
Die Geschichte von tina
Du bist Vitiligo-Betroffene, d.h. du hast die „Weißfleckenkrankheit“ wie sie im Volksmund genannt wird. Wann und wie ging es los mit den ersten Symptomen und wann kam es zur Diagnosestellung? Gab es Besonderheiten oder Schwierigkeiten bei der Diagnosestellung oder auf dem Weg dorthin?
Die ersten Symptome hatte ich bereits in meiner frühen Kindheit, ich schätze so am Ende meiner Kindergartenzeit bzw. Anfang Grundschulzeit. Genau weiß ich es nicht mehr. Die ersten weißen Flecken erschienen, nachdem ich mir ganz typisch als Kind beim Spielen und Herumtoben mal die Knie aufgeschlagen habe und die Haut, die sich unter dem Grind neu gebildet hat, plötzlich viel heller war als die restliche Haut. Danach war ziemlich schnell klar, dass es sich um Vitiligo handelt.
Kannst du dich noch daran erinnern, was bei der Diagnose dachtest?
Ich war damals noch sehr jung und habe mir anfangs nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Erst als ich etwas älter wurde und die Flecken auch in meinem Gesicht auftauchten, habe ich realisiert, was es für mich bedeutet. Je älter ich wurde, desto peinlicher waren mir die hellen Flecken. Ich habe dann immer einen Abdeckstift im Gesicht verwendet, um sie so gut wie möglich zu kaschieren.
Vitiligo geht häufig mit anderen Autoimmunerkrankungen einher. So wie bei dir: du hast Diabetes Typ 1? Was war zuerst da, Diabetes oder Vitiligo? Und wird Vitiligo überhaupt als Krankheit ernst genommen oder steht der Diabetes im Vordergrund und die Vitiligo ist dann eher ein kosmetisches Problemchen anbei?
Wenn ich mich richtig erinnere, war zuerst die Vitiligo da. Der Diabetes ließ aber nicht lange auf sich warten. Ihn bekam ich 2006 im Alter von 8,5 Jahren. Leider ist das gar nicht so unüblich, da Vitiligo eine Begleiterkrankung von Diabetes Typ 1 ist. Ich habe schon einige Menschen kennengelernt, die ebenfalls beide Krankheiten haben.
Für mich persönlich spielt die Vitiligo aktuell eher eine Nebenrolle. Vor allem im Winter, wenn ich mich nicht ständig mit Sonnencreme eincremen muss und die Flecken durch die hellere Haut und lange Klamotten weniger sichtbar sind, beschäftigt mich die Erkrankung kaum. Im Sommer ist das schon eher der Fall, wenn die gesunde Haut braun wird und die Flecken dadurch sichtbarer werden. Trotzdem nimmt der Diabetes Typ 1 im Alltag die Hauptrolle ein, vor allem was die Behandlung betrifft. Aus Sicht meiner Ärzt*innen wird sich grundsätzlich auf das Fachgebiet konzentriert und dieses auch Ernst genommen, das heißt, meine Diabetologin unterstützt mich mit meinem Diabetes und meine Hautärztin steht mir in Bezug auf meine Vitiligo zur Seite.
Ein oft unterschätzter Teil der Vitiligo ist aus meiner Sicht die psychische Belastung, die damit einhergeht. Ich glaube, dass vielen Menschen (auch Ärzt*innen) oftmals nicht bewusst ist, was dieses „kosmetische Problemchen“ mit dem Selbstbewusstsein macht. Vor allem im Jugendalter habe ich mich immer sehr für meine Flecken geschämt und diese versucht zu verstecken. Erst als Erwachsene konnte ich lernen, die Erkrankung mehr und mehr zu akzeptieren und mich weniger dafür zu schämen. Aber auch jetzt ist dieses Gefühl oftmals noch da.
Wie weit ist deine Vitiligo bei dir fortgeschritten und was könnte noch auf dich zukommen?
Zurzeit habe ich die weißen Flecken vor allem an den Extremitäten, also an den Händen, Ellenbogen, am Oberarm, an den Knien und Füßen. Aber auch im Gesicht, im Nacken und im Dekolletee breiten sich die Flecken immer mehr aus.
Theoretisch könnte irgendwann meine komplette Haut weiß sein. Die Krankheit ist unberechenbar und man weiß nie, wie schnell sie fortschreitet. Aktuell hat aber ein Großteil meiner Haut noch immer meine „normale Hautfarbe“.
Ist deine Vitiligo in Zusammenhang mit Diabetes intensiver ausgeprägt oder nimmt sich das nichts? Wie siehts mit der Medikation oder den Behandlungen zu beiden Autoimmunerkrankungen aus? Passen da alles zusammen?
Sofern ich das beurteilen kann, hat der Diabetes nichts mit der Ausprägung von Vitiligo zutun. Da beide Erkrankungen bei mir ungefähr zur gleichen Zeit auftraten, kann ich dazu leider keine genaue Aussage treffen.
Grundsätzlich beeinflussen die Behandlungen beider Erkrankungen sich nicht gegenseitig. Sollte allerdings eine Vitiligo-Behandlung mit Cortison (zum Beispiel in Form von Salben oder Tabletten) erfolgen, muss man besonders auf seinen Diabetes achten, da es den Blutzucker stark beeinflussen kann. Das war bei mir aber noch nicht der Fall.
Welche Produkte/Cremes/Tabletten nutzt du im Alltag für deine Vitiligo?
Am allerwichtigsten ist Sonnencreme mit einem hohen Lichtschutzfaktor, damit die Haut gut vor der Sonne geschützt wird. Ich nutze mindestens LSF 50. Wenn ich mich im Sommer mal vergesse einzucremen oder mich zu spät erneut eincreme, dann kriege ich super schnell einen schmerzhaften Sonnenbrand. Meine Arme und der Nacken sind dafür besonders prädestiniert.
Im Winter werden vor allem die Hautstellen an den Knien schnell trocken und schuppig, was auch zu Juckreiz führen kann. Hier nutze ich Feuchtigkeitscreme aus der Apotheke, um die Haut immer schön geschmeidig zu halten.
Als Diabetikerin ernährst du dich bewusst und misst auch ständig deinen Blutzucker. Erkennst du eine Wechselwirkung zwischen deinem Blutzucker/deiner Ernährung und Vitiligo?
Nein, zumindest ist mir bisher keine Wechselwirkung aufgefallen.
Du und deine Freundin Eva habt den TYPE-ONE-DER-FUL Diabetes Podcast, den man sich auf allen Podcast-Kanälen anhören kann. Außerdem seid ihr beide auf Insta unter @typeonederful_podcast aktiv und informiert Menschen über wirklich alles Mögliche und Unmögliche zu Diabetes – absolut lebensnah. Wir von NIK e.V. fühlen uns euch sehr verbunden, weil ihr so viel Engagement aufbringt, andere Menschen zu unterstützen und zu informieren. Wie kam es zum Podcast und zum Insta-Account? Was ziehst du persönlich aus deiner Hilfestellung, die du durch die Kanäle anbietest? Was lernst du von deinen Hörern und Followern?
Meine liebe Freundin und Podcast-Kollegin Eva und ich haben vor knapp vier Jahren mit dem Podcast begonnen. Zuerst war es nur eine fixe Idee, weil ich in der Zeit beruflich mit dem Thema Podcast zu tun hatte, aber recht schnell entwickelte sich daraus ein wundervolles Projekt, an dem wir bis heute mit Herzblut in unserer Freizeit arbeiten.
Gemeinsam wollen Eva und ich über Diabetes Typ 1 aufklären und anderen Erkrankten Mut machen. Und das ist es auch, was wir mit unserem Podcast und Instagram-Account erreichen, denn wir erhalten immer wieder liebe Nachrichten von Menschen, die sich für unsere Arbeit bedanken, uns Fragen stellen oder uns einfach nur mitteilen, dass wir ihnen etwas Angst nehmen konnten. Genau das macht uns glücklich. Wir lieben unsere Community, die wir uns über die Jahre aufgebaut haben, und möchten vermitteln, dass niemand mit seinem bzw. ihrem Diabetes alleine ist.
Da wir unsere Community auch mit in unseren Podcast einbinden wollen, lassen wir sie in manchen Folgen zu Wort kommen. Entweder laden wir uns einen Gast ein oder binden Sprachaufzeichnungen von anderen Menschen mit Typ-1-Diabetes in unsere Folgen ein. Dabei lernen auch wir manchmal noch etwas Neues. :)
Was triggert deine Vitiligo maximal? Was sind deine Tipps, um die Haut wieder zu entspannen?
Bei mir sind es vor allem Stress und Verletzungen der Haut. Wann immer mein Körper neue Hautzellen bilden muss, ist es recht wahrscheinlich, dass diese ohne Melanin erzeugt werden.
Zur Entspannung der Haut helfen Feuchtigkeitscremes und natürlich immer ein angemessener Sonnenschutz.
Hinsichtlich meiner Ernährung konnte ich noch keine Auswirkungen auf meine Haut feststellen.
Welche Behandlung hast du bereits ausprobiert? Was sind deine Erfahrungen?
Ich bin in regelmäßiger hautärztlicher Betreuung. Meine Hautärztin hat mir gegenüber von Anfang an kommuniziert, dass es leider noch keine Heilungsmöglichkeit für Vitiligo gibt – nur Therapien, die vielleicht einen Teil der Haut repigmentieren, aber auch mit viel Aufwand und gegebenenfalls Nebenwirkungen verbunden sind. Deshalb habe ich bisher auf eine Therapie der betroffenen Hautstellen verzichtet.
Was ist die größte Herausforderung für dich mit Vitiligo?
Das ist ganz klar die psychische Belastung. Das Äußere ist nun einmal das Erste, was man von einem Menschen wahrnimmt. Und natürlich spürt man oftmals die Blicke auf sich. Nicht nur wegen der weißen Flecken, sondern auch wegen der Insulinpumpe und dem Sensor am Arm. Mir ist das immer sehr unangenehm. Ich habe zwar schon viel Selbstbewusstsein aufbauen können, aber es ist noch immer herausfordernd, mich mit meinen Erkrankungen zu akzeptieren.
Und es gab definitiv Zeiten, in denen ich mich sehr geschämt habe. Vor allem, als die Pubertät losging. Ich kann mich noch erinnern, dass ich einmal mit Freunden in der 6. Klasse im Freibad war und durch das viele Baden mein Make-up im Gesicht abgegangen ist. Der böse Spruch von einem meiner damaligen „Freunde“ hat sich tief in meinem Gedächtnis eingebrannt und mich noch jahrelang beschäftigt. Ich hatte damals einfach nicht das nötige Selbstbewusstsein, um darüberzustehen und mich selbst zu lieben. Der Abdeckstift war mein bester Freund und täglicher Begleiter, um mich wie ein „normaler“ Teenager zu fühlen.
Welche Erfahrungen hast du mit Reaktionen deiner Mitmenschen gemacht, wenn sie deine Vitiligo gesehen haben? In der Werbung und auf Laufstegen ist Vitiligo fast ein bisschen fancy geworden, so häufig wie Betroffene gezeigt werden. Merkst du das die Krankheit besser von der Allgemeinheit akzeptiert wird als früher?
Außer der einen Situation im Schwimmbad, hat sich mir gegenüber noch nie jemand respektlos verhalten. Aber man weiß natürlich nie, was gerade im Jugendalter so hinter dem Rücken über einen erzählt wird.
Im Alltag werde ich so gut wie nie von erwachsenen Menschen darauf angesprochen. Ich glaube, viele denken sich einfach ihren Teil. Es sind eher Kinder, die aus Neugierde fragen, warum meine Haut so anders aussieht, was ich gut finde, denn so kann ich es ihnen direkt erklären.
Ich finde es toll, dass Vitiligo mittlerweile sichtbarer wird. Das hilft ungemein dabei, die Erkrankung zu normalisieren. Ich glaube, die Menschen müssen Personen mit Vitiligo gezwungenermaßen akzeptieren – sie können ja nichts dagegen machen, dass es Personen mit dieser Erkrankung gibt. Vorurteile gibt es, denke ich, trotzdem noch genug. Um das weiter zu bekämpfen, braucht es starke Vorbilder in der Öffentlichkeit und noch mehr Aufklärung.
Hast du schon mal alternative Heilmethoden ausprobiert, die dich zu deiner Therapie unterstützen sollen?
Ich kann mich erinnern, dass meine Familie und ich, als ich noch sehr klein war und die Flecken gerade erst aufgetaucht waren, mal eine Kräutertinktur gemischt und regelmäßig auf die betroffenen Hautstellen gemacht haben. Es hat aber leider nicht geholfen.
Welche Erfahrungen hast du mit Ärzten in Bezug auf deine Autoimmunerkrankung gemacht? Respektvoll und auf Augenhöhe oder eher schwieriger?
Ich wurde von meinen Ärzt*innen zum Glück immer respektvoll und auf Augenhöhe behandelt.
Kannst du der Vitiligo auch positive Punkte abgewinnen?
Puh, das ist eine schwierige Frage. Ich habe mit der Zeit gelernt, mich auch mit meinen Schwächen zu lieben. Dafür habe ich aber auch viel Liebe und Bestätigung von außen gebraucht. Ich kann von Glück reden, dass ich ein Umfeld hatte und habe, das mich so liebt, wie ich bin.
Außerdem habe ich schon in meiner Jugend einen großen Wert auf meinen Charakter gelegt, weil ich wusste, dass mein Äußeres niemals perfekt sein kann. Das hat mich, glaube ich, zu einem sehr herzlichen und liebenswürdigen Menschen gemacht.
Wie geht es dir aktuell mit der Vitiligo?
Ich habe sie weitestgehend akzeptiert. Das Gefühl, nicht schön zu sein, wird vermutlich für den Rest meines Lebens immer mal wieder in meinem Kopf herumschwirren, aber ich bin mir meiner inneren Schönheit umso bewusster.
Was wünscht du dir in Bezug auf die Erkrankung?
Natürlich wünsche ich mir, dass es irgendwann eine Heilung für die Erkrankung gibt. Aber auch mehr Sichtbarkeit von Vitiligo finde ich wichtig, damit man sich nicht mehr so allein und wie ein Alien damit fühlt.
Schlusswort:
Rückblickend auf meinen Weg mit Vitiligo und Diabetes Typ 1 sehe ich, wie viel ich in den vergangenen Jahren über mich selbst gelernt habe. Beide Erkrankungen gehören zu mir, und auch wenn sie mich manchmal herausfordern, haben sie mir gezeigt, wie stark ich bin. Es war nicht immer einfach, mich selbst zu akzeptieren, aber heute weiß ich, dass meine innere Stärke und mein Charakter wichtiger sind als mein äußeres Erscheinungsbild.
Durch den Austausch mit anderen Betroffenen – sei es über unseren Podcast, Instagram oder persönliche Gespräche – habe ich erlebt, wie wertvoll es ist, einander zu unterstützen. Es macht mich glücklich, wenn ich anderen Mut machen kann, und ich nehme aus diesen Begegnungen auch selbst viel Kraft mit.
Mein Rat an andere Betroffene:
Du bist schön. Nimm dir die Zeit, dich selbst so zu akzeptieren, wie du bist. Es ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen passiert, aber du wirst daran wachsen. Suche den Austausch mit anderen, denn gemeinsam fühlt sich vieles leichter an. Und was ich mir auch öfter mal vor Augen führe: Die meisten Menschen sind so sehr auf sich selbst fokussiert, dass ihnen deine Vitiligo wahrscheinlich noch nicht einmal auffällt.
Weitere Mut-Mach-Geschichten
-
VitiligoChronische Hauterkrankungen
Die Geschichte von Silke
- Name: Silke Stangl
- Alter: 48
- Diagnose:Vitiligo (2013)
- Link: @silke.sst