Name: Sarah
Alter: 33
Diagnose: Sjögren Syndrom, Diagnose (Januar 2022), reaktive Arthritis (Juli 2023)
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Rheuma-Diagnose Sjögren-Syndrom? Gab es Besonderheiten oder Schwierigkeiten?
Die ersten Symptome begannen Ende 2020 mit Nachtschweiß, Übelkeit und Abgeschlagenheit. Im Rückblick betrachtet eigentlich auch mit trockenen Augen und Nasennebenhöhlenentzündungen, aber die habe ich damals nicht in Zusammenhang mit einer chronischen Erkrankung gebracht. Außerdem ist mir aufgefallen, dass ich beim Joggen — ich war früher sehr viel und lange joggen — abgeschlagen und aus der Puste war, so als wäre ich dauerhaft erkältet. Ich bin dann zu meiner Hausärztin gegangen, der Auftakt einer unfassbar langen Odyssee, da man weder im Blut noch bei diversen Untersuchungen etwas finden konnte.
Dieses Gesuche nach einer Diagnose war für mich persönlich sehr belastend, weil ich intuitiv gespürt habe, dass mit mir etwas nicht stimmt und dass ich mir das nicht nur einbilde, wie es mir im Laufe der Zeit häufiger suggeriert wurde. Im Juli 2021 lag ich sogar in einer Rheumaklinik, und auch dort konnte keine Diagnose gestellt werden.
Dort fiel vermehrt die Aussage, die Symptome könnten auch psychosomatisch bedingt sein. Das war der Moment, in dem ich mit mir selbst den Deal gemacht habe, dass ich selbst herausfinden werde, was mir fehlt. Wenn mir die Ärzte nicht helfen können, helfe ich mir selbst.
Im Januar 2022 wechselte ich zu meiner neuen Hausärztin, die mich von Anfang an ernst nahm, und wir haben noch mal intensiv recherchiert. Im Mai 2022 landete ich dann noch mal in der Rheumatologie im Universitätsklinikum.
Das Gespräch mit der dortigen Rheumatologin war der absolute Tiefpunkt. Aussagen wie „Sie wissen ja, dass wir bereits alles an Diagnostik durch haben und dass das sehr für etwas Psychosomatisches spricht“ und „ob es im Urlaub besser wird“ oder „dass wir noch mal Blutwerte nehmen können, aber da sowieso nichts rauskommt“ haben mich wirklich zur absoluten Verzweiflung gebracht. Ich bin aus der Ambulanz raus und habe erst mal eine Stunde so entsetzlich geweint, weil ich mich nie in meinem Leben so hilflos gefühlt habe.
Der Tiefpunkt war aber auch ein Wendepunkt, denn die Ärztin hat mir entscheidende Fragen gestellt, wie beispielsweise, ob ich häufig Nasennebenhöhlenentzündungen habe oder trockene Augen. Ich habe jeden Tag stundenlang recherchiert. Außerdem war bei der Blutuntersuchung ein Wert nicht in Ordnung, der mit dem Sjögren-Syndrom in Zusammenhang gebracht wird. Mit diesen Erkenntnissen habe ich mir dann einen Termin bei einem Augenarzt und einer HNO-Ärztin gemacht, die beide trockene Schleimhäute nachweisen konnten. Damit bin ich dann noch mal zu meiner Hausärztin und meinte, sie solle mich bitte auf Sjögren testen. Meine HNO-Ärztin und meine Hausärztin standen beide hinter mir, und nach einer Lippenbiopsie, die auch den Verdacht erhärtete, kam ich über Vitamin B zu meinem heutigen Rheumatologen, der dann die endgültige Diagnose stellen konnte. Normalerweise dauert die Diagnosestellung viele Jahre, teilweise sogar Jahrzehnte; bei mir waren es „nur“ zwei Jahre, weil ich selbst in die Verantwortung gegangen bin.
Wie war es für dich und deine Angehörigen, als du die Diagnose erfahren hast? War euch klar, was das für die Zukunft bedeutet?
Für mich persönlich, und ich denke auch für meine Familie, war vor allem der Weg bis zur Diagnose sehr hart, weil ich extrem unter der Ungewissheit, der Hilflosigkeit und der Diskrepanz zwischen dem Gefühl „da stimmt etwas nicht“ und „die Ärzte wissen nicht, was es ist, und sagen sogar teilweise, dass es psychosomatisch ist“ gelitten habe.
Zum Glück hatte ich bis auf eigentlich nur eine Ausnahme immer Menschen um mich herum, die wussten, dass ich mit meiner Einschätzung, dass da etwas nicht in Ordnung ist, recht habe. Daran wurde auch nie gezweifelt, was mir sehr den Rücken gestärkt hat.
Die Diagnose war für meine Familie und insbesondere für mich eher eine große Erleichterung, weil es mir gezeigt hat, dass ich mich auf mich und mein Körpergefühl verlassen kann. Meine langjährige Beziehung hat die Zeit bis zur Diagnosefindung leider nicht überstanden, weil es für uns beide zu belastend war. Manchmal glaube ich auch, für Angehörige ist es fast noch schlimmer als für einen selbst.
Ich bin Realistin und ich weiß, dass Rheuma viele Gesichter haben kann, deshalb würde es mich jetzt auch nicht schocken, wenn irgendwann herauskommt, dass da doch möglicherweise noch eine andere Erkrankung dahintersteckt, die das Sjögren-Syndrom auslöst. Dieses kann nämlich primär auftreten, also als eigenständige Erkrankung, oder sekundär, und die Primärursache ist dann eine andere Erkrankung, beispielsweise Lupus. Aber Aufmerksamkeit folgt der Energie, und ich möchte nicht in düsteren Szenarien an meine Zukunft denken, denn es kann auch ganz anders kommen, und dann hätte ich meine Energie damit verschwendet, irgendwelche hypothetischen Horrorszenarien durchzuspielen, von denen ich gar nicht weiß, ob sie eintreten.
Welche Auswirkungen hat das Sjögren-Syndrom bei dir im Speziellen?
Ich habe das Glück, dass mein Sjögren-Syndrom gerade ziemlich gnädig ist. Am deutlichsten merke ich die Symptome in der zweiten Zyklushälfte, meistens durch Nachtschweiß, Schlafstörungen, Abgeschlagenheit, Übelkeit und trockene Augen.
Wie weit fortgeschritten und wie aggressiv ist dein Sjögren-Syndrom? Was ist dein Ist-Zustand und was könnte in den nächsten Jahren noch auf dich zukommen? Hast du das Gefühl, es gibt für dich gute Therapiemöglichkeiten?
Mein Sjögren-Syndrom ist, da ich es recht früh diagnostiziert habe, noch am Anfang und bisher auch nicht so aggressiv. Wie gesagt, ich denke nicht darüber nach, was auf mich zukommen könnte, da es ja sein kann, dass Medikamente gefunden werden, die die Erkrankung heilen können oder dass es einfach zum Stillstand kommt oder am Ende doch eine andere Erkrankung dahintersteckt — und dann sieht die Sachlage wieder ganz anders aus. Von den klassischen schulmedizinischen Medikamenten bin ich bisher eher nicht so überzeugt; ich habe acht Wochen lang Quensyl genommen und hatte richtig doll Ausschläge, deshalb bin ich die ganze Zeit eigentlich in Absprache mit meinem Rheumatologen ohne Medikamente ausgekommen.
Aktuell sind die Ärzte bei dir auf dem Weg zu einer zweiten Diagnose — wahrscheinlich handelt es sich um reaktive Arthritis. Wie äußert sich diese Krankheit bei dir?
Die Geschichte ist noch komplizierter. Ich habe über Nacht unfassbar dicke Gelenke bekommen und hatte Schmerzen, dass ich wirklich dachte, ich halte es nicht aus. Es wurde dann so schlimm, dass ich in die Notaufnahme gebracht wurde, weil der Verdacht bestand, dass ich mir Bakterien eingefangen habe — insgesamt lag ich fast acht Wochen in drei Krankenhäusern.
Ich habe offensichtlich ein Faible für seltene Krankheiten (es wäre dann die dritte, aber Nummer eins konnte erfolgreich operiert werden), es passen einige Sachen nicht — nämlich, dass ich auf alle Rheumamedikamente, u.a. Cortison und MTX, gar nicht reagiere und es darunter sogar schlechter wird.
Witzigerweise ist bei dieser Erkrankung mein Gefühl genau konträr zu meinem Weg zur Diagnose des Sjögren-Syndroms. Damals hatte ich recht schnell im Gefühl, dass ich Rheuma haben könnte, obwohl viele Ärzte gesagt haben, da sei nichts. Aktuell sagt mein Gefühl, dass da irgendetwas möglicherweise etwas anderes dahintersteckt, was die Ärzte aber nicht kennen, da ich mich auch eine Woche, bevor die Entzündungen losgingen, ganz doll im Meer am Fuß geschnitten hatte und diese Stelle bis heute entzündet ist … aber da man keine Erreger in den Kulturen nachweisen kann, gehen die Ärzte davon aus, dass es Rheuma ist — obwohl ich völlig atypisch reagiere für eine reaktive Arthritis.
Aktuell äußert sich die Erkrankung „nur“ in Gelenkentzündungen, in den Händen, den Knien und im Fuß. Kurzfristig kann man damit leben, langfristig, meint der Arzt, würden die Gelenke kaputtgehen, wenn es so bleibt. Ich bin da aber eher gechillt, weil mir auch hier Horrorszenarien überhaupt nicht helfen, konstruktive Lösungen zu finden.
Wie hast du konkret gemerkt, dass da noch eine weitere Krankheit in dir schlummert?
Zunächst hat es sich angefühlt wie eine allergische Reaktion, und dann ging es ziemlich schnell: Erst wurde eine Hand rot und dick, dann die zweite, dann das Knie und dann der Fuß.