein auf und ab. Mein Herz ist aktuell relativ stabil, nachdem ich im Sommer erst wieder eine Herzmuskelentzündung hatte, dennoch sind vor allem die Fatigue, Gelenkschmerzen, etc. teilweise sehr präsent und kräftezehrend. Ich denke aber wir sind auf einem guten Weg.
Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?
Ich wünsche mir definitiv mehr Aufklärung und Verständnis dafür, was Lupus wirklich ist und was es heißt, damit zu leben. Außerdem wünsche ich mir, dass mehr Ärzte wissen, was SLE ist. Ich werde immer noch oft angeschaut wie ein Auto, wenn ich sage, dass ich Lupus habe. Außerdem hoffe ich, dass es bald noch mehr Medikamente gibt, um den Lupus zu behandeln und hoffentlich auch eine sichere Heilung.
Schlusswort:
Ich lebe mit dem Lupus, aber ich bin nicht der Lupus. Der Lupus nimmt in meinem Leben einen großen Platz ein, ich hoffe das sich das irgendwann ändert, aber ich möchte ihn nicht zum Mittelpunkt meines Lebens machen.
Ich möchte einfach nur Normalität und manchmal muss man dafür über seine Grenzen gehen und auch mal die ein oder andere Verschlechterung in Kauf nehmen, solange man sich nicht total übernimmt, man trotzdem auf seinen Körper hört und sich im Gegenzug dazu auch wieder Zeit gönnt, um sich auszuruhen.
Man muss lernen, mit dem Lupus zu leben und ihn nicht als Feind ansehen. Es dauert etwas, das zu akzeptieren, aber irgendwann lernt man ein gutes Mittelmaß.







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