Name: Tanja Renner
Diagnose: 2005 Psoriasis-Arthritis, 2024 Colitis ulcerosa
Instagram: @netzwerk_autoimmunerkrankter
Interview – Folgegechichte
Seit dem ersten Teil deiner Mut-Mach-Geschichte sind einige Jahre vergangen. Wie hat sich deine Sicht auf deine Krankheit und die Bewältigungsstrategien im Laufe der Zeit verändert?
Ich habe gelernt, dass es ein wahres Geschenk ist, zu erkennen, dass man nicht allein ist. Wenn man sich öffnet, begegnet man wunderbaren Menschen, die Ähnliches erlebt haben und helfen können. Genauso kann ich mit meinen Erfahrungen – persönlich und mit unserem Netzwerk Autoimmunerkrankter – anderen helfen, was mich sehr glücklich macht. Dadurch, dass ich offen mit meinen Erkrankungen umgehe (mittlerweile ist zu meiner Psoriasis Arthtritis noch die chronisch-entzündliche Darmerkrankung Colitits ulcerosa dazu gekommen), sehe ich auch, dass wir Aufklärung schaffen und ein besseres Bewusstsein für Autoimmunerkrankungen fördern können.
Welche Herausforderungen hast du seit der letzten Mut-Mach-Geschichte gemeistert und welche neuen Ziele hast du dir gesetzt?
Da es mir durch meine Medikation sehr gut ging, musste ich immer darauf achten, meine Rheuma-Erkrankung nicht zu vergessen, denn sie ist ein Teil von mir und fordert auch trotzdem Ruhepausen. Mein Ziel ist es, mehr für mich und meinen Körper da zu sein und mir regelmäßige Auszeiten zu gönnen. Ich habe gelernt, wie wichtig meine „Me-Time“ ist.
Wie ergeht es dir mit deiner neuen Diagnose?
Der Weg zu meiner weiteren Diagnose war tatsächlich der schlimmste in den letzten 20 Jahren. Ich schämte mich und wollte nicht über meine Beschwerden reden. Anfangs dachte ich, es läge an der üppigen Osterschlemmerei, aber schnell stellte ich fest, dass es mehr sein musste. Ich musste nachts vier- bis sechsmal auf die Toilette und tagsüber noch öfter. Manchmal konnte ich kaum von A nach B gehen, ohne fast zu weinen, weil keine Toilette in der Nähe war. Es war genauso, wie ich es in vielen Mut-Mach-Geschichten von Betroffenen gelesen hatte, und ich dachte immer: Die Armen, wie schrecklich! Dann kam ein extremer Gewichtsverlust, Fieber und völlige Kraftlosigkeit dazu, aber ich konnte das nicht vollständig zulassen, denn der Alltag ging weiter – Kind, Hund und NIK :-). In den Instagram-Lives sieht man es mir auch an. Glücklicherweise bekam ich schnell eine Darmspiegelung und die Diagnose: Colitis ulcerosa.
Wie hast du dich gefühlt, als du davon erfahren hast?
Ich wollte keine weitere Autoimmunerkrankung! Aber natürlich war ich froh, dass mir geholfen werden konnte, denn das Medikament hat mir schnell Erleichterung gebracht. Jetzt lebe ich nicht nur mit Psoriasis-Arthritis, sondern auch mit Colitis ulcerosa. Wie es sich weiterentwickelt kann ich jetzt noch nicht sagen, aber ich fühle mich gut versorgt und gehalten – mein Umfeld und die Community sind eine große Stütze.
Welche neuen Einsichten hast du während deiner Zeit als Vorständin des Netzwerks Autoimmunerkrankter gewonnen?
Ich habe immer wieder erfahren, wie wichtig Kommunikation ist. Wir nutzen unsere wachsende Größe, um anderen zu helfen und das Verständnis für Autoimmunerkrankungen in der Öffentlichkeit zu verbessern. Es ist erschreckend, wie wenig Menschen über unsere Erkrankungen wissen. Ich musste einsehen, dass wir nur gemeinsam etwas verändern können – alleine ist es zu schwer. Zusammen können wir so viel erreichen! Auch die digitale Welt hat uns sehr geholfen, da virtuelle Veranstaltungen von überall aus gesehen werden können und zur Aufklärung beitragen.
Wie hat sich NIK e.V. entwickelt?
NIK hat sich großartig entwickelt. Jeden Tag, an dem ich Dankes-Mails von Betroffenen erhalte, weiß ich, dass es richtig war, NIK e.V. zu gründen und dass ich helfen kann. Es gibt auch neue Projekte: NIK hat Nachwuchs bekommen – die kleine NIKI ist geboren. Mein Team und ich sind alle Mütter und möchten, dass unsere Kinder mit der Sensibilität aufwachsen, zu erkennen, dass Anderssein normal ist. Mit der kleinen NIKI wollen wir in Kindergärten und Grundschulen aufklären, was Autoimmunerkrankungen sind, damit Kinder mit Selbstverständlichkeit damit aufwachsen und niemanden ausschließen, nur weil er anders ist.
Haben sich deine persönlichen Ziele oder Schwerpunkte in Bezug auf deine Arbeit im Netzwerk Autoimmunerkrankter verändert?
Meine persönlichen Ziele haben sich insofern verändert, als das ich noch mehr darauf achte, die Gemeinschaft zu stärken und Bewusstsein zu schaffen. Ich möchte sicherstellen, dass wir als Netzwerk weiterhin wachsen und noch mehr Menschen erreichen und unterstützen können.
Welche Rolle spielt deine Erfahrung mit Psoriasis-Arthritis und deiner neuen Diagnose Colitis ulcerosa in deiner Arbeit für das Netzwerk Autoimmunerkrankter?
Mir wurde klar, dass es die beste Entscheidung war, ein indikationsübergreifendes Netzwerk zu gründen. Anfangs überlegte ich, nur etwas für meine spezifische Erkrankung zu schaffen, aber oft folgt eine zweite Autoimmunerkrankung. Unser Netzwerk ist ein Segen, auch für mich. Ich konnte viel lesen und lernen.
Welche Botschaft möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben, die ähnliche Herausforderungen durchleben?
Lest unbedingt unsere wertvollen, hilfreichen Mut-Mach-Geschichten. Wir können aus jeder einzelnen Geschichte etwas lernen und am Ende wissen wir, dass wir alle die gleiche Ausgangsbasis haben – die Diagnose. Und wir wissen, dass wir nicht allein sind.