
Die Geschichte von Julia
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Colitis Ulcerosa-Diagnosestellung? Gab es Besonderheiten oder Schwierigkeiten?
Am Anfang war das alles ein einziges Rätsel. Ich hatte monatelang Beschwerden – starke Bauchschmerzen, ständigen Stuhldrang und Blut im Stuhl – aber niemand wusste, was wirklich los war. Ich war gerade einmal etwa zehn Jahre alt, und für meine Familie und mich war das alles komplettes Neuland. Wir kannten die Krankheit „Colitis ulcerosa“ nicht einmal dem Namen nach.
Ich wurde von Arzt zu Arzt geschickt, bekam unterschiedliche Vermutungen zu hören, aber keine klare Diagnose. Mit der Zeit wurden die Symptome schlimmer, und mein Körper hat mir immer deutlicher gezeigt, dass etwas überhaupt nicht stimmt. Erst nach mehreren Krankenhausaufenthalten und unzähligen Untersuchungen kam schließlich die Diagnose: Colitis ulcerosa.
Besonders schwierig war in dieser Zeit mein junges Alter. Jede Untersuchung war für mich ein kleines Desaster – ich hatte Angst, hab vieles nicht verstanden und wollte einfach, dass das alles endlich aufhört. Als dann die Diagnose feststand, war das einerseits eine Erleichterung, weil ich endlich wusste, was los ist, gleichzeitig aber auch ein Schock. Niemand bereitet dich als Kind auf so etwas vor. Rückblickend war das aber der Anfang eines Weges, auf dem ich gelernt habe, mit dieser Krankheit zu leben – und dabei eine Stärke in mir zu finden, die ich vorher nicht kannte.
Wie hast du die Diagnose aufgenommen? Du warst sehr jung. hast du gleich verstanden, was Colitis Ulcerosa für deine Zukunft bedeuten könnte?
Die Diagnose war für mich damals einfach unbegreiflich. Ich war noch viel zu jung, um zu verstehen, was „Colitis ulcerosa“ eigentlich bedeutet. Auch meine Familie konnte das zunächst gar nicht richtig einordnen – wir hatten noch nie zuvor von dieser Krankheit gehört. Es fühlte sich an, als würde uns plötzlich jemand ein völlig neues Leben vorsetzen, für das wir keine Anleitung hatten.
Ich wusste nur, dass etwas in meinem Körper nicht so funktionierte wie bei anderen. Ich hatte Angst, war oft überfordert und fühlte mich hilflos. Es hat Jahre gedauert, bis ich wirklich verstanden habe, was diese Krankheit bedeutet – dass sie chronisch ist, dass sie immer wieder kommt, und dass man lernen muss, mit ihr zu leben.
Damals war das alles ein riesiger Schock. Heute sehe ich, dass dieser Moment aber auch der Anfang war, an dem ich angefangen habe, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen – auch wenn das mit zehn Jahren kaum jemand erwartet.
Wie haben deine Eltern und Freunde auf deine Diagnose/Erkrankung reagiert?
Für meine Eltern war die Diagnose ein absoluter Schock. Sie mussten plötzlich damit umgehen, dass ihr Kind eine chronische, unheilbare Krankheit hat – etwas, das keiner von uns kannte oder verstand. Ich glaube, sie haben in dieser Zeit genauso gelitten wie ich, nur auf eine andere Art. Sie wollten mir helfen, aber gleichzeitig standen sie selbst völlig hilflos da.
Meine Familie hat trotzdem alles gegeben, um für mich da zu sein. Sie waren bei jeder Untersuchung, jedem Klinikaufenthalt und jedem Rückschlag an meiner Seite. Besonders meine Mama und meine Oma haben früh gelernt, stark zu sein, wenn ich es gerade nicht konnte.
Bei Freunden war es schwieriger. Viele konnten gar nicht nachvollziehen, was mit mir los ist – man sieht die Krankheit ja nicht von außen. Manche haben sich zurückgezogen, andere haben versucht, normal zu bleiben, was ich damals sehr geschätzt habe.
Aber erst später, als ich offener mit meiner Krankheit umgegangen bin, habe ich gemerkt, wie wichtig ehrliche Gespräche sind – und wie sehr Verständnis den Unterschied machen kann.
Welche Situationen mit der Colitis ulcerosa waren für dich am herausforderndsten? Was waren die schlimmsten Parts daran?
Die herausforderndsten Zeiten waren immer die, in denen mein Körper einfach nicht mehr mitgemacht hat – wenn Schübe so stark waren, dass ich kaum noch aus dem Bett kam, ständig Schmerzen hatte und das Gefühl, komplett die Kontrolle zu verlieren. Diese Momente machen etwas mit einem. Man fühlt sich ausgeliefert, körperlich und mental.
Besonders schlimm war für mich, wenn ich im Krankenhaus lag und nicht wusste, wann oder ob es überhaupt wieder besser wird. Ich war oft über Wochen dort, habe unzählige Medikamente ausprobiert, und manchmal hat nichts angeschlagen. Diese Ungewissheit hat mich innerlich fast aufgefressen.
Was viele nicht sehen: Die Krankheit hört nicht auf, wenn man nach Hause kommt. Sie begleitet dich in den Alltag, in die Schule, in den Job – selbst in die Momente, in denen man einfach nur „normal“ sein will. Dieses ständige Anpassen, dieses Leben nach der Krankheit, ist manchmal der schwierigste Teil.
Aber genau diese Phasen haben mir auch gezeigt, wie viel Stärke in mir steckt, obwohl ich sie damals nicht gespürt habe.
Wie weit ist deine Colitis ulcerosa heute fortgeschritten und was stellst du dir vor, könnte noch auf dich zukommen?
Heute lebe ich mit den Folgen vieler Jahre Krankheit und zahlreicher Operationen. Meine Colitis ulcerosa ist so weit fortgeschritten, dass der Dickdarm entfernt werden musste. Ich lebe seitdem mit einem Stoma – etwas, das mir anfangs unheimlich viel Angst gemacht hat, sich aber rückblickend als meine Rettung erwiesen hat.
Die Krankheit selbst hat mein Leben komplett verändert. Es gibt keinen „gesunden“ Zustand mehr wie früher, sondern nur Phasen, in denen es stabil läuft – und Phasen, in denen der Körper wieder neue Grenzen setzt. Ich habe gelernt, mich darauf einzustellen und mit meinem Körper zu arbeiten, statt gegen ihn.
Was noch auf mich zukommt, weiß ich nicht. Ich habe aufgehört, ständig an das „Was wäre, wenn?“ zu denken. Ich versuche, im Jetzt zu leben. Natürlich gibt es immer die Sorge, dass neue Komplikationen auftreten oder Folgeerkrankungen entstehen – aber ich habe gelernt, dass Angst kein Schutz ist. Was mir bleibt, ist Vertrauen in meinen Weg, in meinen Körper und in das, was ich bisher schon überstanden habe.
Was war die beste Entscheidung, die du in Verbindung mit deiner CED je getroffen hast?
Die beste Entscheidung war ganz klar, mich operieren zu lassen – auch wenn es damals meine größte Angst war. Die Entscheidung für das Stoma hat mir letztlich das Leben gerettet. Ich hatte jahrelang alles versucht: Medikamente, Infusionen, Diäten, Klinikaufenthalte – aber irgendwann war klar, dass mein Darm das alles nicht mehr schafft.
Der Moment, in dem ich mich für die Operation entschieden habe, war der schwerste meines Lebens, aber auch der, der mir die Chance auf ein Neues gegeben hat. Seitdem habe ich zum ersten Mal wieder so etwas wie Lebensqualität gespürt – ohne ständige Schmerzen, ohne dauernde Angst vor dem nächsten Schub.
Ich sage oft: Das Stoma hat mir nicht nur körperlich das Leben gerettet, sondern auch seelisch. Ich konnte wieder raus, wieder leben, wieder lachen – und endlich aufhören, mein ganzes Dasein nur um die Krankheit herumzubauen.
Welche Entscheidung hättest du dir lieber erspart?
Ich glaube, es gibt keine einzelne Entscheidung, die ich wirklich bereue – aber vieles, das ich mir erspart hätte, wenn ich damals schon mehr über meine Krankheit gewusst hätte. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass man nicht immer „funktionieren“ muss, wenn der Körper eigentlich Ruhe braucht.
Ich habe oft viel zu spät auf meinen Körper gehört, weil ich einfach weitermachen wollte – Schule, Ausbildung, Arbeit. Ich wollte normal sein, dazugehören, nicht ständig die „Kranke“ sein. Dieses ständige Kämpfen gegen mich selbst hat mich im Nachhinein mehr Kraft gekostet als nötig.
Ich hätte mir gewünscht, früher zu lernen, dass Schwäche nichts mit Aufgeben zu tun hat. Dass es mutig ist, Hilfe anzunehmen. Aber ich glaube, genau diese Erfahrungen haben mich zu der Person gemacht, die ich heute bin – jemand, der offen über all das spricht und anderen Mut machen kann, ihre Krankheit anzunehmen.
Wie lief das früher mit der Schule, der Ausbildung und heute mit dem Job? Wie hast du dich mit den Institutionen arrangiert, dass du, wie alle anderen, einen Abschluss und eine Ausbildung machen konntest, obwohl du viel Zeit in Kliniken verbringen musstest? Und geht das heute mit dem Job? Erschweren dir die Symptome, wie Müdigkeit oder Schmerzen, das Arbeiten nicht enorm?
Die Schulzeit war für mich eine große Herausforderung. Ich war oft im Krankenhaus oder zu Hause, weil es mir körperlich einfach zu schlecht ging. Während andere auf Klassenfahrt waren, lag ich an Infusionen. Das hat mich oft einsam gemacht – und leider auch angreifbar. Ich wurde wegen meiner Krankheit gemobbt, weil viele nicht verstanden haben, was mit mir los ist.
Aber in dieser schwierigen Zeit habe ich auch jemanden kennengelernt, der mir unheimlich viel Halt gegeben hat – meinen ersten Freund. Er stand immer hinter mir, hat mir den Rücken gestärkt und mir gezeigt, dass ich so, wie ich bin, genau richtig bin. Zusammen haben wir uns durch die Schulzeit gekämpft, und dadurch wurde vieles erträglicher.
Während meiner Ausbildung wurde es nicht leichter. Die Krankheit hat sich nicht an Schulpläne oder Prüfungen gehalten. Ich musste ständig neu organisieren, erklären, kämpfen – um Verständnis, um Zeit, um Energie. Aber ich wollte meinen Weg gehen und zeigen, dass man trotz Krankheit etwas erreichen kann.
Heute arbeite ich wieder in meinem Ausbildungsberuf als Augenoptikerin – sogar bei meinem damaligen Arbeitgeber. Obwohl es früher nicht immer einfach war, habe ich nach ein paar Jahren eine zweite Chance bekommen. Und heute läuft alles richtig gut. Ich habe keine Schmerzen oder Einschränkungen mehr und genieße es, wieder voll im Berufsleben zu stehen. Es fühlt sich an, als hätte ich mir mein Stück Normalität zurückerobert – und genau das bedeutet für mich Lebensqualität.
Auf deinem Instagram-Account @bauchkrawall zeigst du schon lange sehr ehrlich und eindrucksvoll, wie hart das Leben mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung sein kann. Doch selbst in den dunkelsten Stunden, die du zeigst und beschreibst, liegt immer noch Hoffnung. Stirbt die Hoffnung bei dir wirklich zuletzt? Was gibt dir all deine Kraft, dein Leben mit CED zu meistern und andere Betroffene und deren Angehörige auch noch zu motivieren? Wie schaffst du das mental und körperlich?
Ich glaube wirklich, dass Hoffnung das Einzige ist, was man sich niemals nehmen lassen darf. Selbst in den Momenten, in denen alles dunkel war – Krankenhausaufenthalte, Rückschläge, Operationen – war da immer ein kleiner Funken in mir, der gesagt hat: Das ist noch nicht das Ende. Genau diesen Funken wollte ich nie verlieren.
@bauchkrawall ist für mich viel mehr als nur ein Account – es ist ein Ort, an dem ich zeigen kann, dass hinter jeder Narbe, hinter jedem Schmerz und hinter jedem Tief auch Mut steckt. Ich wollte eine Stimme sein für all die, die sich oft unsichtbar fühlen. Und jedes Mal, wenn mir jemand schreibt, dass meine Worte oder Bilder ihnen Kraft geben, bekomme ich diese Kraft doppelt zurück.
Was mich antreibt, ist dieser Zusammenhalt unter Betroffenen. Ich habe so viele Menschen kennengelernt, die ähnliche Kämpfe führen – und genau das verbindet. Mental hilft mir, offen über alles zu sprechen, ehrlich zu bleiben und nicht so zu tun, als wäre immer alles gut. Körperlich versuche ich, auf mich zu hören, Pausen zuzulassen und mir schöne Momente bewusst zu machen.
Denn Hoffnung ist nichts, was einfach da ist – sie ist etwas, das man sich immer wieder selbst erschafft.
Was ist heute noch deine größte Angst und wann überkommt dich die Angst am stärksten?
Da mein gesamter Dickdarm entfernt wurde, kann die ursprüngliche Colitis ulcerosa in dem Sinne nicht mehr zurückkehren. Ich habe nur noch etwa drei Zentimeter Enddarm, der sich hin und wieder entzündet – aber das ist gut behandelbar. Trotzdem bleibt die Sorge, dass sich mein Zustand eines Tages wieder verschlechtert oder neue Komplikationen entstehen könnten.
Am meisten Angst habe ich davor, wieder in diese extreme körperliche Abhängigkeit zu geraten – auf Hilfe angewiesen zu sein, keine Kontrolle über meinen Körper zu haben. Diese Erinnerungen sitzen tief. Wenn ich merke, dass der Enddarm sich entzündet oder mein Körper anders reagiert als sonst, ist das sofort wieder präsent.
Aber ich habe gelernt, mit dieser Angst zu leben. Sie ist ein Teil von mir, aber sie bestimmt mich nicht mehr. Ich vertraue auf das, was ich schon geschafft habe, und darauf, dass mein Körper und ich inzwischen ein gutes Team sind. Ich achte auf Warnzeichen, aber ich lasse sie nicht mehr mein Leben regieren.
Was sind deine drei persönlichen Superfoods, mit denen du deinem Darm was Gutes tust?
Seit ich mein Stoma habe, kann ich zum Glück wieder alles essen, worauf ich Lust habe. Ich habe keine Unverträglichkeiten mehr und genieße das sehr, weil Essen für mich lange Zeit etwas Belastendes war. Heute ist es wieder ein Stück Lebensfreude.
Wenn ich trotzdem drei Dinge nennen müsste, die mir einfach guttun, dann wären das Reis, Hähnchen und Joghurt oder Quark – nicht, weil sie „Superfoods“ sind, sondern weil sie für mich symbolisch stehen: für einfache, ehrliche Lebensmittel, die meinem Körper Energie geben und mir schmecken.
Ich halte nichts von strengen Ernährungsregeln. Für mich zählt, dass ich mich wohlfühle und ohne Angst essen kann. Mein Stoma hat mir diese Freiheit zurückgegeben – und genau das ist für mich das größte „Superfood“ überhaupt.
Du bist schon länger Stoma-Trägerin. Welche Art Stoma trägst du und was bedeutet das für deinen Alltag? Hast du vielleicht ein paar praktische Tipps für diejenigen, die gerade frisch ein Stoma bekommen?
Ich lebe mit einem endständigen Ileostoma, also einem Dünndarm-Stoma. Anfangs war das für mich eine riesige Umstellung – allein der Gedanke, plötzlich mit einem Beutel zu leben, war schwer zu begreifen. Heute sehe ich das aber ganz anders: Mein Stoma hat mir mein Leben zurückgegeben. Ich kann essen, schlafen, arbeiten, reisen – alles, was vorher durch die Krankheit unmöglich war.
Im Alltag spielt es inzwischen kaum noch eine Rolle. Ich habe meine Routine gefunden, weiß genau, welche Produkte ich brauche und wie ich mich am sichersten fühle. Natürlich gibt es Tage, an denen etwas nicht perfekt läuft – aber das ist völlig normal. Wichtig ist, sich Zeit zu geben und nicht zu streng mit sich selbst zu sein.
Mein Tipp für alle, die gerade frisch ein Stoma bekommen: Nehmt euch die Zeit, euch damit vertraut zu machen. Am Anfang wirkt alles kompliziert, aber mit der Zeit wird es selbstverständlich. Tauscht euch mit anderen Betroffenen aus, probiert verschiedene Produkte aus und sucht euch Fachpersonal, dem ihr vertraut. Und vor allem: Seht euer Stoma nicht als Feind – sondern als Partner, der euch am Leben hält.
Du sagst, dein Stoma ist dein Lebensretter. Wie hat es ein Plastikbeutel geschafft, dein Leben zu retten?
Ich sage das ganz bewusst: Mein Stoma hat mir das Leben gerettet – körperlich und seelisch. Vor der Operation war ich am Ende. Ich hatte keine Kraft mehr, war ständig im Krankenhaus, konnte kaum essen und hatte einfach keine Lebensqualität mehr. Jeder Tag war ein Kampf gegen Schmerzen, Entzündungen und Erschöpfung.
2014 habe ich zunächst einen J-Pouch bekommen – also eine Darmreservoir-Operation, bei der aus Dünndarm ein „Ersatzdarm“ geformt wurde. Damit kam ich einige Jahre recht gut zurecht, der Stuhldrang war deutlich weniger und ich konnte wieder etwas normaler leben.
Doch 2018 kam der große Rückschlag: Die Naht zwischen Dünn- und Dickdarm ist perforiert, und ich musste notoperiert werden. Dabei wurde der Pouch entfernt – und seitdem lebe ich mit meinem endständigen Ileostoma.
Angst vor dieser Operation hatte ich damals keine mehr. Ich war körperlich und seelisch an einem Punkt, an dem mir einfach alles egal war. Ich hatte keine Kraft mehr, keine Hoffnung – nur noch den Wunsch, dass dieser Zustand endlich endet.
Rückblickend war genau diese Operation der Wendepunkt.
Mein Stoma hat mir mein Leben zurückgegeben. Dieser kleine „Plastikbeutel“, wie viele ihn nennen, steht für Freiheit, Sicherheit und neue Lebensqualität. Ich kann wieder essen, arbeiten, lachen und spontan sein – Dinge, die früher undenkbar waren. Mein Stoma erinnert mich jeden Tag daran, wie weit ich gekommen bin. Es steht für Leben, nicht für Verlust. Und genau das möchte ich auch anderen vermitteln: Man darf dankbar sein für das, was einen am Leben hält – egal, wie es aussieht.
Passen weißes Hochzeitskleid und Stoma zusammen? Hattest du keine Angst, dass was durchsickern könnte?
Absolut – das passt perfekt zusammen! Ich habe tatsächlich in einem weißen Hochzeitskleid geheiratet, und mein Stoma war an diesem Tag das Letzte, woran ich gedacht habe. Alles hat wunderbar funktioniert, und ich konnte den Tag einfach genießen.
Vielleicht hilft da auch, dass ich an meiner Seite jemanden habe, der mich wirklich kennt – von Anfang an. Mein Mann und ich haben uns schon in der Schulzeit kennengelernt, in einer Phase, in der es mir gesundheitlich richtig schlecht ging. Er war damals schon mein größter Halt. Heute sind wir seit 17 Jahren zusammen und seit 7 Jahren verheiratet.
Er hat mich mit und ohne Stoma gesehen, in meinen besten und schlimmsten Momenten – und nie hat er mich deswegen anders behandelt. Gerade an unserer Hochzeit war das für mich ein starkes Gefühl: Ich konnte mich schön, sicher und geliebt fühlen – ganz ohne Angst, dass mein Stoma „stört“. Für mich war das der Beweis, dass Liebe wirklich alles tragen kann – sogar ein Stück Plastikbeutel unterm Kleid.
Du hast so viele Narben an deinem Körper. Hast du eine, die du besonders gerne magst?
Ja, tatsächlich – und das hätte ich früher nie gedacht. Früher habe ich jede einzelne Narbe gehasst. Ich habe sie mit Schmerz, Angst und Verlust verbunden. Heute sehe ich sie mit ganz anderen Augen. Jede Narbe erzählt eine Geschichte – und alle zusammen erzählen meine.
Wenn ich eine nennen müsste, die ich besonders gerne mag, dann ist es die große Narbe auf meinem Bauch – die, die mein Leben gerettet hat. Sie erinnert mich daran, was ich überstanden habe, wie stark mein Körper ist und dass ich heute noch hier bin. Früher wollte ich sie verstecken, heute trage ich sie mit Stolz.
Ich sage immer: Meine Narben sind kein Makel. Sie sind mein Beweis dafür, dass Heilung möglich ist – auch wenn sie Spuren hinterlässt.
Was hast du durch deine Krankheit gelernt?
Ich habe durch meine Krankheit mehr über das Leben gelernt als in all den Jahren davor. Vor allem habe ich gelernt, was wirklich zählt. Gesundheit, Zeit, Menschen, die bleiben – das sind Dinge, die man oft erst zu schätzen weiß, wenn sie einem genommen werden.
Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören und ihn nicht mehr als Gegner zu sehen. Ich war oft wütend, enttäuscht, habe gehadert – aber irgendwann habe ich verstanden, dass mein Körper nicht gegen mich kämpft, sondern für mich. Er hat mich durch so viele Operationen, Entzündungen und Rückschläge getragen, und dafür bin ich ihm heute dankbar.
Und vielleicht das Wichtigste: Ich habe gelernt, dass Schwäche nichts mit Versagen zu tun hat. Dass man Hilfe annehmen darf, Pausen braucht und trotzdem stark ist. Meine Krankheit hat mich geformt, aber sie definiert mich nicht. Ich bin mehr als meine Diagnose – und genau das möchte ich auch anderen zeigen.
Du bist jung, attraktiv, sitzt nicht im Rollstuhl oder führst einen Blindenstock mit dir, so dass du für Außenstehende auf den ersten Blick nicht als chronisch krank erkennbar bist. Was bedeutet in deinem Fall Inklusion? Was könnte, deiner Meinung nach, besser laufen, damit du dich überall mitgedacht fühlst?
Inklusion bedeutet für mich, dass man Menschen mit unsichtbaren Erkrankungen genauso ernst nimmt wie diejenigen, deren Einschränkungen man sofort sieht. Nur weil man mir meine Krankheit nicht ansieht, heißt das nicht, dass sie nicht da ist. Viele chronisch Kranke kämpfen im Stillen – und genau das wird oft vergessen.
Ich wünsche mir, dass in unserer Gesellschaft mehr Bewusstsein dafür entsteht, dass Krankheit viele Gesichter hat. Inklusion heißt für mich, Verständnis zu zeigen, ohne zu bewerten. Es geht nicht um Mitleid, sondern um Rücksicht und echtes Zuhören.
Besser laufen könnte vieles: mehr Aufklärung in Schulen, mehr Offenheit am Arbeitsplatz und weniger Schubladendenken. Es sollte selbstverständlich sein, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen genauso Teil der Gesellschaft sind – mit ihren Grenzen, aber auch mit all ihrer Stärke. Ich will nicht anders behandelt werden, nur mitgedacht.
Du lässt Menschen auf deinem Instagram-Account sehr tief in dein Inneres blicken. Wie viel Kraft ziehst du aus deinem Account und dem Kontakt zu anderen Betroffenen und Angehörigen? Hast du neben den vielen positiven Erfahrungen auch schon Hate erlebt? Wie bist du damit umgegangen?
@bauchkrawall ist für mich wie ein offenes Tagebuch. Es ist mein Ort, an dem ich ehrlich zeigen kann, was das Leben mit einer chronischen Krankheit wirklich bedeutet – mit allem, was dazugehört. Ich ziehe unglaublich viel Kraft aus dem Austausch mit anderen Betroffenen. Zu wissen, dass meine Worte oder Bilder jemandem helfen, sich weniger allein zu fühlen, ist das schönste Feedback überhaupt.
Ich habe durch meinen Account viele wundervolle Menschen kennengelernt – Menschen, die verstehen, ohne dass man viel erklären muss. Diese Verbundenheit gibt mir unglaublich viel. Und was mich wirklich dankbar macht: Ich habe bis heute keinen Hate oder negative Kommentare erlebt. Im Gegenteil – ich bekomme ganz viel Liebe, Verständnis und Unterstützung.
Diese positive Energie motiviert mich jeden Tag aufs Neue. Sie zeigt mir, dass Offenheit und Ehrlichkeit verbinden können – und dass es sich lohnt, seine Geschichte zu teilen.
Wie wichtig sind Freunde und Familie, wenn man chronisch krank ist?
Meine Familie war und ist mein größter Halt. Vor allem meine Mama, meine Oma und mein Freund – heute mein Ehemann – waren immer da, egal wie schlimm es wurde. Sie haben mich durch jede Operation, jeden Rückschlag und jede Träne begleitet. Ich wusste, dass ich nie allein bin, und genau das hat mir oft die Kraft gegeben, weiterzumachen.
Meine Mama und mein Mann haben unzählige Nächte an meinem Krankenbett verbracht und alles geregelt, wenn ich es selbst nicht konnte. Meine Oma war mein sicherer Hafen, die immer Trost und Ruhe ausgestrahlt hat, egal, wie groß die Angst war. Und mein Mann war in all den Jahren mein Fels in der Brandung – er hat mich nie aufgegeben, auch nicht in den Momenten, in denen ich selbst nicht mehr konnte.
Ich glaube, ohne diese drei Menschen wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Sie haben mich gehalten, getragen und mir gezeigt, dass Liebe wirklich stärker sein kann als jede Krankheit.
Mit 29 Jahren hast du eine zweite harte Diagnose erhalten: Borderline-Tumor mit Mikroinvasion. Dieser Tumor befällt den Eierstock und kann zu Eierstockkrebs führen. Deine Konsequenz war die Entfernung der Eierstöcke, Eileiter und auch der Gebärmutter. Das heißt, du wirst auf natürlichem Weg nicht Mutter werden. Wie schwer fiel dir und deinem Mann diese Entscheidung und was hat sie jetzt ein paar Jahre später mit dir/euch gemacht?
Das Jahr 2023 war für mich eines der schwersten meines Lebens. Ich hatte innerhalb weniger Monate drei Operationen. Bei der ersten wurde nur der betroffene Tumoranteil entfernt. Danach mussten wir die Entscheidung der Tumorkonferenz abwarten, um zu erfahren, ob eine Chemotherapie nötig ist. Zum Glück war das nicht der Fall – dafür bin ich bis heute unglaublich dankbar.
Trotzdem stand schnell fest, dass das Risiko zu hoch war, dass der Tumor zurückkehrt. Und so haben wir uns, nach vielen Gesprächen und schlaflosen Nächten, entschieden, alles entfernen zu lassen – Eierstöcke, Eileiter und Gebärmutter. Diese Entscheidung war nicht leicht, aber sie war richtig.
Mein Mann und ich hatten lange versucht, ein Baby zu bekommen – vergeblich. Durch meine Krankheitsgeschichte war die Anatomie im Inneren stark verändert, es gab Verwachsungen und andere Komplikationen. Es war ohnehin schwer, und dann kam dieser Zufallsbefund mit dem Tumor – ein Moment, der alles verändert hat.
Die Entscheidung hat uns beiden das Herz gebrochen, aber sie hat mir das Leben gerettet. Mein Mann hat in dieser Zeit unendlich viel Stärke gezeigt. Er hat keinen Moment gezweifelt, keine Schuld gesucht, sondern einfach da gewesen. Heute sehen wir das mit etwas Abstand: Wir haben keinen gemeinsamen Nachwuchs – aber wir haben ein gemeinsames Leben, das uns jeden Tag aufs Neue zeigt, wie stark Liebe wirklich sein kann.
Und heute haben wir unser kleines „Hundekind“, das wir über alles lieben. Er hat unser Leben komplett gemacht, bringt uns zum Lachen und schenkt uns so viel Liebe. Ich trage diesen Verlust immer in mir, aber ich trage ihn mit Frieden – weil ich weiß, dass wir trotzdem eine Familie sind.
Welche drei CED-Mythen hörst du am häufigsten? Welche nerven dich am meisten?
Oh, da gibt es einige – und manche begegnen mir leider immer wieder. Einer der häufigsten Mythen ist, dass eine chronisch entzündliche Darmerkrankung „nur“ etwas mit dem Essen zu tun hat. Viele glauben, man müsste einfach anders essen oder weniger Stress haben, dann wäre alles gut. Aber so funktioniert das nicht. Ernährung kann unterstützen, ja – aber sie heilt keine CED.
Ein anderer Mythos, der mich immer wieder nervt, ist, dass die Krankheit „vom Kopf kommt“. Natürlich spielt die Psyche eine Rolle, wie bei jeder chronischen Erkrankung – aber Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn sind keine Einbildung. Sie sind handfeste, entzündliche Erkrankungen, die man im Körper klar nachweisen kann. Zu hören, man solle einfach „positiver denken“, ist für viele Betroffene verletzend und macht die Krankheit nicht leichter.
Der dritte Mythos ist, dass man mit einem Stoma kein normales Leben mehr führen kann. Das höre ich wirklich oft – und es ist schlicht falsch. Ich bin das beste Beispiel dafür, dass man mit einem Stoma alles machen kann: arbeiten, reisen, Sport treiben, feiern, lieben. Es ist kein Ende, sondern ein Neuanfang.
Und ganz oft höre ich auch den Satz: „Aber du bist doch mit dem Stoma und der Kolektomie geheilt.“
Das klingt schön – ist aber nicht die Realität. Ja, der Dickdarm ist entfernt, und damit ist die Colitis in diesem Organ verschwunden. Aber das bedeutet keine vollständige Heilung. Die Folgen der Operation, mögliche Entzündungen im verbliebenen Enddarm, Verwachsungen oder Nährstoffprobleme begleiten einen trotzdem. Man lebt in einer Art Ruhephase, aber nicht als „gesunder“ Mensch im ursprünglichen Sinn.
Und was mich vielleicht am meisten trifft, ist, wenn Menschen sagen: „Aber du siehst doch gar nicht krank aus.“ Nur weil man die Krankheit nicht sieht, heißt das nicht, dass sie nicht da ist. Unsichtbare Krankheiten sind oft die, die am meisten Kraft kosten.
Ich finde es wichtig, über solche Mythen zu sprechen – nicht, um sich zu rechtfertigen, sondern um Verständnis zu schaffen. Denn Aufklärung ist der erste Schritt zu echter Akzeptanz.
Welche Themen oder Fragen trieben dir früher die Schamesröte ins Gesicht, über die du heute ungeniert sprichst? Wie hast du deine Scham überwunden und was sagen deine Gesprächspartner*innen zu deiner heutigen Offenheit?
Früher war mir alles rund um das Thema Darm unglaublich peinlich. Ich konnte kaum über meine Symptome sprechen – weder mit Ärzten noch mit meiner Familie. Worte wie Stuhlgang, Blut im Stuhl oder Stoma waren für mich tabu. Ich hatte ständig Angst, dass andere sich ekeln oder mich abstoßend finden könnten.
Ich musste teilweise bis zu 30-mal am Tag zur Toilette. Es gab viele Situationen, in denen ich es einfach nicht rechtzeitig geschafft habe – und ja, mir ist es öfter in die Hose gegangen. Eine Zeit lang stand sogar ein Toilettenstuhl im Nebenraum meines Kinderzimmers, weil der Weg ins Bad manchmal zu weit war.
Ich weiß noch ganz genau, wie meine Mama und ich einmal in eine Klinik mussten – rund 200 Kilometer entfernt. Ich hatte panische Angst, es nicht rechtzeitig zur Toilette zu schaffen, denn ich wusste, bis zur nächsten Raststätte würde ich es nie aushalten. Da hatte meine Mama die glorreiche Idee, den Eimer meines Toilettenstuhls mitzunehmen. Ich saß den größten Teil der Fahrt tatsächlich darauf – eine Situation, die mir damals unendlich peinlich war, aber gleichzeitig auch gezeigt hat, wie bedingungslos meine Mama für mich da war.
Ehrlich gesagt wäre mir das wahrscheinlich heute noch peinlich – wenn ich nicht mein Stoma hätte. Es hat mir nicht nur das Leben, sondern auch ein Stück Selbstbewusstsein zurückgegeben. Ich habe keine schmerzhaften Stuhlgänge mehr, keine Angst mehr vor Kontrollverlust und kann endlich wieder frei leben – ohne ständig nach der nächsten Toilette suchen zu müssen.
Heute spreche ich offen über Themen, die früher tabu waren – über Durchfall, Operationen, Narben oder Beutelwechsel. Nicht, weil es mir egal ist, sondern weil ich weiß, wie wichtig Aufklärung ist. Und jedes Mal, wenn mir jemand schreibt: „Danke, dass du das so offen teilst – mir geht’s genauso“, merke ich, dass meine Offenheit anderen Mut macht.
Viele Menschen sagen heute, sie bewundern meine Ehrlichkeit. Und genau das zeigt mir: Offenheit heilt. Nicht den Körper, aber die Seele.
Würdest du deine Diagnose und das Leben mit CED als traumatisch für dich bezeichnen? Wenn ja, was hast du gemacht, um das Trauma zu erkennen und zu behandeln?
Ja, ich würde schon sagen, dass die ganze Zeit mit meiner Erkrankung traumatisch für mich war – vor allem die vielen Krankenhausaufenthalte, Operationen und dieses dauernde Gefühl, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren. Ich war über Jahre in einem ständigen Ausnahmezustand, und das hinterlässt Spuren – körperlich wie seelisch.
Ich hatte tatsächlich eine Zeitlang eine Psychologin, mit der ich über vieles gesprochen habe. Das hat mir sehr geholfen, die Erlebnisse einzuordnen und zu verstehen, warum manche Erinnerungen oder Situationen heute noch etwas in mir auslösen. Und ganz ehrlich: Nur weil man in psychologischer Behandlung ist, heißt das nicht, dass man „verrückt“ ist. Im Gegenteil – es bedeutet, dass man den Mut hat, hinzuschauen und an sich zu arbeiten. Das ist Stärke, keine Schwäche.
Es gibt nach wie vor ein paar Triggerpunkte – zum Beispiel kann ich Magensonden überhaupt nicht sehen, weil ich sie selbst so oft gelegt bekommen habe. Auch der Gedanke an die Darmspülungen, die ich früher trinken musste, löst heute noch richtiges Unbehagen in mir aus. Aber das sind mittlerweile Kleinigkeiten, mit denen ich gelernt habe, umzugehen.
Ich sehe das heute so: Das, was mich früher gebrochen hat, hat mich auch stark gemacht. Ich habe gelernt, meine Vergangenheit nicht zu verdrängen, sondern sie als Teil von mir zu akzeptieren. Und genau das hat mir geholfen, innerlich ruhig zu werden.
Was macht dich heute so richtig glücklich?
Heute macht mich glücklich, dass ich einfach leben kann – ohne Dauerschmerzen, ohne Angst und ohne dieses ständige Gefühl, dass mein Körper gegen mich arbeitet. Ich genieße die kleinen Dinge, die früher selbstverständlich waren: morgens aufzuwachen, ohne gleich ans Kranksein zu denken, spontan etwas zu unternehmen, zu lachen, zu essen, zu arbeiten. All das hat für mich heute einen ganz anderen Wert.
Mich macht es glücklich, dass ich wieder in meinem Beruf als Augenoptikerin arbeiten kann – etwas, das ich mir lange nicht vorstellen konnte. Und natürlich mein Mann, meine Familie und unser Hund – sie geben meinem Leben so viel Liebe, Ruhe und Freude. Gerade mein Hundekind zaubert mir selbst an schlechten Tagen ein Lächeln ins Gesicht.
Und @bauchkrawall macht mich glücklich, weil ich dort das, was ich erlebt habe, in etwas Positives verwandeln kann. Ich kann Mut machen, Menschen erreichen und zeigen, dass selbst aus Schmerz etwas Wunderschönes wachsen kann.
Glück ist für mich heute nicht laut oder perfekt – es ist still, echt und jeden Tag ein kleines bisschen spürbar.
Wie geht es dir und deinem Darm aktuell? Wie wirst du aktuell behandelt?
Im Großen und Ganzen geht es mir heute wirklich gut. Ich brauche keine Medikamente mehr – nur etwas gegen meinen leicht erhöhten Blutdruck. Das allein ist schon ein riesiger Unterschied zu früher, als mein Tag von Tabletten und Infusionen bestimmt war.
Mein Enddarm, also die etwa drei Zentimeter, die nach der Kolektomie geblieben sind, entzündet sich hin und wieder. Das merke ich daran, dass dieser kleine Abschnitt manchmal Schleim absondert oder auch leicht blutig ist. Das klingt dann aber meist nach ein paar Tagen oder Wochen wieder von selbst ab.
Ich stehe in engem Kontakt mit meinen Ärzt*innen, lasse regelmäßig Kontrollen machen und achte sehr auf meinen Körper. Ich weiß heute viel besser, was mir guttut und wann ich einen Gang zurückschalten muss. Insgesamt kann ich sagen: Ich bin stabil, ich lebe bewusst – und das ist für mich das Wichtigste.
Wie sind deine Therapie- und Behandlungserfahrungen?
Ich kann wirklich sagen, dass ich mit meinen Ärzten großes Glück hatte – und immer noch habe. Ich wurde von Anfang an ernst genommen, und das ist bei einer chronischen Erkrankung keine Selbstverständlichkeit. Meine Ärztinnen und Ärzte hören mir zu, nehmen sich Zeit und suchen immer gemeinsam mit mir nach Lösungen.
Gerade bei Untersuchungen, die für mich Triggerpunkte sind, wird unglaublich rücksichtsvoll mit mir umgegangen. Es wird nie etwas über meinen Kopf hinweg entschieden, sondern immer gefragt, was für mich machbar ist. Diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe gibt mir Sicherheit und Vertrauen – und genau das ist in der Behandlung einer CED so wichtig.
Ich weiß, dass ich medizinisch in guten Händen bin, und das nimmt mir unheimlich viel Angst. Ich bin dankbar, dass ich heute sagen kann: Ich fühle mich wirklich verstanden und begleitet – nicht nur als Patientin, sondern als Mensch.
Was wünschst du dir in Bezug auf die Krankheit?
Ich wünsche mir viel mehr Verständnis und Aufklärung. Viele Menschen wissen gar nicht, was eine chronisch entzündliche Darmerkrankung wirklich bedeutet – wie sehr sie das ganze Leben beeinflusst, körperlich und seelisch. Oft hört man Sätze wie „Du siehst doch gar nicht krank aus“ oder „Iss doch einfach gesünder“, und genau da beginnt das Problem.
Ich wünsche mir auch, dass endlich offener über Themen wie Ableismus und Medical Gaslighting gesprochen wird. Viele Betroffene erleben, dass ihre Symptome heruntergespielt oder gar nicht ernst genommen werden – sei es von Ärztinnen, Arbeitgeberinnen oder im persönlichen Umfeld. Dieses „Einbildung“- oder „Stell-dich-nicht-so-an“-Denken kann unglaublich verletzend sein und verhindert oft, dass Menschen rechtzeitig Hilfe bekommen.
Ich wünsche mir, dass mehr Menschen hinschauen, zuhören und sich informieren – nicht aus Mitleid, sondern aus Respekt. Und ich wünsche mir, dass Betroffene den Mut haben, offen über ihre Krankheit zu sprechen, ohne Angst vor Scham, Stigmatisierung oder Unglauben.
Je mehr Aufklärung es gibt, desto mehr Verständnis entsteht. Und Verständnis bedeutet für uns Betroffene ein Stück mehr Normalität, weniger Kampf im Alltag – und endlich das Gefühl, wirklich gesehen zu werden.
Schlusswort:
Wenn ich auf all das zurückblicke, dann sehe ich nicht nur Schmerz, Operationen oder Diagnosen – ich sehe einen Weg voller Mut, Wachstum und Selbstfindung. Ich habe gelernt, dass man nicht gesund sein muss, um glücklich zu sein. Und dass Stärke nicht bedeutet, immer zu funktionieren, sondern immer wieder aufzustehen – egal, wie oft das Leben einen niederdrückt.
Mein größter Rat an andere Betroffene ist: Habt keine Angst, ihr selbst zu sein. Sprecht über eure Krankheit, eure Grenzen, eure Ängste – denn Schweigen macht klein, Offenheit dagegen macht frei. Es ist kein Zeichen von Schwäche, Hilfe anzunehmen oder mal nicht stark zu sein. Niemand muss diesen Weg allein gehen.
Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft lernen, dass auch ein Leben mit Krankheit wertvoll, bunt und erfüllt sein kann. Dass Aufklärung mehr bewegt als Mitleid. Und dass jeder, der kämpft, egal auf welche Weise, stolz auf sich sein darf.
Am 7. November erscheint auf allen Streamingdiensten ein ganz besonderer Song – geschrieben für mich und für alle Betroffenen, die jeden Tag aufs Neue kämpfen, zweifeln, hoffen und trotzdem weitergehen.
🎵 „Denn du bist echt – und das reicht.“
Dieser Song ist mehr als Musik. Er ist eine Botschaft an alle, die glauben, sie müssten perfekt sein, um stark zu sein. Er erinnert uns daran, dass Echtheit Mut bedeutet – und dass genau dieser Mut uns miteinander verbindet.
🌿 Ich bin nicht gesund – aber ich lebe. Und das lauter, echter und mutiger als je zuvor.
Stand 2025
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