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Sklerodermie: Die Geschichte von Laura

Bild zur Mut Mach Geschichte Limitierte Sklerodermie von Laura

Name: Laura Knöll
Alter: 32
Diagnose: Limitierte Sklerodermie (Anfang 2020)

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?

Raynaud-Phänomen. Was für ein Phänomen?! Tja, jahrelang hat nie Arzt mal etwas zu meinen weißen Fingern gesagt. Mit 25 Jahren nach Absetzen der Pille fing es bei mir an: zunächst im Winter. Die Finger wurden weiß, steif, taub und vor allem schmerzhaft beim „wieder auftauen“. Ich habe mir nie etwas dabei gedacht, bis es Jahr für Jahr schlimmer wurde. So schlimm, bis ich im Supermarkt vor den Kühlregalen Anfälle hatte, keine kalten Lebensmittel mehr aus dem Kühlschrank nehmen konnte, im etwas kälteren See schwimmen konnte oder bei 18 Grad und Wind mittlerweile nicht mehr nur weiße Finger, sondern faktisch direkt blaue Finger bekommen habe. Zitat meines Hausarztes damals: Gehen Sie doch mal ein wenig Bouldern, um die Durchblutung der Finger zu fördern (Fun Fact: diesen Hausarzt gibt es für mich nicht mehr). Irgendwann schickte mich eine andere Hausärztin endlich mal zu einer Rheumatologin (größte Herausforderung: Termin bekommen), die mir prompt Quensyl als Basismedikament verschrieb, nur leider zu einer von ihr diagnostizierten „undifferenzierten Kollagenose“ nichts weitersagte, als mir Infopapier zum Medikament zu geben. Dementsprechend habe ich das Medikament nicht genommen. Im Winter 2019/2020 hatte ich vermehrt Schmerzen an den Fingerkuppen und unter meinen Nägeln zeichneten sich leichte schwarze Striche ab. Ich konnte fast nichts mehr ohne Schmerzen anfassen, kein Glas aus dem Schrank nehmen oder sonstige Tätigkeiten, in denen ich auch nur leicht an die Fingerkuppen gestoßen habe (by the way: Fingerspitzengefühl kommt nicht von ungefähr, Millionen kleine Nerven und Kapillaren, die äußerst empfindlich sind). Nach wiederholter Vorstellung bei der Hausärztin klingelten letztlich auch dort die Alarmglocken und zack, am nächsten Tag fand ich mich stationär im Krankenhaus wieder. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits Nekrosen an den Fingerkuppen (ausgelöst durch dauerhafte Nichtdurchblutung). Aus diesem Grund bekam ich täglich eine Illomedin Infusion, die die Gefäße erweitern und die Durchblutung fördern soll. Gleichzeitig wurde ich durchgecheckt und zunächst weiterhin mit einer „undifferenzierten Diagnose“ entlassen. Zwei Monate später kam ich wieder ins Krankenhaus und durch eine Kapillarmikroskopie wurde schließlich die Diagnose „limitierte Sklerodermie“ diagnostiziert. Mittlerweile ist die limitierte Form in eine diffuse Form verändert worden, da leider immer noch das Risiko einer Organbeteiligung besteht.

Wie war es dann, als du die Diagnose erfahren hast? Was hat die Diagnose bei dir ausgelöst?

Mein erster Gedanke, nachdem ich natürlich klassischerweise gegoogelt habe: ich werde sterben! Turns out: werde ich natürlich nicht so schnell. Natürlich wurde mir wieder nur ein Informationsblatt über ein Medikament in die Hand gedrückt, ohne weitere Erklärungen, und ich sag mal so: das Medikament könne zur Unfruchtbarkeit führen und man dürfe auf keinen Fall schwanger werden. Naja, ich war 29 Jahre. Aber das interessierte in meinem Fall natürlich niemanden. Grundsätzlich war ich mit der ganzen Situation maßlos überfordert (bis zu dem Zeitpunkt hatte ich noch NIE körperliche Beschwerden, geschweige denn, musste ins Krankenhaus), ich hatte Angst und weinte eigentlich durchgehend in dem Unwissen, was diese Erkrankung eigentlich bedeutet und mit sich bringt.
Nicht wirklich zuträglich zur Situation, lag noch eine Frau in meinem Zimmer, die bei meinem zweiten Aufenthalt eine Amputation der Unterschenkel hinter sich hatte (bei meinem ersten waren sie noch dran) und da meine Finger auch ziemlich übel aussahen, schürte dies meine Angst ins Bodenlose und riss mich in die dunkelsten Gedanken über meine Hände.

Wie hat deine Familie reagiert?

Zunächst einmal: meine Familie ist noch heute die allergrößte Unterstützung, die ich mir wünschen kann. Meine Eltern haben mich von der akuten Krankenhausaufnahme an jeden Tag besucht und mir Gesellschaft geleistet. Meine Schwester würde ihr letztes Hemd für mich geben und mir jede erdenkliche Behandlung bezahlen und mein Bruder hat mich in der ersten Zeit vor allem in alltäglichen Dingen unterstützt, da er als Einziger auch in Köln wohnt. Sei es Kartoffeln schälen, Brot schneiden oder andere Tätigkeiten, die mir Schmerzen in den Händen bereitet haben. Erst da habe ich festgestellt, wie sehr wir doch unsere Hände benötigen… bei einfach allem.

Wir haben alle gemeinsam recherchiert, neue Behandlungsmethoden überlegt und uns nach und nach informiert. Ich muss gestehen, vor der Diagnose war ich nicht wirklich ein Familienmensch, nun hat sich das Rad um 180 Grad gewendet und ich verbringe viel Zeit mit meiner Familie und meine Geschwister und ich haben uns wieder sehr angenähert und wissen, wir können uns jederzeit aufeinander verlassen. Ich verspüre seitdem tiefste Dankbarkeit für diese tollen Menschen in meinem Umfeld und weiß, dass es alles andere als selbstverständlich ist, diesen unkaputtbaren Rückhalt der Familie zu genießen.

Wie hat sich dein Leben und das deiner Familie seither verändert?

Ich denke sehr oft, als der liebe Gott super seltene Erkrankungen verteilt hat, habe ich wohl sehr laut „hier“ geschrien, denn Sklerodermie ist leider so selten, dass sich nicht viele Ärzte damit auskennen, die Forschung darin keinen Nutzen sieht, da die Patientengruppe zu gering ist und es überhaupt schwierig ist, an gute Informationen zu kommen. Aber Ausnahmesituationen erfordern Veränderungen und ein „über sich hinauswachsen“, denn sind wir mal ehrlich: Aufgeben ist keine Option!

Dementsprechend hat sich mein Leben seit der Diagnose grundlegend verändert – aber irgendwie auch nicht. Ich versuche es mal zu beschreiben, denn seit Jahren ist es natürlich ein Prozess, den ich mal mehr, mal weniger akzeptiere.

Also, ich bin eine Sportskanone. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht aktiv bin. Ich war mein Leben lang sportlich, habe Sport studiert und 2019 habe ich sogar noch einen Triathlon absolviert. Mit der Erkrankung habe ich eine Vollbremsung inklusive Überschlag hingelegt. Mein Leben wurde auf 0 gefahren und das Allermeiste, was mich auszeichnet – die Aktivität – wurde mir auf eine ekelhafte Art und Weise genommen. Ich könnte nun erzählen, wie oft ich heulend in Sportkursen oder im Fitnessstudio stand, weil ich etwas nicht mehr so machen konnte wie „früher“, aber lieber erzähle ich, dass ich mittlerweile gute akzeptable Wege gefunden habe, trotzdem trainieren zu können. Ich fahre nur bei gutem Wetter Rennrad, im Winter steige ich auf Spinningkurse um. Ich besitze Griffhilfen, sodass ich weiterhin schwere Gewichte heben kann und mein Krafttraining nicht leidet. Ich gehe weiterhin viel in den Bergen wandern und habe immer meine Heizhandschuhe dabei, die mir jederzeit ermöglichen, mit Wetterumschwüngen klarzukommen und dennoch draußen unterwegs zu sein. Ich laufe nicht mehr so viele Kilometer, aber bin dankbar für jeden, den ich schaffe. Ich benutze Dumbbells (Kurzhanteln), wenn es um Stützübungen geht, um meine Handgelenke zu entlasten und überhaupt, mache ich so gut wie alles, was ich möchte – nur eben manchmal etwas anders, auf Laura-Art eben. 😉

Wie bewältigst du deinen Alltag und wie therapierst du zurzeit?

Mein Alltag besteht aus wöchentlicher Physiotherapie und Ergotherapie und je nach Phase mehrmaliger Psychotherapeutischer Unterstützung. Aktuell nehme ich keine Medikamente, da ich recht stabil bin und mit dem Thema Kinderwunsch noch nicht abgeschlossen habe. Außer einer Lichttherapie für die Haut diesen Sommer, absolviere ich nur meine manuellen Therapien.
Hinzu kommt, dass ich beruflich teils in der Öffentlichkeit stehe und so gut wie niemand von meiner Erkrankung weiß. Als Moderations-Laura bin ich oft noch die Laura von „davor“ und ich bin durch und durch Profi und Zirkuspferd zugleich. Oft habe ich mit Schmerzen gedreht oder war sehr kaputt – mittlerweile weiß ich meine Kräfte einzuteilen und mir auch in stressigen Drehwochen Auszeiten zu nehmen. Als Privat-Laura arbeite ich seitdem nur noch Teilzeit, meistens von zuhause, um alle meine Arzt- und Therapietermine bewältigen zu können und den Rest der Zeit arbeite ich als freie Moderatorin. Ich mache täglich Sport, der ebenfalls Therapie ist und kümmere mich um soziale Kontakte. Jedoch höre ich mehr und mehr auf mich und sage auch mal Treffen und Veranstaltungen ab, wenn es mir doch zu viel wird. Aktuell kann ich alles im Alltag wunderbar allein bewältigen, aber ich habe großes Glück, einen Partner (mit der Diagnose) gefunden zu haben, der mich auf allen erdenklichen Wegen unterstützt und mir z.B. Sonntagabends noch eine kleine Ergotherapie-Session zu verpassen (und ja, er war dafür extra bei einer Sitzung mit, um zu wissen, was er machen kann). More than I could wish for.
Ansonsten versuche ich offener mit meiner Erkrankung umzugehen und Menschen davon zu erzählen, vor allem im beruflichen Kontext, ohne direkt Panik zu haben, dadurch Jobs zu verlieren oder anders gesehen zu werden. Und wenn es so sein sollte, soll es so sein. Karma regelt. 😉

Im Alltag selbst sperre ich mich nicht mehr gegen kleine Haushaltshilfen wie z.B. einem Dosenöffner, sondern nehme es so an.

Wie geht es dir aktuell?

Es ist Sommer: das ist meine Zeit. Warm und wohlig, aber bitte nicht zu heiß – keine Extreme bitte. Kaum Probleme mit meinem Raynaud-Phänomen. Es ist lange hell und es ist die einzige Zeit, die ich mal ohne Handschuhe nach draußen kann. Besonders dankbar bin ich natürlich für alle Sportarten, die ich in meinem kleinen Zeitfenster draußen ausüben kann. So war ich im Mai schon 10 Tage Rennradfahren auf Mallorca oder im Juli 5 Tage in den Bergen auf einer Hüttentour. Einzig die Wassereinlagerungen und die geschwollenen Hände nerven bei Hitze, aber was solls. Eine Faust kann ich schon seit Jahren nicht mehr machen. 😉
Insgesamt bin ich „ruhiger“ geworden und ich würde sagen, dass ich ein wahnsinnig gutes Körpergefühl entwickelt habe, sodass ich ziemlich genau weiß, was mir guttut und was nicht. Alles in allem bin ich aber noch weitaus aktiver als viele andere und ich bin dankbar dafür. Wenn ich jetzt an den Winter denke, versuche ich nicht ganz so panisch zu werden, denn mittlerweile habe ich schon 4 Winter überlebt und kenne meine kleinen Tricks, um einigermaßen durchzukommen. Den allerbesten Tipp, gebe ich in der nächsten Antwort.

Was hilft dir, deine Erkrankung gut in den Griff zu bekommen?

In erster Linie hilft mir ein stabiles soziales Umfeld aus Familie und Freunden. Es ist kein Geheimnis, dass sich in schwierigen Zeiten geglaubte Freunde verabschieden, daher ist es umso wertvoller, einen engen Kreis, um sich zu wissen, der einen wirklich unterstützt und zur nötigen Akzeptanz beiträgt. Manchmal ist weniger mehr. Dann will ich ganz fest daran glauben, dass mir meine Therapien helfen, auch wenn ich jedes Mal denke, wir beginnen wieder bei Null, aber hey: wer weiß, wie es wäre, wenn ich sie nicht machen würde.

Ich bin, wie vielleicht schon herausgelesen, nicht sooooo ein großer Freund von Schulmedizin und aufgrund meiner Erfahrungen mit Ärzten und der kräfteraubenden Odyssee jedes Mal, vielleicht auch nachvollziehbar. Aber ich sehe die Schulmedizin als meine Basis und es hilft mir sehr, über den Tellerrand hinauszuschauen und andere Wege und Möglichkeiten zur Verbesserung meiner Symptome zu ergründen. Oft muss ich schauen, dass ich mich nicht verrenne, aber es hilft mir, Neues auszuprobieren und es zu versuchen. Hoffnung nennt man dies wohl.

Des Weiteren bin ich sehr dankbar, ein starkes Therapeuten- und ja auch Ärztenetzwerk aufgebaut zu haben. Special thanks an meine Ergotherapeutin Stephi, die mittlerweile eine Freundin geworden und immer die besten Stories auf Lager hat und meinem Physiotherapeuten Moritz, der zum drölften Mal meine Hüfte oder Oberkörper behandelt und sich nicht beschwert.
Ansonsten helfen mir ganz simple Dinge: Stressreduktion, mich gar nicht erst in sportliche Situationen zu bringen, die mich frustrieren, überwiegend Akzeptanz, Dankbarkeit und vor allem die Dinge wirklich zu machen und nicht aufzuschieben.

So war ich beispielsweise den ganzen Januar 2024 auf Sri Lanka, um dem kalten Winter zu entfliehen und die Dunkelheit zumindest zu verkürzen. Dementsprechend lautet die oberste Devise, einen Job zu finden, mit dem das möglich ist, denn es hilft mir ungemein und ist ganz nebenbei natürlich ziemlich wundervoll.
Winter 2025 kann mich mal – ich bin hoffentlich weg. 😉

Was ist dein Wunsch in Bezug auf Deine Erkrankung?

Mal abgesehen davon, dass ich fest davon überzeugt bin, dass es irgendwann etwas geben wird, was den Ursprung und nicht nur die Symptomatik von Autoimmunkrankheiten behandelt und man somit „geheilt“ wird, wünsche ich mir bis dahin für mich persönlich, dass meine Organe verschont bleiben, ich weiterhin stabil bleibe, sowohl körperlich als auch psychisch und ich mich in dunklen Phasen immer wieder daran erinnern kann, was ich bis zum jetzigen Zeitpunkt geschafft habe. Vielleicht schafft es meine Haut und demnach auch meine Hülle wieder elastischer zu werden (Bindegewebe wird immer fester), sodass ich mich wieder besser bewegen kann und wortwörtlich wieder frei atmen und aus diesem Korsett ausbrechen kann.

Ich wünsche mir allgemein mehr Aufklärung über die unterschiedlichen und individuellen Verläufe der Erkrankung und vor allem den Blick über den Tellerrand. Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht: wenn man sich nicht selbst um sich kümmert, tut es niemand. Also liebe Ärzt*innen, schaut eure Patient*innen bitte nicht nur wie eine Nummer an und erwähnt vielleicht auch mal Sidekicks wie Ernährung, Psychotherapie oder Hormonchecks – denn viele haben nicht die Kraft und Energie sich noch zusätzlich darum zu kümmern.

Autoimmunkrankheiten haben schließlich alle dieselbe Quelle, nur die Auswirkungen unterscheiden sich. Also wäre es medizinisch doch wirklich sinnvoll, die Quelle zu reparieren und somit vielen Menschen wieder eine bessere Lebensqualität zu schenken – und ich finde, dann muss eine seltene Erkrankung gar nicht mehr so selten sein, kann deutlich mehr Aufmerksamkeit generieren und dann „lohnt“ es sich doch schon wieder für die Medizin und ihre Studien wirtschaftlich gesehen (think about it).

Schlusswort:

„Giving up hurts more“. Ich habe mich in vielen Situationen gefragt, wie ich den nächsten Tag schaffen soll oder auch rückblickend, wie ich das alles bis heute gemeistert habe, aber ich habe festgestellt: der nächste Tag kommt, und der übernächste und der überübernächste. Also, so sch**** alles ist, es geht irgendwie weiter, denn aufgeben ist im wahrsten Sinne keine Option. Wir sind stärker als wir manchmal glauben und solange Lebenswillen da ist, können wir von unerschöpflicher Energie und Kraft zehren. Solange unsere Augen strahlen und wir lachen können, geht es weiter. Keine Ahnung wie, aber da hilft nur Urvertrauen. Vertrauen in dich und deinen Körper. Höre auf dich, höre auf deinen Körper und mach das, was dich glücklich macht!