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EGPA: Die Geschichte von Aylin

Bild zur Mut Mach von Aylin - EGPA

Name: Mein Name ist Aylin Dreier und ich komme aus Berlin
Alter: Ich bin 42 Jahre alt
Diagnose: Meine Diagnose bekam ich im Dezember 2012
Instagram: @ay_chiep

Du leidest an einer Autoimmunerkrankung, die nur sehr wenige Menschen weltweit haben: EGPA (Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis), früher als Churg-Strauss-Syndrom bekannt. Bei besonders seltenen Krankheiten fällt den Ärzten eine Diagnose häufig besonders schwer. Wie sah dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnose aus?

Im Nachhinein betrachtet, hatte ich schon sehr lange im Vorfeld die ersten Symptome. Diese konnten nur nie zugeordnet werden. Bereits als Säugling litt ich unter schweren Luftnotanfällen. Es kam immer wieder zu Notarzteinsätzen und meine ganze Kindheit war geprägt von Klinikaufenthalten. Ich wurde dort mehrmals im Jahr wegen meines Asthmas behandelt, welches schon damals sehr schwer einstellbar war. Bereits mit vier Jahren begann ich mit oralen Kortikosteroiden.
Es gehörte aber dann irgendwie alles zu meinem Leben dazu. Mit Mitte 20 bekam ich dann Gelenkschmerzen und immer wieder Fieberschübe. Bei einem Rheumatologen vorgestellt, sagte man mir nur, es wäre alles in Ordnung.

Mit meinem damaligen Mann wollte ich dann Kinder haben, aber leider hatte ich mehrmals eine Fehlgeburt. Später stellte sich heraus, dass das wohl schon mit meiner Autoimmunerkrankung zusammenhing. 2007 bekam ich meinen Sohn mit Komplikationen. Nach nur 32 Wochen Schwangerschaft musste ich zu früh entbinden, da ich an einer schweren Schwangerschaftsvergiftung litt. 2010 bekam ich mein zweites Kind. Zwischen den beiden hatte ich immer wieder Fehlgeburten. Meine Tochter kam auch mit einer seltenen Autoimmunerkrankung zur Welt: Der Alloimmunneutropenie.

Nach der zweiten Geburt stellte ich eine große Schwellung an meinem Schienbein fest. Ich ging zum Arzt und ein MRT ergab nur eine venöse Insuffizienz. Daraufhin stellte ich mich in der Gefäßmedizin vor, wo die Ärzte besorgt waren, weil sie es für einen unklaren Tumor hielten. Man operierte mich großflächig und nahm einen 12x8cm großen Tumor aus dem Bein. Es stellte sich heraus, dass es ein Granulom war. Die Ärzte suchten weiter, viele Diagnosen standen im Raum und in der Charité fand man neben Granulomen in der Lunge auch auffällige Werte in der Bronchoskopie. Eine Sarkoidose wurde festgestellt und ich wurde wieder mit hochdosiert Cortison behandelt. Leider bekam ich eine Wundheilungsstörung und die am Bein operierte Stelle ging wieder auf. Acht Wochen war ich im Krankenhaus, bekam alle zwei Tage eine OP, um den Schwamm einer Vakuumpumpe zu wechseln und hatte strenge Bettruhe. In der Wunde fand man immer wieder Granulome, die man sich nicht erklären konnte

Nach meiner Entlassung im Mai 2011 versuchte ich wieder in das normale Leben zurückzukehren. Ab Sommer 2011 ging ich dann auch wieder arbeiten, kam aber recht schnell an meine Grenzen. Immer wieder schwächten mich starke Fieberschübe und Schmerzen. Immer wieder Arztbesuche, erste Hilfe in den Kliniken, aber niemand konnte mir helfen. Im April 2012 war es dann so schlimm, dass ich mich vor Schmerzen und Fieber nicht mehr bewegen konnte. Auch das Reden musste ich einstellen, da mir die Zunge so weh tat, als hätte ich im ganzen Körper schlimmsten Muskelkater. Die Hausärztin nahm mir dann einen bestimmten Wert ab: die CK (Anm v. NIK: CK ist die Abkürzung von Creatinkinase, einem wichtigen Messwert bei Verdacht auf Schäden an der Skelettmuskulatur oder am Herzen.) Mein CK-Wert war anstelle von 145 bei fast 10.000 und zeigt ein akutes Geschehen im Körper, dort wo Muskulatur (Herz- und/oder Skelettmuskulatur) geschädigt wird. Nun ging die Suche wieder los.

Bis November 2012 war ich bei unendlich vielen Ärzten, in Kliniken, hatte zig Untersuchungen. Es gab Auffälligkeit im MRT, in der Lumbalpunktion, in den Organen und niemand hatte eine Idee, wie alles zusammenpassen könnte. Ich hatte dann großes Glück an einen Rheumatologen zu kommen, der kurz zuvor einen Vortrag eines Professors aus Bad Bramstedt hörte. Er wusste sofort, was es sein müsste. Zu der Zeit war ich zur Reha und von dort aus bin ich umgehend nach Bad Bramstedt geschickt wurde. Es dauerte keine fünf Tage und die Diagnose stand: Churg Strauss Syndrom, heute EGPA genannt. Ich habe geweint vor Glück. Es gab einen Namen, es gab eine Therapie und ich hatte wieder Hoffnung.

Der Weg zur Diagnose war extrem lang und beschwerlich. Wie war das für dich und dein Umfeld?

Für meine Eltern war es besonders schwer. Sie haben mich mein Leben lang schon als stets krankes Kind begleitet. Und keiner wusste jetzt so richtig was passiert. Meine Freunde waren erstmal beruhigt, dass ich nun gut aufgehoben war.

Du bist selbst Krankenschwester. War dir klar, was die Diagnose für dich und deine Familie bedeutete?

Nein, gar nicht. Ich hatte keine Ahnung was mich noch erwarten würde. Dort hat man mich zwar gut aufgeklärt aber meine Krankheit nahm noch eine heftige Wende, mit der damals niemand gerechnet hatte.

Wie hat sich dein Leben und das deiner Familie seit der Diagnose verändert?

Mein Leben hat sich direkt danach um 180° gedreht. Ich habe mich umgehend von meinem Mann getrennt. Ich wusste, wenn ich da durchmuss und mein Leben vielleicht eher endet als mir lieb ist, dann nicht mehr mit diesem Mann. Er hat mich immer allein gelassen, mit all meinen Sorgen und Problemen. Noch am Tag der Rückkehr, am Bahnhof, habe ich mich getrennt.
Heute lebe ich seit fast 6 Jahren glücklich mit meinem Freund zusammen. Meine Kinder sind nun schon 13 und 16 und können gut mit meiner Erkrankung umgehen.

Welche Therapieformen hast du gegen die EGPA erhalten und was hat funktioniert? Wie therapierst du heute?

Zu Beginn nahm ich nur Cortison, dann kam MTX dazu. Im Frühjahr 2013 ging es mir jedoch schlechter und ich bekam eine schwere Herzbeteiligung. Dann mussten die schweren Therapieformen ran. Ich bekam mehrere Infusionen mit Cyclophosphamid mir wurde auch ein Port gelegt. Später kam dann noch eine Beteiligung des Zentralen Nervensystems und Magen-Darm dazu. Meine Lunge war eh betroffen. Wir versuchten es mit Rituximab und dann nochmal mit Cyclophosphamid. Als Erhaltung dann später Azathioprin und wieder MTX.
Seit 2023 leide ich an Vorhofflattern und Herzrhythmusstörungen. Auch meine Lungenfunktion hat sich deutlich verschlechtert.
Ich bekomme nun Nucala, alle vier Wochen drei Spritzen und 10mg Prednisolon. Darunter ist zumindest meine Problematik mit dem Herzen etwas im Griff. Die Lunge ist leider nicht besser. Dazu nehme ich noch Medikamente gegen die Herzrhythmusstörungen sowie Schmerzmedikamente. Meine Gelenke schmerzen an manchen Tagen sehr.

Hast du schon alternative Therapieformen ausprobiert?

Ich war immer wieder anthroposophisch angebunden, habe aber irgendwann den Anschluss verloren.

Wie bewältigst du deinen Alltag mit EGPA?

Seit 2012, also mit Ausbruch der Krankheit, bin ich voll erwerbsunfähig berentet. Ich arbeite aber bei meinem damaligen Arbeitgeber immer noch an 5 Tagen für 3 Stunden in der Woche. Es hat sich viel geändert. Ich bin nicht mehr so belastbar wie früher. Vor allem den Sport musste ich sehr zurück fahren, weil mein Herz dann immer verrücktspielt. Ich bin froh, dass ich morgens nicht ganz so früh anfangen muss, wie viele andere in meinem Beruf. Außerdem habe ich durch meinen Arbeitgeber die Möglichkeit, mir immer eine Auszeit zu nehmen, wenn ich sie denn brauche.

Es gibt Tage, an denen ich wirklich verzweifelt bin. Gerade wenn ich merke, dass die Krankheit stärker ist als ich in dem Moment. Und dann kommt aber DER Morgen, wo es wieder besser ist und ich wieder kraftvoller bin. Manchmal habe ich Angst. Wenn ich abends mit Herzbeschwerden ins Bett gehe und nicht weiß, ob ich morgens wieder wach werde. Dann frage ich mich: Wann hat der da oben wohl für mich bestimmt, wann es Zeit ist zu gehen? Wenn die einfachsten Spaziergänge zur Herausforderung werden, weil meine Luftnot so groß ist. Dabei ist mein großes Ziel immer noch den Mammutmarsch mitzumachen.

Was sich aber nicht verändert hat, ist meine Einstellung zum Leben. Ich liebe mein Leben trotzdem genauso wie es jetzt ist. Ich hadere äußerst selten mit meinem Schicksal und hoffe einfach, dass es mir noch lange gut geht. Ich glaube, das ist mein „Geheimnis“.

Wie geht es dir aktuell?

Es ist okay. Es könnte besser sein, aber ich will nicht undankbar sein. Wer weiß, was heute wäre, hätte ich nicht gute Ärzte an meiner Seite. Ich kann arbeiten, kann verreisen, kann träumen und meinen Alltag gut bewältigen.

Was hat dich am meisten motiviert, weiter nach der Krankheitsursache zu suchen, obwohl es die chronische Erkrankung so schwer gemacht hat?

Meine Kinder waren meine größte Motivation und meine Lebenslust!

Wenn du auf die extrem lange Diagnosesuche zurückblickst, was war das Schönste und was das Schlimmste, was dir in der Zeit widerfahren ist?

Das man mir nicht geglaubt hat war mit Abstand das Schlimmste. Mich als Hypochonder hinzustellen oder auch als Mensch mit Münchhausen Syndrom. Da habe ich viel geweint. Schön war sicher, zu sehen wie sehr man geliebt wird in seinem Umfeld.

Was wünscht du dir in Bezug auf die EGPA?

Weitere Diagnostik und Forschung. Mehr Anlaufstellen. Mehr Unterstützung bei den Krankenkassen. Es gibt zum Beispiel bis heute keine Möglichkeit einer Dauerverordnung für Physiotherapien, weil diese Erkrankung nicht im „Katalog“ steht.

Schlusswort:
Abschließend denke ich immer das alles im Leben einen Sinn hat. Irgendwer wusste, dass wir mit dieser Krankheit gut umgehen können. Deshalb wurden wir ausgesucht. Wir dürfen nicht mit unserem Schicksal hadern, sondern es als Chance sehen, unser Leben selbst und anders zu gestalten. Nicht aufgeben, sich für seine Rechte einsetzten und „Ballast“ abwerfen.