
Die Geschichte von ela
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung Psoriasis Arthritis?
Alles begann recht unauffällig: Ich erwachte morgens mit steifen Händen, die nach ein paar Minuten Bewegung jedoch wieder beweglich wurden. Anfangs legte ich das unter «normale Alterserscheinungen» ab, doch mit der Zeit wurden die Symptome intensiver. Es folgten Gelenkschmerzen, die wechselnd auftraten – mal in den Knien, dann Schultern, im Rücken, den Fingern, oder Füssen … mein Körper spielte komplett verrückt. Nächtliche Schmerzen, die mich wachhielten, und eine Steifheit, die mittlerweile fast den ganzen Tag anhielt, wurden zu meinen ständigen Begleitern.
Eine der ersten Schwierigkeiten war, dass meine Symptome lange Zeit als psychosomatisch abgetan wurden, besonders weil meine Blutwerte unauffällig waren. Ärzte sagten mir, ich sei «viel zu jung für Schmerzen», «Einfach nur zu fett!» oder vermuteten Stress als Ursache. Das war unglaublich zermürbend, denn ich war mir sicher, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmte.
Ein weiterer Rückschlag war die Diagnose Fibromyalgie, die eher wie eine Verlegenheitslösung wirkte, weil man trotz Fortschreiten noch immer keine Entzündungsmarker im Blut fand. Heute weiss ich, dass wissenschaftlich bewiesen ist, dass viele Rheumatiker trotz aktiver Entzündungen normale Laborwerte haben und aufgrund dessen leider viel zu oft undiagnostiziert mit einem Rezept für Psychopharmaka nach Hause geschickt werden.
Der rettende Durchbruch kam erst Jahre später als man herausfand, dass meine ständige Ohrenentzündung Psoriasis im Gehörgang und mein hartnäckiger Nagelpilz in Wirklichkeit Nagelpsoriasis war. Von da an diagnostizierte man die Psoriasis Arthritis. Es sei dazu gesagt, dass 5 Prozent der Betroffenen zunächst die schmerzhafte Arthritis entwickeln und erst später die typischen Hautsymptome hinzukommen, was die Diagnosestellung oftmals sehr erschwert.
Wie hast du deine Diagnose aufgenommen? War dir, deiner Familie und Freunden klar, was Psoriasis Arthritis ist und was diese Diagnose bedeuten könnte?
Nein, niemand von uns wusste, was diese ominöse Diagnose „Psoriasis Arthritis“ wirklich für mein künftiges Leben bedeuten würde und so freuten wir uns zunächst von ganzem Herzen, dass die Suche endlich ein Ende hatte! Ich wurde vom Arzt weder persönlich aufgeklärt, noch erhielt ich Aufklärungsmaterialien. Ich begann den Internetdschungel zu durchforsten und fand andere Betroffene, die bereits Arthritis Profis waren. Durch sie begann ich die Krankheit zu verstehen und vor allem auch Lösungen zur Linderung von so manchem Symptom zu finden, worüber ich extrem dankbar war!
Wie sind die regulären Symptome einer Psoriasis Arthritis und wie äußert sie sich bei dir?
Ooh, die Liste der Symptome einer Psoriasis Arthritis ist wirklich lang. Ich weiss noch, dass ich anfangs oft dachte: “Was? Das kommt auch von der Psoriasis Arthritis? Das hätte ich nie gedacht!“ Die Krankheit verursacht Schmerzen, Schwellungen, Rötungen und Wärme in den Gelenken, wobei wichtig ist, dass anfangs auch „nur“ Schmerzen vorherrschen können und die anderen Symptome erst später hinzukommen. Entzündete Sehnen- und Muskelansätze werden oft fälschlicherweise mit den Tenderpoints der Fibromyalgie in Verbindung gebracht. Rückenschmerzen (insbesondere im unteren Bereich), Haut- und Nagelveränderungen, Erschöpfung, eine erhöhte Grundtemperatur und selbst Augenentzündungen können dazu gehören. Auch bringt die Krankheit ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen mit sich. Die Entzündungen können sogar das Gehirn betreffen und so Depressionen begünstigen, wenn die Arthritis nicht ausreichend medikamentös kontrolliert ist. Ich habe bei fast allen Symptomen zu laut „Hier!“ geschrien 😉 Da mein Körper im Laufe der Zeit immer wieder ein Schlupfloch gefunden hat die Medikamente auszutricksen oder manche keine ausreichende Wirkung zeigten, habe ich bereits 6 Rheumamedikamente ausprobiert, muss jedoch trotzdem täglich noch mit Cortison nachhelfen. Um die Chancen einer Remission zu erhöhen ist es wichtig, die Diagnose so früh wie möglich zu erhalten. Eine Heilung ist bisher noch nicht möglich, aber man kann sozusagen die Pausetaste drücken!
Welche Erfahrungen hast du in der Kommunikation mit Ärzten gemacht, seitdem du Stammgast in Praxen, Kliniken und medizinischen Zentren bist? Hast du Tipps, die du Betroffenen für ihren Umgang mit Ärzten geben kannst?
Uff, eine Frage, bei der ich erst einmal in mich gehen muss, wie ich es am diplomatischsten formuliere, da das Bild des engagierten Dr.House, das man anfangs vielleicht hat, doch eher der Fantasiewelt der Filmindustrie entspricht. Leider erleben sehr viele Betroffene Medical Gaslighting und auch der Gender Health Gap spielt in der heutigen Zeit noch immer eine Rolle. Obwohl Frauen häufigerer an Rheuma als Männer erkranken, werden sie im Schnitt wesentlich später diagnostiziert. Sie werden schnell als wehleidig und ihren Schmerz übertreibend angesehen. Ich empfehle deshalb dringend alle sichtbaren Symptome umgehend zu fotografieren und dem Hausarzt zu zeigen. Nicht, damit der Hausarzt hilft, sondern um die Symptome auch durch einen Arzt dokumentieren zu lassen. Ein Symptomtagebuch kann ebenfalls sehr hilfreich sein, um wichtige Zusammenhänge zu verstehen. Jeder Mensch ist anders und hat eigene Auslöser, die Schübe begünstigen können, seien es Wetterumschwünge, der weibliche Zyklus, bestimmte Lebensmittel oder Stress. Ein Zettel mit wichtigen Fragen an den Arzt, der Familien Anamnese, bereits gemachten Laboruntersuchungen, einer aktuellen Medikamenten- und Symptomliste und den Passwörtern für bereits angefertigte MRI-, Röntgen- oder Ultraschallbilder sollten ebenfalls nicht fehlen und bilden eine sehr gute Grundlage für ein effizientes Arztgespräch.
Wie verlief dein bisher schlimmster Schub und was konntest du machen, um da wieder einigermaßen rauszukommen?
Mein bisher schlimmster Schub war einer, bei dem ich zwar bereits ein Rheumamedikament einnahm, dieses jedoch nicht ausreichend wirkte. Die Schmerzen waren so unerträglich, dass ich über Wochen nur noch weinend auf der Couch lag. Selbst einfachste Dinge wie Zähne putzen oder Körperhygiene waren unmöglich, und ich musste schlussendlich ins Krankenhaus gebracht werden. Schübe können manchmal auch ohne eigenes Zutun selbständig abbrechen, worüber ich in diesem Fall sehr froh war.
Allerdings half es nicht gerade dabei vom zuständigen Chefarzt ernst genommen zu werden. Ein Schub wird durch so viele unterschiedliche Faktoren beeinflusst, dass ich, um ehrlich zu sein, kein Patentrezept für dessen Beendigung habe. Manchmal muss man leider einfach warten und versuchen, alle Stressfaktoren und möglichen Auslöser zu meiden.
In den Phasen zwischen den Schüben, ebenso wie in Schubphasen, ist es wichtig Kraft zu tanken, um bestmöglich auf den nächsten Schub vorbereitet zu sein, oder den bestehenden Schub gnädiger zu stimmen. Sanftes Aufbautraining, gesundes Essen, ausreichend trinken, Entspannungsübungen, das Verwenden von Hilfsmitteln, um die Gelenke zu schonen, soziale Kontakte pflegen, um nicht zu vereinsamen und alles liegen gebliebene Schritt für Schritt zu ordnen, ohne dabei in Stress zu verfallen sind essentiell wichtig. Andernfalls begünstigt man mit Pech den nächsten Schub oder intensiviert die bestehenden Symptome. Das Härteste, was ich lernen musste, war Geduld mit mir selbst zu haben, nachsichtiger mit mir zu sein und das manchmal Dinge auch einfach hintenüberfallen müssen. Wenn der Körper „STOP!“ ruft, heisst es Stop und nicht „Stell Dich nicht so an! Das muss jetzt noch unbedingt gemacht werden! Früher ging das schliesslich auch!“
Das sich Autoimmunkrankheiten auf die Psyche auswirken, kann sich jeder Mensch vorstellen. Wie stark warst oder bist du aktuell betroffen, was deine mentale Stabilität betrifft?
Es ist ganz normal und absolut verständlich, dass es Tage gibt, an denen man das Gefühl hat, keine Kraft mehr zum Kämpfen zu haben, am liebsten laut schreien und weinen möchte und ich finde es wichtig diese Gefühle auch zuzulassen. Ich versuche, sie dann jedoch zeitlich zu begrenzen. So sage ich meinem Mann zum Beispiel, dass ich jetzt 15 Minuten, 30 oder auch einen Tag *Mimimi Zeit“ brauche. In diesen Augenblicken, weiss er, dass ich mich einfach mal auskotzen muss, aber keine Ratschläge hören kann. Anschliessend bin ich wieder in der Lage, meine Krone zu richten und weiterzumachen. Tagesroutinen habe ich des Weiteren immer als sehr hilfreich empfunden, Pacing und bei Bedarf auch der Gang zu einem Psychiater oder Psychologen. Hilfe anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche und niemand kann immer alles alleine schaffen. Auch ich lasse mich mittlerweile von einem Psychiater begleiten, um die Erlebnisse mit Ärzten und Gutachtern aufzuarbeiten, die mir zugegebenermassen recht zugesetzt haben.
Auf deiner Website https://psoriasisarthritis.ch und deinem Instagram Account @psoriasisarthritis erzählst du nicht nur über dich und deine Autoimmunerkrankung, sondern hilfst Menschen mit superpraktischen Ratschlägen und Hilfsmitteln für den täglichen Gebrauch. Was hat dich bewogen, Website und Account zu starten?
Der Instagram Account entstand aus dem Wunsch heraus, ein paar Menschen den Diagnosemarathon etwas einfacher gestalten zu können, indem man aus meinen Fehlern lernt und diese umschiffen kann. Nie hätte ich gedacht, dass der Account irgendwann einmal so gross und die Themen so umfangreich werden würden. Aus diesem Grund habe ich mein Angebot durch die Homepage und auch einen Discord-Server erweitert. Auf der Homepage ist es einfacher nach Themen und Hilfsmittelempfehlungen zu suchen und der Discord-Server dient dazu energiesparend soziale Kontakte pflegen zu können, um Gefühlen der Einsamkeit entgegenzuwirken. Nichts ist so schön wie mit Menschen zu reden, die genau wissen, wie es einem geht. Wer Lust hat, sich sogar persönlich auf einen Kaffeeplausch zu treffen, kann sich in die Karte der RheumastreiterInnen eintragen lassen. Auf der Webseite befindet sich des Weiteren noch eine Sammlung von Ärzteempfehlungen von anderen Betroffenen, in der Hoffnung auch auf diesem Wege die Zeit bis zur Diagnose zu verkürzen.
So ein Instagram Account kostet Zeit, Nerven und Geld. Als Biologin und Betroffenen bringst du die besten Voraussetzungen mit, um Abläufe im Körper zu erkennen, zu verstehen, zu erklären und dann die richtigen Tipps zu geben. Wie viel kostet dich dein Account?
Darüber habe ich mir oft Gedanken gemacht, vor allem weil mein Energiehaushalt sehr begrenzt ist und ich seit langem nur noch 20 Prozent arbeiten kann. Es wirkte zunächst wie ein Widerspruch, dass ich den Instagram Account führen kann, während mir die Arbeit schwerfällt. Doch ich habe festgestellt, dass Tätigkeiten wie Grafikdesign und Fotografie, die ich vor meiner Erkrankung erlernt habe, automatisch ablaufen und weniger Energie kosten, während Neues, das nicht meinen natürlichen Fähigkeiten entspricht, deutlich anstrengender ist.
Auf Instagram spreche ich mit lieben Menschen über ihre und meine Erfahrungen, teile Tipps und helfe manchmal sogar dabei, Diagnosen zu ermöglichen oder Symptome zu lindern. Das positive Feedback gibt mir wahnsinnig viel zurück und zeigt mir, dass ich trotz allem etwas bewirken kann. Der Account ermöglicht mir ausserdem, energiesparend soziale Kontakte zu pflegen, was mir sehr wichtig ist, um nicht zu vereinsamen. Die Aufklärungsarbeit gibt mir somit mehr, als sie nimmt.
Lediglich die dreistellige finanzielle Belastung, die jeden Monat anfällt, bereitet mir mit der Herunterstufung meiner Arbeitsprozente ab Januar Kopfzerbrechen, weshalb ich schweren Herzens einen Patreon Account ins Leben gerufen habe in der Hoffnung mein Angebot auch 2025 weiter aufrecht halten zu können. Programme, die mir das Schreiben abnehmen, indem ich diktieren kann oder voll automatisiert Informationen an die Follower versenden, sind bei den für meine Verhältnisse mittlerweile hohen Followerzahlen anderweitig gar nicht stemmbar. Ich drücke somit die Daumen, dass ich es schaffe die Webseite, den Discord-Server und alles was dazu gehört beibehalten zu können.
Wie stark prägt dich deine Autoimmunerkrankung heute?
Sie ist fester Bestandteil meines Tagesablaufes und ein stetiger unsichtbarer Begleiter. Ich sage immer, dass ich Beifahrerin meines eigenen Körpers bin, da er bestimmt, wann ich die Kraft habe Zähne zu putzen, Haare zu waschen oder arbeiten kann. Wenn ich versuche, krampfhaft ins Lenkrad einzugreifen, um meinen Willen durchzusetzen und nach links statt rechts zu fahren, bauen wir einen Crash. Ich musste deshalb lernen, dass es nicht immer unbedingt in die gewünschte Richtung geht, ich jedoch eines immer bestimmen kann: nämlich welche Musik läuft!
Wie siehts bei dir mit der Arbeit aus? Welchen Herausforderungen musst du dich stellen? Hast du einen Behindertenausweis oder eine Bescheinigung, um unterstützt zu werden?
Die Herabstufung meiner Arbeitsprozente habe ich ja bereits angesprochen und meine Anträge auf Invalidenrente wurden bisher stets abgelehnt. Mein Arbeitgeber hingegen ist unfassbar toll und möchte mich trotz aller Hürden behalten, obwohl sie mir rein rechtlich bereits seit längerer Zeit problemlos hätten kündigen können. Dafür bin ich extrem dankbar! Auch habe ich eine wundervolle Familie, eine traumhafte Casemanagerin bei meiner Krankenkasse und mittlerweile auch eine Rechtsvertretung, die den Kampf mit der Invalidenrente für mich austrägt, was ich alleine gar nicht schaffen würde. Ich hoffe jedoch, dass ich das Kapitel Invalidenrente möglichst schnell wieder hinter mir lassen und auf eigenen Beinen stehen kann.
Was sind deine größten Hürden im Alltag, bezogen auf die PsA?
Unsere ganze Wohnung ist auf die Krankheit ausgerichtet und mein Mann hilft mir so viel er kann. So liegen am Bett bereits alle Dinge für die morgendliche Aktivierung von Medikamenten, etwas zu trinken, Terrabänder für Physioübungen, ein TENS-Gerät zur Linderung der Schmerzen, ein XXL-Stillkissen zur nächtlichen Lagerung und auch eine Urinflasche, falls ich einen besonders schlechten Tag haben sollte. Im Bad ist dann die nächste Station. Auch hier liegt stets alles von der Nasendusche aufgrund meiner chronischen Sinusitis bis hin zur Lidrandhygiene wegen der Sicca Symptomatik bereit. So hangel ich mich von Raum zu Raum und erledige die notwendigen Routinen, um den Symptomen Herr zu werden oder diese zumindest zu minimieren. Eine App erinnert mich täglich an alle Schritte, da mittlerweile mein Gedächtnis mehr Löcher als ein schweizer Käse hat. Wichtig ist es flexibel zu bleiben, denn jeder Tag ist anders, aber dank vieler Hilfsmittel, bin ich auf alles vorbereitet. Es fiel mir schwer, Hilfe von meinem Mann bei den täglichen Routinen anzunehmen, aber inzwischen sind wir ein eingespieltes Team. Auch in Situationen, in denen er mir zum Beispiel beim Zähneputzen oder unter der Dusche hilft.
Welche Dinge gibt es, die du früher gerne und viel gemacht hast, die jetzt schwieriger sind? Gibt es Alternativen für dich oder Hilfsmittel, die Alternativen gar nicht erst erforderlich werden lassen?
Ich habe es früher geliebt zu fotografieren, zu reisen, auswärts Leute zu treffen, Theater zu spielen und mit dem Kleinen zu joggen. Heute bin ich dankbar, wenn ich in der Wohnung auf geradem, festen Boden meinen Alltag stämmen kann. Hilfsmittel sind dabei das oberste Gebot und eine riesige Erleichterung, die Vieles wieder möglich macht, oder zumindest erleichtert. Mein Treppensteigerrollstuhl sorgt dafür, dass ich die Wohnung verlassen kann, wenn genügend Energie vorhanden ist. Küchenhilfsmittel ermöglichen es mir, manchmal selbst zu kochen. Dank eines Badewannensitzes kann ich je nach Tagesform auch mal alleine duschen und vieles mehr. Eine Menge kreativer Menschen haben wirklich tolle Sachen erfunden, so zum Beispiel einen Becher, aus dem man trinken kann, ohne den Kopf in den Nacken legen oder den Arm heben zu müssen! Was mich entlastet, oder von Community Mitgliedern wärmstens empfohlen wird, stelle ich deshalb auf meiner Homepage vor. So muss niemand das Rad neu erfinden.
Welche Top 3 Hilfsmittel sind deine Empfehlungen für PsA-Betroffenen?
Puh, sich bei so vielen tollen Hilfsmitteln auf nur 3 zu beschränken ist herausfordernd ☺
Definitiv würde ich niemals auf meinen Scewo Bro Treppensteigerrollstuhl verzichten wollen, da ich zeitweise kaum allein laufen kann. Leider werden Rollstühle meiner Meinung nach jedoch viel zu selten verschrieben aus Angst, dass die Patienten zu faul werden könnten, aber wer sitzt schon lieber im Rollstuhl als zu laufen? Der Rollstuhl nimmt mir alle Strecken und Hürden ab, die ich sonst nicht schaffen würde und sorgt dafür, dass ich meine körperlichen Grenzen in diesem Punkt perfekt einhalten kann. Dadurch konnte ich meine Entzündungen in den Knien und Füssen massiv reduzieren und meine Schrittzahl verdoppeln! Ein Rollstuhl mobilisiert somit und schränkt (zumindest mich) nicht weiter ein!
Dann fällt es mir mit entzündeten Händen sehr schwer Flaschen zu öffnen, weshalb ich hier auf meinen Easy-DrehFix zurückgreife, der ohne viel Kraftaufwand und vor allem ohne Zusammendrücken der Öffnungshilfe Drehverschlüsse aller Art von Wasser, über Saft bis hin zu Öl öffnet und spülmaschinenfest ist. Ich mag Hilfsmittel, die nicht nach Krankenhaus aussehen.
Eine riesige Entlastung mit zwei Kids im Haushalt ist des Weiteren unser Saug- und Wischroboter, den ich ebenfalls nie wieder missen möchte.
Wie reagiert die Öffentlichkeit, wenn du als junge, hübsche, gut gebildete Frau auf deine Erkrankung hinweist?
Oha, das sind ja grosse Worte. Es braucht ehrlich gesagt ganz schön viel Vorbereitung, um dieser Beschreibung einigermassen gerecht werden zu können, aber auch hier kann man zum Glück mit Hilfsmitteln wie Lockenbändern und Make up viel tricksen. Hier kommt mir mein früherer Job als Fotografin und Make up Artistin sehr zu Gute. Es ist somit nicht alles Gold was glänzt, weshalb ich mich auch immer mal wieder vollkommen ungeschminkt, schlecht ausgeleuchtet und ungeschönt zeige.
Die Öffentlichkeit reagiert bisher sehr offen und positiv. Die grösste Hürde sind tatsächlich Ärzte, die mich selten ernst nehmen, wenn ich Wert darauflege, der Krankheit nicht auch noch die Oberhand über mein Aussehen zu geben.
Ich vermute man würde mich ernster nehmen, wenn ich in zerknitterten Klamotten, fettigen Haaren und ungeschminkt zum Termin erscheinen würde, aber Frauen haben so viele Jahrhunderte dafür gekämpft, selbst bestimmen zu dürfen, was für Kleidung sie tragen und ob sie sich schminken möchten oder nicht, dass es mich ehrlich gesagt wütend macht, dass ich quasi schon gezwungen bin, mein Selbstwertgefühl und das was mir gut tut über Bord werfen zu müssen, um adäquat behandelt zu werden. Ich empfinde das ehrlich gesagt als erniedrigend und falsch.
Wie geht es dir aktuell? Welche Medikamente nimmst du gerade oder hast du genommen?
Puh, die Liste ist recht lang. Ich nehme Medikamente gegen den
- starken Juckreiz der Psoriasis,
- hohen Blutdruck,
- Nachtschweiss,
- zur Speichelproduktion,
- einen Magenschutz,
- ein Biologikum für die Augen in Tropfenform
- cortisonhaltiges Nasenspray gegen die Sinusitis
- Entzündungshemmer
- Pflaster gegen Entzündungen / Schmerzen
- Bei Bedarf Lactase- und DAO-Tabletten gegen Lactose- und Histaminintoleranz, wenn ich auswärts essen muss
- Je nach Schmerzintensität stehen 3 verschiedene Schmerzmittel zur Auswahl
- und selbstverständlich ein Basis- und Rheumamedikament in voller Dosis.
An manchen Tagen müssen Medikamente gegen Übelkeit, Erbrechen und kolikartige Krämpfe herhalten und dabei habe ich bestimmt noch irgendwas vergessen aufzuzählen. Ich bin somit sehr dankbar in der heutigen Zeit und nicht im Mittelalter geboren worden zu sein!
Hast du bereites alternativen Heilmitteln ausprobiert?
Ja, als Diplom Biologin waren mein Steckenpferd Heilpflanzen, so dass ich dies noch immer mit einfliessen lasse. Gegen den Nachtschweiss hilft mir zum Beispiel die Silbertraubenkerze sehr gut und auf entzündete Gelenke trage ich sehr gerne eine Salbe aus Weihrauch auf, die eine Freundin in liebevoller Handarbeit herstellt.
Wovon ich dringend abrate, ist all den Heilungsversprechen zu glauben, die mit der Verzweiflung und Angst der Leute vor den Biologika spielen. Heilpflanzen sind eine wunderbare Ergänzung, die hier und da etwas Linderung verschaffen können, aber sie sind kein Heilmittel für Arthritis und auch nicht stark genug, wenn die Symptome wirklich aufdrehen.
Was wünscht du dir in Bezug auf dein Autoimmunerkrankungen?
Das sie hoffentlich irgendwann heilbar sind, oder zumindest das Verständnis von Autoimmunkrankheiten so sehr wächst, dass Betroffene schneller diagnostiziert und nicht immer wieder in der Beweispflicht sind, dass sie wirklich krank sind. Die Krankheit kann mit Pech einen grossen Einfluss auf das eigene Leben haben, aber schlimmer als das ist die Art und Weise wie man mit einer nicht sichtbaren Krankheit behandelt wird.
Dein Schlusswort:
Ich weiss, wie kräftezehrend der Diagnosemarathon, der Kampf um Hilfe und die Krankheit selbst sein kann, aber Du bist nicht alleine! Nimm Kontakt zu anderen Betroffenen auf, oder schreibe mir sehr gerne. Gemeinsam ist alles ein ganzes Stück einfacher!
Und an alle Ärzte hätte ich zum Schluss die Bitte, Ihre Patienten ernst zu nehmen, insbesondere wenn man die Symptome selbst nicht zuordnen kann. Wir sind alle nur Menschen und können nicht immer alles wissen. Ein „Ich weiss leider nicht was Ihnen fehlt, aber ich nehme ihre Symptome ernst und wir werden gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden!“ ist unbezahlbar! Überweisen Sie ihre Patienten an einen Kollegen oder eine Kollegin, die des Rätsels Lösung vielleicht wissen könnte, anstatt die Symptome vorschnell auf die Psyche zu schieben. Das wäre wirklich fantastisch!
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