Die Geschichte von Marcus

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Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Akne inversa-Diagnosestellung? Hätte es reibungsloser laufen können?

Da hatte ich echt großes Glück! Schon nach meinem zweiten Besuch beim Hautarzt hatte ich die Diagnose – ohne Umschweife, ohne endlose Wartezeit. Das ist alles andere als selbstverständlich, wenn man sich die Geschichten anderer Betroffener anhört.

Angefangen hat alles mit diesen fiesen Knoten und Abszessen in den Achseln und Leisten. Der klassische Weg, wenn man sich mit der Krankheit auskennt. Klar, damals wusste ich noch nicht, dass mich AI/HS über Jahre begleiten würde – aber zumindest hatte ich schnell eine Antwort darauf, was mit meinem Körper los war. Und das war schon viel wert.

Hätte es reibungsloser laufen können? Ehrlich gesagt – nein!

Ich bin meinem Dermatologen unendlich dankbar, dass er Morbus Verneuil sofort erkannte. Viele Hidradenitis Betroffene berichten von jahrelangen Fehldiagnosen. Das passiert deswegen, da die Krankheit unter Ärzten leider nach wie vor nicht so geläufig ist.

Wenn du dich an den Moment der Diagnose erinnerst, wie hat er sich angefühlt? War dir bewusst, was die Diagnose für dich, deine Familie und Freunde bedeutet?

Diesen Moment habe ich bis heute im Kopf. Aber nicht, weil er mich damals umgehauen hat – sondern, weil mein Dermatologe ganz bewusst betont hat, dass das nichts mit „normaler“ Akne zu tun hat. Das weiß ich noch als wäre es gestern gewesen, weil ich mir damals dachte: Warum sagt er mir das so explizit?

Es war 2007, noch nicht die Zeit, in der man schnell das Handy zückt und sich schlau macht. Also habe ich es erstmal so hingenommen. Kein Drama, kein großes Kopfzerbrechen. Ich dachte einfach: Okay, ein paar Abszesse, ein paar „Pickelchen“ – das krieg ich schon in den Griff. Ich war damals gerade 30 und stand mitten im Leben. Ich hatte einen ausfüllenden Beruf und war gerade mal zwei Jahre in einer Beziehung – meiner jetzigen Frau.

Was mir allerdings nicht klar war: Die Tragweite dieser Krankheit und dass sie mein Leben und das meiner Familie und Freunde in den kommenden Jahren so sehr beeinflussen würde. Nicht einmal im Traum hätte ich mir das damals ausgemalt. Aber das sollte sich noch ändern …

In welchen Lebensbereichen beeinträchtigt dich deine Akne Inversa am meisten?

Ganz klar: Heute beeinträchtigen mich am meisten die Narben der Operationen im Intimbereich. Ich hatte große Wunden im Leisten- und Genitalbereich sowie von der Pofalte bis hin zum After. Daraus sind sehr starke Narbenzüge entstanden, die mich bis heute beschäftigen. Zum Beispiel kann langes Sitzen unangenehm werden. Bei längeren Autostrecken muss ich öfter Pausen einlegen und mich kurz dehnen. Wie solche Wunden und Narbenzüge aussehen können, siehst du auf meiner Internetseite unter dem Punkt Galerie.

In der Zeit der Operationen – ich hatte sechs Sanierungen unter Vollnarkose innerhalb von zwei Jahren – waren es die alltäglichen Dinge, wie duschen oder der Gang zur Toilette, die zur echten Herausforderung wurden. Zwei Jahre lang hat mein Stuhlgang den Tagesablauf diktiert. Klingt vielleicht witzig, war es aber absolut nicht. Mal schnell irgendwo auf die Toilette gehen? Vergiss es! Öffentliche Toiletten? Unmöglich!

Auch verreisen war in dieser Zeit ein einziger Planungsakt bzw. fast nicht möglich. Ich musste immer wissen: Wo kann ich danach in Ruhe meinen Verband wechseln? Wie schmerzhaft wird es diesmal? Denn es ging nicht nur um den Verband. Nach jedem Stuhlgang musste ich sofort ausduschen, die Wunde desinfizieren und frisch verbinden. Hygiene ist absolut entscheidend, um Infektionen zu vermeiden.

Und das bedeutete für mich über einen sehr langen Zeitraum hinweg: Kein spontanes Rausgehen ohne Plan, kein einfaches „Ich bin gleich zurück“. Jeder Tag war durchgetaktet – je nach Zustand der Wunden.

Welche Tipps hast du, die dich und deine Akne Inversa geplagte Haut entspannen?

Dehnen! Dehnen! Dehnen!

Ohne regelmäßiges Dehnen bleiben operierte Areale hart und steif – und das kann auf Dauer echt unangenehm werden. Ich habe meine Wunden und Wundränder ab dem zweiten Tag der Sanierung täglich gedehnt. Bis heute dehne ich jeden Tag meine Narbenzüge – das ist das Einzige, was wirklich hilft, um die Bereiche weich und geschmeidig zu halten.

Am Anfang haben mich diese dicken, harten Narbenstränge richtig fertig gemacht. Ich dachte: Das bleibt für immer so. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Haut jemals wieder „normal“ wird. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, dass ich selbst eine Menge dafür tun kann. Und genau das hat mein Hautbild unglaublich verbessert.

Also, mein Tipp: Nicht verzweifeln, sondern dranbleiben! Die Narben brauchen Zeit, Geduld und Bewegung. Aber je konsequenter du bist, desto mehr wirst du merken: Da tut sich was!

Wie stark hat die Autoimmunerkrankung deine Seele früher angegriffen?

Um das zu verstehen, muss man sich klarmachen, was eine schwere, chronisch entzündliche Hautkrankheit wie Akne Inversa – Hidradenitis Suppurativa – Morbus Verneuil mit einem Menschen macht. Jede neue Entzündung, jede OP, jeder Blick in den Spiegel hinterlässt Spuren – nicht nur auf der Haut, sondern auch im Kopf.

Es ist nicht allein der physische Schmerz der Abszesse oder Wunden, der einen fertig macht. Es ist das Gefühl, dass man den eigenen Körper nicht mehr kontrollieren kann. Dass er macht, was er will – egal, wie sehr man sich bemüht. Dass Entzündungen kommen und gehen, ohne Vorwarnung. Dass man irgendwann Angst davor hat, morgens aufzuwachen, weil man nicht weiß, was einen heute wieder erwartet.

Und dann dieser ständige Kampf mit der Außenwelt: Was ziehe ich an, damit man die Abszesse/Wunden nicht sieht? Kann man den Eiter womöglich riechen? Wie erkläre ich, warum ich nicht mit ins Schwimmbad gehe? Was sage ich, wenn ich mal wieder einen Termin absagen muss, weil ich vor Schmerzen nicht laufen kann.

Kein Wunder also, dass irgendwann die fröhlichen Tage immer weniger wurden. Das ist nicht schönzureden – eine Krankheit wie diese kann einen in eine verdammte Depression stürzen. Und bei mir? Hat sie das auch getan.

Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass nicht nur mein Körper Unterstützung braucht, sondern auch meine Seele. Aber genau das war einer der wichtigsten Schritte für mich.

Du hast neben der Akne Inversa eine Depression entwickelt. Was denkst du, wie ist die entstanden?

Meine Depression ist nicht von heute auf morgen über mich hereingebrochen – sie hat sich langsam, aber gnadenlos aufgebaut. Es begann mit kleinen Hidradenitis Schüben, ein paar Abszessen, die irgendwann wieder abgeheilt sind. Ich dachte mir nichts dabei. Aber mit jeder neuen Entzündung, mit jedem Abszess, der kam und nicht mehr verschwand, wurde dieses Gefühl der Ohnmacht stärker.

Je kürzer die Abstände zwischen den Schüben wurden, desto mehr verlor ich das Vertrauen in meinen Körper. Meine Haut wurde zu meinem Feind. Ich wusste nie, wann und wo es wieder zuschlägt – es war, als würde ich auf einem Minenfeld laufen. Mit jeder neuen Entzündung kam der Gedanke: Was, wenn es nie wieder besser wird?

Mein Weg wurde immer unsicherer – dafür immer schmerzhafter. Und je mehr ich mich in diesen Teufelskreis aus Angst und Schmerzen verstrickte, desto stärker zog mich die Krankheit runter. Es war ein gegenseitiges Anheizen: Die schlechte psychische Verfassung trieb die Krankheit an, und die Krankheit wiederum fraß sich tiefer in meinen Kopf.

Irgendwann war ich an einem Punkt, an dem es nur noch Dunkelheit gab. Die Hilflosigkeit war absolut. Ich konnte mich nicht mehr aus dieser Spirale befreien. Die Tage wurden kürzer, meine Welt immer kleiner. Die Angst, die Erschöpfung, die Verzweiflung, die Aussichtslosigkeit – sie waren da, rund um die Uhr. Ich war völlig überfordert.

Und genau das ist das perfide an dieser Krankheit: Sie trifft nicht nur den Körper – sie trifft die Seele mit voller Wucht.

Was hast du getan, dass die Erkrankung dein Gefühlsleben nicht mehr komplett im Griff hat?

Ganz ehrlich? Allein hätte ich das nie geschafft. Ohne professionelle psychische Unterstützung wäre ich heute nicht an dem Punkt, an dem ich bin. Diese Krankheit ist nicht nur eine Belastung für den Körper – sie greift auch die Psyche an. Sie frisst sich in deinen Alltag, in deine Gedanken, in dein Selbstwertgefühl.

Für mich war die Psychotherapie ein elementarer Baustein auf meinem Weg zur Besserung. Ich habe lange geglaubt, dass ich das alles allein regeln kann – aber irgendwann war klar: So funktioniert das nicht. Es ist in meinen Augen fast unmöglich, ohne professionelle Hilfe langfristig stabil zu bleiben. Die Gedanken drehen sich im Kreis, die Verzweiflung wächst, und wenn du niemanden hast, der dich da rausholt, wird es immer schwerer.

Ab einem bestimmten Punkt muss man sich psychologische Unterstützung holen – für sich selbst. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, im Gegenteil! Es ist eine Entscheidung für dich, für dein Leben, für deine mentale Gesundheit. Und ich sage ganz klar: Allein ist das ein verdammt harter Kampf. Sich Hilfe zu holen, war eine meiner besten Entscheidungen. Denn wenn der Kopf wieder mitspielt, wird alles andere plötzlich ein bisschen leichter.

Wie geht es dir und deiner Haut aktuell?

Danke der Nachfrage – meiner Haut und meinen Narben geht es aktuell richtig gut! Die akuten Schübe haben aufgehört, und ich bin in einer Art „Ruhezustand“.

Das heißt nicht, dass alles perfekt ist. Die Krankheit ist nicht weg und nicht heilbar – sie schläft nur. Aber genau das ist der große Unterschied zu früher: Ich bin nicht mehr im ständigen Kampfmodus. Keine neuen Entzündungen, keine offenen Wunden, keine schlaflosen Nächte voller Schmerzen und Angst vor dem nächsten Schub.

Meine Narben sind mittlerweile gut verheilt. Natürlich sind sie da, natürlich spüre ich sie – aber sie sind weich, beweglich und schränken mich nicht so sehr ein wie noch vor ein paar Jahren. Ich dehne sie täglich, pflege sie gut und merke, dass mein Körper sich über die Jahre angepasst hat.

Das Beste an diesem Zustand? Ich kann mein Leben endlich wieder genießen, ohne dass die Krankheit alles bestimmt. Ich kann rausgehen, ohne mir Gedanken zu machen, wo ich im Notfall einen Verband wechseln muss. Ich kann meine Haut entspannter betrachten, weil ich weiß: Ich habe das im Griff.

Natürlich bleibt die Sorge, dass irgendwann wieder etwas kommt – aber jetzt habe ich eine ganz andere Basis. Ich weiß, was zu tun ist. Ich kenne meinen Körper. Und ich weiß, dass ich es wieder hinbekomme, wenn Morbus Verneuil mal wieder an die Tür klopft

Wie wirst du behandelt – in Bezug auf die Haut und die Psyche.

Zur Psyche:

Seit fast sieben Jahren gehe ich regelmäßig zur Psychotherapie, und ich kann es nicht oft genug betonen: Für mich ist das ein absolut essenzieller Baustein. Denn Hidradenitis betrifft nicht nur die Haut – sie greift auch die Psyche an.

Die Ängste, die Unsicherheiten, das ständige Kopfkino, ob sich neue Stellen bilden – das ist enorm belastend. Scham spielt eine riesige Rolle. Wie oft habe ich mich dabei ertappt, dass ich mich zig Mal am Tag nach neuen Entzündungen abgesucht habe? Ein innerer Zwang, den ich allein niemals in den Griff bekommen hätte.

Durch die Therapie habe ich gelernt, diesen Mechanismus zu verstehen und zu durchbrechen. Meine Gedanken kontrollieren mich nicht mehr – ich kontrolliere sie. Natürlich ist das ein Prozess, der nicht von heute auf morgen geht. Aber, es lohnt sich so sehr!

Was mich besonders bewegt, ist meine Arbeit in Selbsthilfegruppen. Dort sehe ich täglich, wie sehr Betroffene unter dieser Krankheit leiden – körperlich, aber eben auch psychisch. Viele isolieren sich, ziehen sich zurück, weil sie sich für ihren Körper schämen oder niemanden mit ihrem Leid „belasten“ wollen. Sie kämpfen – aber viele nehmen keine psychische Hilfe an. Und genau das ist der Punkt: Man muss nicht alles allein durchstehen. Ich kann nur jedem raten, sich Unterstützung zu holen. Es gibt keinen Pokal dafür, alles allein durchzustehen – aber es gibt eine echte Chance auf Lebensqualität, wenn man sich helfen lässt.

Zur Haut:

Auch hier heißt das Zauberwort: Dranbleiben! Ich gehe regelmäßig zur Physiotherapie und Osteopathie, um meine operierten Körperareale mobil zu halten und Verklebungen zu lösen. Narben sind lebendes Gewebe – und wenn man sie nicht bewegt, werden sie starr und hart. Deshalb dehne ich täglich meine Narbenstränge, zumindest das, was noch davon da ist.

Für die Hautpflege selbst brauche ich gar nicht viel. Einige Narben bekommen täglich eine spezielle, leicht fettende Creme aus der Apotheke – ohne Kortison oder andere Zusätze, einfach zur Pflege.

Ansonsten? Ich bin kein Fan davon, meine Haut mit Produkten zu überladen. Keine tausend Cremes, keine Wundermittel. Meine Haut braucht vor allem eins: Luft, Bewegung und Geduld.

Nimmst du Tabletten oder Cremes für die Haut etc.? Wie schnell schlug deine Behandlung an?

Ich kann voller Überzeugung sagen: Ich bin seit 4 Jahren komplett medikamentenfrei. Kein Kortison, keine Antibiotika, keine Immunmodulatoren – nichts. Das war eine bewusste Entscheidung, die für mich funktioniert, aber natürlich individuell ist.

Cremes verwende ich ausschließlich für die Pflege meiner alten Narben. Aber auch hier nichts mit Kortison oder anderen Medikamenten, sondern reine Pflegeprodukte. Die Haut braucht Unterstützung, vor allem nach OPs, um geschmeidig zu bleiben und nicht hart oder rissig zu werden.

Wie schnell meine Behandlung angeschlagen hat? Das war kein Sprint, sondern ein verdammt langer Marathon. Die Veränderung kam nicht von heute auf morgen. Es war das Zusammenspiel verschiedenster Bausteine. Schritt für Schritt habe ich gemerkt, dass sich mein Hautbild verbessert – aber es hat zwei Jahre gedauert.

Was ich daraus gelernt habe? Geduld ist bei Morbus Verneuil sehr wichtig. Es gibt keine Wunderpille, die alles über Nacht verschwinden lässt. Aber es gibt Möglichkeiten, den Körper bestmöglich zu unterstützen.

Was tust du für deine Seele?

Eins vorweg: Meine Seele braucht genauso viel Pflege wie mein Körper. Und genau deshalb gehört Psychotherapie für mich fest dazu. Dort kann ich alles rauslassen, was sich über die Zeit angesammelt hat – Ängste, Sorgen, Frust. Es hilft mir, meine Gedanken zu sortieren und nicht in alten Denkmustern stecken zu bleiben.

Aber was mindestens genauso wichtig ist: Raus an die frische Luft! Ich versuche – je nach körperlicher Verfassung – jeden Tag rauszugehen. Und wenn ich eines gelernt habe, dann das: An Tagen, an denen es mir psychisch richtig mies geht und ich trotzdem vor die Tür gehe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es mir danach besser geht.

Das klingt vielleicht simpel, aber es ist ein echter Unterschied. Bewegung, frische Luft, ein bisschen Sonne auf der Haut – das tut nicht nur dem Körper gut, sondern bringt auch den Kopf in eine ganz andere Stimmung. Ich merke das jedes Mal. Die Welt fühlt sich nach einem Spaziergang leichter, freundlicher und weniger erdrückend an.

Deshalb mein klarer Tipp an dich: Wenn du die Möglichkeit hast, geh raus! Auch wenn’s nur fünf Minuten sind. Auch wenn es sich erstmal sinnlos anfühlt. Mach es einfach. Und wenn du dann nach Hause kommst und merkst, dass sich der Tag ein kleines bisschen gedreht hat, dann weißt du: Es hat sich gelohnt.

Wie sind deine Therapie- und Behandlungserfahrungen? Worauf hättest du gern verzichtet und was war wider Erwarten gar nicht so schlimm oder richtig gut?

Ich habe mir meinen eigenen Weg gesucht – nicht aus Abenteuerlust, sondern weil ich keine andere Wahl hatte. Nach zahlreichen schmerzhaften Operationen und unglaublichen 180 Tagen Antibiotika – auf die mein Darm gerne verzichtet hätte –  war mir klar: So kann und darf es nicht weitergehen. Ich wusste, wenn ich so weitermache, dann gehe ich vor die Hunde. Körperlich, mental – auf allen Ebenen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, wie mein Plan B aussehen könnte. Aber ich wusste, dass ich einen brauche. Und dann kamen aus meinem medizinischen Netzwerk diese Fragen:

„Hast du dich schon mal mit Ernährung, TCM (Traditionelle Chinesische Medizin), Heilpraktikern oder alternativen Methoden beschäftigt?“

Bis dahin hatte ich all das als „nice to have“ abgetan – nett, vielleicht für andere hilfreich, aber doch sicher nicht für mich. Aber ich hatte nichts zu verlieren, also ließ ich mich darauf ein. Und das war eine meiner besten Entscheidungen.

Was war schlimm daran? Gar nichts. Denn wenn ich mir mein Leben vorher und heute anschaue, dann war jeder einzelne Schritt absolut richtig. Klar, es gab Entbehrungen – oder besser gesagt: Ich musste einiges umstellen. Aber das, worauf ich vermeintlich „verzichten“ musste, war letztendlich nichts im Vergleich zu dem, was ich gewonnen habe.

Die dunklen, traurigen und teilweise sehr schmerzhaften Jahre waren extrem. So brutal, dass mir der Gedanke an eine Umstellung meiner Ernährung oder andere Therapieansätze im Vergleich dazu, wie ein Spaziergang vorkam.

Alles in allem kann ich sagen: Es war nicht die eine Behandlung, die alles verändert hat – es war das Zusammenspiel vieler Bausteine. Jeder einzelne Schritt hat seinen Teil dazu beigetragen, dass ich heute da stehe, wo ich bin.

Die Psychotherapie hat mir geholfen, meinen Kopf wieder klarzubekommen und mich aus der Opferrolle zu befreien. Die großen operativen Sanierungen mit offener Wundheilung waren ein harter, aber notwendiger Schritt – und dank eines professionellen Wundmanagements konnte ich den Heilungsprozess optimal unterstützen.

Die Ernährungsumstellung war ein weiterer wichtiger Schritt! Sie hat mir nicht nur wieder Kraft gegeben, sondern auch geholfen, meine Entzündungen in den Griff zu bekommen – Stichwort antientzündliche Ernährung. Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) hat meinen Körper aus einer ganz anderen Perspektive betrachtet und behandelt – ein völlig neuer Zugang, der mir enorm geholfen hat.

Dazu kamen Heilpraktiker, Bewegungstherapie, Osteopathie und Physiotherapie, die mir gezeigt haben, wie wichtig es ist, den Körper in Bewegung zu halten, Blockaden zu lösen und meinen Heilungsprozess auch auf muskulärer Ebene zu unterstützen.

Es war nicht nur ein Weg – es war mein individueller Weg, den ich Schritt für Schritt gegangen bin.

Du wurdest schon wegen deiner Akne Inversa operiert. Was kannst du berichten, das Betroffenen hilft, die eine OP dieser Art vor sich haben? Und was war besonders hilfreich für eine gute und schnelle Heilung nach der OP?

Gute Frage – und keine einfache. Denn jeder erlebt eine OP anders. Aber wenn ich aus meiner Erfahrung spreche, dann gibt es einen Punkt, der mir mehr geholfen hat als alles andere: Positiv bleiben.

Klingt nach einer billigen Floskel, oder? Ist es aber nicht. Ich sag dir ehrlich: Dieses „Positiv bleiben und dem eigenen Körper vertrauen“ – das kam bei mir nicht von allein. Das musste ich lernen. Und es war harte Arbeit! Ohne meine Psychotherapie hätte ich das niemals geschafft. Denn in den ersten Jahren nach meinen OPs war mein Kopf voll mit Ängsten, Zweifeln und diesem nagenden Gefühl, dass alles nur schlimmer wird. Erst durch die mentale Arbeit habe ich begriffen, dass ich mich nicht nur auf meinen Körper verlassen kann, sondern auch auf mich selbst.

Wenn du eine OP vor dir hast, dann vertrau auf dich, auf deinen Körper und auf dein Ärzteteam. Es ist ein Schritt nach vorne – und den gehst du nicht umsonst.

Was die Heilung betrifft, kann ich mich ganz klar als Fan der offenen Wundheilung bezeichnen. Nach fast 20 Jahren mit Hidradenitis kann ich sagen: Alle Stellen, die bei mir offen verheilen durften, sind bis heute ruhig. Alle! Und was ist mit den genähten Wunden? Tja, die mussten später fast alle wieder aufgemacht und größer operiert werden. Vier genähte Stellen sind mir geblieben, aber der Rest? Wurde mit der Zeit problematisch.

Offene Wundheilung klingt erstmal nach einem Monster. Aber es ist machbar! Klar, anfangs war es eine riesige Herausforderung, aber das änderte sich, als ich professionelle Wundmanagerinnen an meiner Seite hatte. Die haben mir nicht nur gezeigt, wie ich meine Wunden richtig pflege, sondern mir auch eine ganz neue Sichtweise darauf gegeben. Wundpflege war nicht mehr einfach „nur ein weiterer Albtraum“ – es wurde mein Job. Und diesen Job habe ich jeden Tag mit vollem Einsatz gemacht. Und weißt du was? Heute profitiere ich davon.

Mein größter Rat an dich, wenn du operiert wirst: Hol dir, wenn möglich, professionelle Wundmanager! Unsere Wunden gehören fachspezifisch behandelt. Da gibt es so unendlich viele Tipps und Tricks, die dir das Leben leichter machen. Die richtige Pflege entscheidet darüber, wie deine Wunde verheilt – und das wirkt sich direkt auf deine Lebensqualität aus.

Also, wenn du dich auf eine OP vorbereitest: Bleib mental stabil, sorge für professionelle Wundversorgung – und dann pack das Ding an. Es ist dein Körper, dein Heilungsprozess – und du kannst ihn aktiv mitgestalten.

Auf deinem Blog www.inversawarriormarcus.at informierst du schonungslos (und wenn man die Bilderserie anschaut, braucht man sehr gute Nerven!) aber auch einfühlsam über dein Leben mit Akne inversa. Du liebst dein Leben (wieder), wie es scheint. Beim Lesen überkam uns der Wunsch, mehr zu erfahren. Und was sollen wir sagen, es kommt offenbar mehr. Ein Buch ist der Seite angekündigt, was uns freut. Kannst du uns schon mehr verraten? Was ist der Inhalt? Wann kommt es raus? Ist es autobiografisch? Was ist die Zielgruppe?

Yes, ich liebe mein Leben (endlich) wieder! Es hat lange gedauert, es war ein harter Weg, aber ich bin wieder im Spiel.

Das Buch – genauso wie meine Internetseite – ist das Resultat meiner Psychotherapie. Meine Therapeutin hat mir immer wieder geraten: „Bitte schreiben Sie sich die Themen auf, über die wir sprechen.“ Anfangs habe ich das ehrlich gesagt nicht sonderlich ernst genommen. Aber irgendwann, nach vielen Sitzungen, habe ich es ausprobiert. Erst auf einem simplen Notizblock, dann am Computer.

Und da habe ich etwas Erstaunliches festgestellt: Die niedergeschriebenen Worte haben sich ganz anders in meinem Kopf verankert als die, die ich „nur“ ausgesprochen habe. Das Schreiben hat mir geholfen, Dinge zu verarbeiten, sie zu reflektieren – und irgendwann wurde daraus mehr als nur eine Selbsttherapie.

Parallel dazu habe ich begonnen, mich mit Selbsthilfegruppen auseinanderzusetzen. Dort wurde mir schnell klar: Ich kann mit meinen Erfahrungen helfen. Ich habe meine Geschichte geteilt, ich habe anderen Mut gemacht, und irgendwann kam der Punkt, an dem ich mir dachte: „Moment mal. Warum sollte ich meine Geschichte und Erfahrungen nicht für andere zugänglich machen.“ So kam mir die Idee zur Internetseite und zum Buch.

Denn es kann und darf nicht sein, dass wir Betroffenen uns für unsere Krankheit schämen!

Je mehr wir darüber sprechen, desto mehr holen wir Akne Inversa aus der Unsichtbarkeit.

Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut. Jahrelang habe ich mich für Hidradenitis versteckt, mich selbst fertiggemacht, gedacht, ich sei schuld. Völliger Schwachsinn! Kein Betroffener trägt die Schuld an Morbus Verneuil – nicht du, nicht ich, niemand.

Und genau das ist die Botschaft meiner Seite – und auch meines autobiografischen Buches. Ich erzähle meine Geschichte, ungeschönt und ehrlich, mit all den Höhen und Tiefen, den Rückschlägen, aber auch den Erfolgen. Ich teile ausführlich, was mir geholfen hat.

Mein Buch und meine Seite sollen Mut machen, informieren und zeigen: Du bist nicht allein. Es gibt Wege, es gibt Hoffnung – und ja, es gibt ein verdammt gutes Leben, auch mit dieser Krankheit.

Die Zielgruppe? Jeder, der mit dieser Krankheit zu tun hat. Also, Betroffene, Angehörige, Ärzte, Therapeuten – und alle, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen oder müssen. Denn es wird Zeit, dass offen über Hidradenitis gesprochen wird.

Wann es rauskommt? Bald. Ich will noch kein fixes Datum nennen, aber ich denke, dass es im Laufe des 2. Quartals 2025 fertig ist.

Welche Seite von dir hast du von dir seit deiner Diagnose kennengelernt, die es vorher nicht gab?

Definitiv die in sich gekehrte Seite. Ich war immer jemand, der gerne redet, unter Menschen ist, Kommunikation lebt und spürt. Ich liebe es, mich mit anderen auszutauschen, zu lachen, Gespräche zu führen, die Energie von Menschen um mich herum zu haben.

Aber mit der Diagnose – oder besser gesagt, ein paar Jahre später – kam immer mehr Dunkelheit und Traurigkeit in mein Leben. Und mit ihr eine Seite von mir, die ich vorher so nicht kannte. Plötzlich war ich viel öfter allein. Nicht, weil ich es wollte, sondern weil die Krankheit mich gezwungen hat, mich zurückzuziehen, nachzudenken und mit mir selbst klarzukommen. Und weißt du was? Das war hart – aber es war auch eine Chance.

Wenn du so viele Jahre zu Hause bist, mit Schmerzen, Operationen, Rückschlägen, dann hast du äußerst viel Zeit, um dich mit dir selbst auseinanderzusetzen. Du kannst entweder daran verzweifeln oder anfangen, Dinge anders zu betrachten. Und genau das habe ich getan. Ich habe mich selbst neu kennen gelernt – mit all meinen Stärken, aber auch mit meinen Schattenseiten.

Meine Selbstliebe heute ist mit der damaligen nicht im Ansatz zu vergleichen. Früher war ich oft mein schlimmster Kritiker. Heute bin ich mir selbst gegenüber viel nachsichtiger, ruhiger, entspannter. Nicht nur mit mir selbst, sondern auch im Umgang mit meinem Umfeld.

Klingt vielleicht verrückt, aber: Ich bin meiner Krankheit sogar dankbar. Denn sie hat mir die Möglichkeit gegeben, mich neu kennenzulernen, Dinge in meinem Leben zu verändern und mich weiterzuentwickeln. Ich habe gelernt, dass Selbstliebe nicht nur ein Wort ist, sondern eine Entscheidung, die man jeden Tag aufs Neue trifft.

Was war dein größtes Learning seit deiner Diagnose?

Dass Grenzen nur in meinem Kopf existieren.

Laut Diagnose bin ich unheilbar krank. Laut Lehrbuch geht es von Hurley 1 zu Hurley 3 – und dann? Dann kommt nicht mehr viel. Dann soll man sich einfach damit abfinden, dass es eben so ist?

Für mich war das keine Option. Ich habe mir immer gesagt: Ich bin nicht mit Hurley 3 geboren – also muss es auch einen Weg zurück geben. Klar, es gab genug Leute, die nicht an mich geglaubt haben. Die gesagt haben: „Das bringt doch eh nichts.“ Oder: „Hidradenitis ist chronisch, damit musst du leben.“

Aber weißt du was? Ich habe an mich geglaubt. Und genau das hat den Unterschied gemacht.

Mein größtes Learning? Ich habe meinen eigenen Weg gefunden. Ich habe gelernt, mit meiner Krankheit umzugehen – auf meine Weise. Es ist völlig egal, was andere sagen. Wichtig ist, was für mich richtig ist, was mir guttut.

Heute kann ich meinem Körper wieder vertrauen. Und genau das war wohl die größte Erkenntnis überhaupt: Mein Körper ist nicht mein Feind. Er kämpft nicht gegen mich, sondern für mich. Ich musste nur lernen, mit ihm statt gegen ihn zu arbeiten – und seitdem läuft’s.

Welchen Tipp würdest du Menschen geben, die ihre Diagnose just erfahren haben?

Erstmal tief durchatmen. Alles, aber wirklich alles – nur keine Panik! Ich weiß, so eine Diagnose kann sich im ersten Moment wie ein Schlag in die Magengrube anfühlen. Morbus Verneuil? Eine chronisch entzündliche, unheilbare Krankheit? Klingt nicht gerade nach einem Jackpot, oder? Aber lass dir eins gesagt sein: Das ist nicht das Ende der Welt.

Lass das Ganze erstmal sacken. Du musst nicht von heute auf morgen alles wissen oder jede Entscheidung sofort treffen. Schritt für Schritt. Informiere dich! Aber bitte richtig. Heißt: Such dir seriöse Quellen. Sprich mit Spezialisten, geh zu einem Dermatologen, der sich mit unserer Krankheit wirklich auskennt. Nicht jeder Arzt weiß sofort, was zu tun ist – also bleib dran.

Und wenn du dich nicht allein durch den Informationsdschungel kämpfen willst, nutze die Kraft der Gemeinschaft. Im Internet gibt es zahlreiche Selbsthilfegruppen mit unglaublich tollen Menschen, die genau wissen, wie du dich fühlst. Ich selbst bin Gruppenexperte in der größten deutschsprachigen Selbsthilfegruppe – dem Akne Inversa Club. Dort tauschen sich Betroffene aus, teilen Erfahrungen, Tipps und vor allem: verstehen einander.

Ganz wichtig: Du bist nicht allein! Und noch wichtiger: Du bist nicht schuld an deiner Krankheit! Also sei nett zu dir. Ja, wirklich. Klingt vielleicht kitschig, aber Selbsthass bringt dich keinen Schritt weiter.

Was du aber tun kannst? Lernen, mit der Krankheit umzugehen – auf deine Weise. Es gibt Wege, Strategien und Lösungen, die dir helfen werden, trotz Hidradenitis ein richtig schönes Leben zu leben. Vielleicht anders als geplant – aber genauso lebenswert.

Was wünscht du dir in Bezug auf deine Haut und die Akne?

Sorry, dass ich das so jetzt loswerden muss. Ich und wir Betroffenen haben keine Akne. Leider wird Akne Inversa/Hidradenitis suppurativa/Morbus Verneuil sehr oft mit „normaler“ Akne verwechselt.

Hier die Antwort:

Ich wünsche mir Ruhe! Keine neuen AI-Schübe, keine dieser brutalen Operationen mehr. Ich wünsche mir, dass mein Körper sich dauerhaft beruhigt, dass ich mich nicht mehr fragen muss, wann die nächste Entzündung zuschlägt und was das diesmal für mich bedeutet.

Ich will einfach ein „normales“ Leben. So wie es für gesunde Menschen selbstverständlich ist – ohne ständig auf der Hut sein zu müssen, ohne die Angst vor neuen Wunden, ohne den Schmerz, ohne OP-Pläne. Ich will spontan sein, rausgehen, ohne im Hinterkopf zu haben: Wo ist die nächste Toilette? Wie lange halte ich durch? Habe ich meine Wundversorgung mit?

Aber ich weiß auch: Das passiert nicht von allein. Meine Krankheit verschwindet nicht einfach über Nacht. Deshalb bleibe ich auf meinem Weg – mit allem, was mir hilft: Wundmanagement, Ernährung, Bewegung, Sport, Psyche und alles, was mein Hautbild positiv beeinflusst.

Denn wenn ich eines gelernt habe, dann das: Ich kann nicht zaubern, aber ich kann unheimlich viel dafür tun, dass es mir besser geht. Und genau das werde ich auch weiterhin tun!

Dein Schlusswort:

Zum Abschluss möchte ich mich von Herzen bei NIK e.V. bedanken. Es ist so wichtig, dass Akne Inversa/Hidradenitis suppurativa/Morbus Verneuil sichtbar gemacht wird. Dass Menschen sich für die Krankheit stark machen, Aufklärung betreiben und sich mit vollem Einsatz für Betroffene engagieren – das ist alles andere als selbstverständlich.

Es braucht genau solche Organisationen und Menschen, die mit Herz und Leidenschaft für eine Sache stehen. Die sich nicht vor schweren Themen scheuen, sondern sie anpacken, sie öffentlich machen und uns Betroffenen damit eine Stimme geben. Und das alles mit so viel Mitgefühl, Verständnis und Liebe.

Ich bin dankbar, dass es Einrichtungen wie NIK e.V., aber auch großartige Selbsthilfegruppen wie den Akne Inversa Club oder Mullewupp gibt. Denn genau diese Menschen sorgen dafür, dass wir mehr gesehen, gehört und ernst genommen werden.

Und jetzt bleibt mir nur noch zu sagen: Ich freue mich riesig auf die Hautwochen und bin sicher – das wird wieder großartig!

Stand: 2025