„NIK

Sjögren Syndrom: Die Geschichte von Pia

Bild zur Mut Mach Geschichte Sjögren Syndrom von Pia

Name: Pia
Alter: 32
Diagnose: Sjögren Syndrom, Diagnose (2022)

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnose Sjögren-Syndrom?

Die Symptome gingen kurz nach der Geburt meines Kindes los. Es war zu Beginn sehr schwer einzuordnen. Ich hatte Muskelschmerzen und Missempfindungen. Dazu kam Erschöpfung und ich war plötzlich sehr sonnenempfindlich. All die Symptome kamen quasi zeitgleich mit der Diagnose „Schwangerschaftsosteoporose“ und so wurde das erstmal damit erklärt. In dem Moment als mir klar wurde, dass das nichts mit der Osteoporose zutun haben kann, hab ich nicht mehr locker gelassen. Von den ersten Symptomen bis zu Diagnose hat es ein halbes Jahr gedauert.

Wie war es für dich und deine Angehörigen, als du die Diagnose erfahren hast? War euch klar, was das für die Zukunft bedeutet?

Ich war anfangs total überfordert. Ich war noch mit der anderen Diagnose beschäftigt und schon war da die Nächste. Und mittendrin noch mein Baby. Es hat ne ganze Weile gedauert, das zu realisieren und mich zu sortieren. So eine systemisch, rheumatische Autoimmunerkrankung ist so schwer zu greifen. Seit ich selbst klarer in meinem Umgang bin, ist der Umgang auch einfacher für mein Umfeld. Ich hatte von Anfang an so viel Rückhalt von Familie und Freund*innen, darüber bin ich sehr dankbar!

Das Sjögren-Syndrom ist vom Namen her weniger bekannt als andere rheumatische Erkrankungen. Welche Symptome gibt es im Allgemeinen gibt und welche hast du im Speziellen?

Als die Verdachtsdiagnose „Sjögren“ das erste Mal fiel, hatte ich überhaupt keine Ahnung, was das ist. Typische Sjögren-Symptome sind trockene Augen und trockener Mund. Auch Fatigue, Gelenk- und Muskelschmerzen kommen sehr häufig vor. Diese Symptome sind mir nicht unbekannt, aber ich hab vor allem mit Sehnenentzündungen, Missempfindungen (periphere Neuropathie) und Brain Fog zutun.

Wie weit fortgeschritten und wie aggressiv ist dein Sjögren?

Zu Beginn waren die Symptome sehr ausgeprägt. Seit der Basismedikamention geht es mir insgesamt deutlich besser. Gleichzeitig gibt es kaum einen Tag an dem kein Symptom zum Vorschein kommt. Ich komme in der Regel ganz gut durch den Alltag. Es gibt eben gute und weniger gute Tage. Ich kenne meine körperlichen Grenzen mittlerweile ziemlich gut und habe einen Weg gefunden, damit umzugehen.

Kannst du einschätzen, wie die Forschung beim Sjögren-Syndrom aussieht? Hast du das Gefühl, es gibt für dich eine gute Auswahl an Therapiemöglichkeiten?

Die Basismedikamention funktioniert sehr gut für mich. Wir sind grad auf der Suche nach einer weiteren Option, um meine Symptome auf ein noch niedrigeres Level zu bringen. Es wird aktuell viel zu Sjögren geforscht und es soll in den kommenden Jahren noch mehr Therapiemöglichkeiten geben.

Welche Tipps kannst du uns in Bezug auf Ärzte und die Kommunikation mit ihnen geben?

Mittlerweile bin ich von tollen Ärzt*innen umgeben. Fühlst du dich nicht gut aufgehoben, solltest du dich bei einer chronischen Erkrankung unbedingt nach einem anderen Facharzt*in umsehen, auch wenn das viel Geduld erfordert, denn diese begleiten dich langfristig und du brauchst eine Vertrauensbasis. Mir hilft es sehr, mich auf meine Termine vorzubereiten. Ich schreib mir vorher nen Zettel oder tippe mir die wichtigsten Punkte in mein Handy, damit ich nichts vergesse.

Autoimmunerkrankungen sind starke Einschnitte ins Leben und für die Psyche nicht immer leicht zu verdauen – nicht für einen selbst und manchmal auch nur schwer für Partner, Freunde oder Verwandte. Was tust du, für deine mentale Gesundheit, um mit dem Sjögren-Syndrom und der Osteoporose klarzukommen und nicht durchzudrehen? Und was tun deine Liebsten für ihre Seele?

Mir hat gleich zu Beginn eine Psychotherapie geholfen, mich zu sortieren. Die Erkenntnis um all das trauern zu dürfen, was nicht oder nur noch eingeschränkt möglich ist, war besonders befreiend. Ich habe kurz nach der Sjögren-Diagnose angefangen, auf Instagram über meinen Alltag mit Rheuma und Osteoporose zu schreiben. Dort haben meine Gedanken und Erlebnisse rund um meine chronischen Erkrankungen nun quasi ihren eigenen Raum. Der Austausch mit anderen Betroffenen tut daneben unglaublich gut und gibt mir das Gefühl, nicht allein damit zu sein.
Meine Familie und Freund*innen waren mir zu jeder Zeit eine sehr wichtige Stütze. Es ist wichtig, dass jede*r seine Grenzen kommunizieren darf.

Vor drei Jahren bist du Mama geworden. Herzlichen Glückwunsch zu deinem kleinen Engel 🙂 Durch eine Schwangerschaftsosteoporose hast du dir mehrere Wirbel gebrochen. Ist eine Wechselwirkung zwischen deinem Sjögren und der Osteoporose festzustellen oder sind die Erkrankungen autark voneinander?

Meine Ärzt*innen sind sich sicher, dass es da keinen Zusammenhang gibt. In meiner Rheumabehandlung muss die Osteoporose immer Berücksichtigung finden, da es auch Rheumamedikamente mit der Nebenwirkung „Osteoporose“ gibt.

Wie sieht ein typischer Tag mit dem Sjögren-Syndrom bei dir aus? Wann macht es dir die Autoimmunkrankheit besonders schwer? Welche Tipps und Tricks hast du schon entwickelt, damit es besser geht?

Die Unvorhersehbarkeit der Symptome. Es fällt mir nicht immer leicht, eine Verabredung/ Veranstaltung o.Ä zu verschieben/abzusagen, weil es die chronische Erkrankung nicht zulässt. Glücklicherweise kam das in letzter Zeit eher selten vor. In der Regel findet sich eine Lösung. Ich war nie zuvor kreativer 😊

Wie schaffst du es, dich jeden Tag neu zu motivieren, obwohl du Einschränkungen und Schmerzen hast?

Das Vertrauen, dass es gute und schlechte Tage gibt. Auf einen schlechten Tag folgt immer irgendwann wieder ein guter Tag.

Welche Therapien hast du schon ausprobiert oder machst du evtl. gerade eine? Was hat dir bis jetzt geholfen und was nicht?

Ich mache seit Beginn der Diagnosen zweimal wöchentlich Physiotherapie. Meine Psychotherapie ist bereits abgeschlossen. Und demnächst beginnt eine Osteopathie-Behandlung, auf die ich mich sehr freue!

Hast du bereits alternative Therapien ausprobiert?

Ich hab schon allerhand ausprobiert. Ich habe das Nordic Walken begonnen, meine Ernährung umgestellt, verschiedene Formen von Mediation getestet. Zuletzt hab ich das Sticken für mich entdeckt. Wenn ich sticke, kann ich alles um mich herum vergessen. All das hilft mir auf unterschiedliche Weise, besser durch den Alltag zu kommen.

Auf deinem Insta-Account @syn.chronisch sieht man dich mit deiner Familie beim Campen. Welche Anpassungen gibt es bei dieser Art Ferien für dich/euch seit deinen Diagnosen?

Wir fahren keine weiten Strecken für unser nächstes Campingziel und wir suchen uns ein schattiges Plätzchen. Wenn ich in einem Schub stecke, ist das Campen weniger aktiv oder ich klinke mich (tageweise) aus. In unserem letzten Heide-Campingurlaub sind wir einen Abend an das nächstgelegene Heidefeld herangefahren und haben eine Minirunde bei Sonnenuntergang zu Fuß gedreht. Herrlich war das!

Und was hat es mit der Sonne auf sich, die du nicht mehr so gut verträgst?

Sonne (UV) löst bei mir Schübe und Hautausschläge aus. In den Sommermonaten sind meine Symptome deutlich intensiver als im Winter. Trotzdem lieb ich den Sommer – der Sonne bleib ich aber weitestgehend fern. Die Sonnenunverträglichkeit war eines meiner ersten Sjögren Symptome, wobei sich die Ärzt*innen uneins sind, ob es tatsächlich vom Sjögren kommt oder noch etwas anderes dahinter steckt. Ich lasse mich überraschen.

Wie geht es dir aktuell?

Aktuell ist es ein auf und ab. Es ist Sommer und die intensiveren Schübe allgegenwärtig. Aber ich komme gut damit zurecht und es gibt noch ausreichend Behandlungsoptionen.

Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?

Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit für eine unsichtbare, chronische Erkrankung wie Sjögren.

Schlusswort:
take your time! Mit der Diagnose steht das Leben gern erstmal Kopf. Hab Vertrauen, tausch dich aus, werd’ Ex