Die Geschichte von Anja

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Wie war der Weg von den ersten Neurodermitis-Symptomen bis zu den Diagnosestellung?

Tatsächlich kann ich mich an meine erstmalige Diagnose nicht mehr erinnern, da ich damals erst zwei Jahre alt war. Allerdings ist meine Neurodermitis dann für viele Jahre verschwunden und ich war symptomfrei. Mit 19 bemerkte ich plötzlich eine trockene und juckende Hautstelle an meinem Hals. Ich ging zum Hautarzt – prompt folgte erneut die Diagnose: Neurodermitis. Da ich dachte, ich sei aus der Erkrankung herausgewachsen, war das ein großer Schock für mich.

War dir gleich bewußt, was die Hautkrankheit für dich bedeutet?

Wie sich die Neurodermitis auf meinen Alltag auswirken würde, ahnte ich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch nicht, da damals erst eine kleine Stelle am Hals betroffen war. Erst nach und nach breitete sich die Erkrankung über meinem gesamten Körper aus – schlaflose Nächte und unzählige Kratz-Attacken waren die Folge. Auch auf meine Psyche hat sich das natürlich stark ausgewirkt.

Wie stark war deine Neurodermitis zur schlimmsten Zeit?

Direkt nach der Diagnose begann die schlimmste Zeit mit der Erkrankung, da sich die betroffenen Stellen am Körper vermehrten. Ich war überrollt von all den neuen Aspekten meines Alltags, die schlaflosen Nächte geprägt von Juckreiz brachten mich an meine Grenzen und darüber hinaus. Außerdem war es schwer für mich, zu akzeptieren, dass jeder sehen konnte, dass ich von einer Hauterkrankung betroffen war. Besonders stark betroffen waren damals mein Gesicht, der Hals, die Schultern, die Kniekehlen, Hände und Ellenbeugen. Meine Haut riss auf und nässte, permanent befand ich mich zwischen Schmerz und Juckreiz.

Wie ist der Status deiner Neurodermitis aktuell?

Aktuell ist meine Neurodermitis gut unter Kontrolle. Ich habe nur selten mit Juckreiz zu kämpfen und die betroffenen Stellen beschränken sich weitgehend auf Gesicht und Hals. An diesen beiden Stellen habe ich immer leichte Ekzeme.

Nimmst du gerade Medikament?

Aktuell habe ich kein medikamentöses Präparat im Einsatz, aber natürlich war das nicht immer so. Zu Beginn verwendete ich cortisonhaltige Cremes, ich habe aber auch schon eine Phototherapie ausprobiert. Nachhaltig hat mir leider beides nicht geholfen. Zu meinem aktuellen Hautbild kam ich durch eine gezielte Ernährungstherapie in Kombination mit Psychotherapie und ganz viel Selbstfürsorge.

Hast du bereits alternative Heilmethoden ausprobiert, die dich bei den regulären Behandlungen unterstützen?

Als Ergänzung zur Cortison-Therapie habe ich vor einigen Jahren Homöopathie getestet. Das war für mich persönlich allerdings nicht gewinnbringend.

Welche Erfahrungen hast du mit Ärzten in Bezug auf deine Autoimmunerkrankung und Therapien gemacht?

Leider wurde ich nicht immer auf Augenhöhe behandelt. Oft fühlte ich mich von Ärzt*innen nicht ernst genommen, wenn ich von meinen Beschwerden berichtete. Ich glaube aber, dass sich in der Zwischenzeit viel verändert hat und es heute deutlich mehr Ansätze zur Behandlung der Erkrankung gibt als damals.

Was sind die Haupttrigger für deine Neurodermits?

Die Trigger für meine Neurodermitis sind sehr unterschiedlich. Was Lebensmittel betrifft bemerke ich vor allem einen starken Zusammenhang mit Zucker, Alkohol und Erdbeeren. Diese habe ich durch ein gezieltes Ernährungs-Symptom-Tagebuch herausgefunden. Sie variieren unter Betroffenen meiner Erfahrung nach sehr stark. Auch Stress triggert meine Neurodermitis enorm. Im Alltag fällt es mir leicht auch sämtliche Lebensmittel zu verzichten, die meinen Hautzustand negativ beeinflussen – beim Thema Stress sieht es da schon etwas anders aus, da es nicht immer so leicht ist diesen ganz aus dem Leben zu verbannen. Wenn ich aber merke, dass meine Haut unter meinem Stresspegel leidet, versuche ich besonders gut auf mich Acht zu geben und bewusste Pausen einzuplanen.

Hast du Last Minute-Linderungstipps, wenn die Haut mal richtig schlimm ist?

Mein Top Tipp für Linderung bei akuter Neurodermitis ist das Kühlen der Haut. Ich bewahre immer ein paar Kühlkissen im Gefrierschrank auf, die ich bei Bedarf auf die betroffenen Stellen lege. Der Juckreiz lässt dann fast immer nach.

Wie hat die Neurodermitis dein Leben beeinflusst?

Meine Neurodermitis hat mein Leben maßgeblich geprägt. Zuvor befand ich mich in einem Büro-Job in einer Branche die mit starkem Leistungsdruck assoziiert ist. Diese Umfeld war für mich sehr toxisch, weshalb ich mich mehr und mehr mit meiner Gesundheit befasst und die Leidenschaft für das Thema Ernährung entwickelt habe. Nach langem Überlegen entschloss ich mich schließlich dazu, meiner neu gewonnen Leidenschaft auch beruflich nachzugehen und begann ein Diätologie-Studium. Heute arbeite ich als Diätologin in einem Klinikum sowie einer eigenen Praxis und unterstütze andere Menschen dabei, sich durch Ernährung in ihrem Körper wohl und gesund zu fühlen.

Als Diätologin weißt du um die Macht der Ernährung. Was hat sich verändert, seitdem du weißt, welche Dinge du als Neurodermitikerin zu dir nehmen kannst und welche nicht?

Ich weiß, dass sich meine Ernährung sehr stark auf meinen Hautzustand auswirkt. Trotzdem versuche ich, mich nicht verrückt zu machen und keine strikten Verbote aufzustellen. Früher habe ich mich mit Ernährungsverboten oft stark eingeschränkt – das hat mir zusätzlich Stress bereitet der sich wiederum auf der Haut gezeigt hat. Heute ist meine Ernährung bunt und vielfältig. Ich esse worauf ich Lust habe und was mir guttut und achte dabei auf eine pflanzliche Basis mit ganz viel Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Vollkornprodukten.

Unter deinem Instagram-Account www.instagram.com/neurodermaedchen lässt du die Menschen an deinem Neurodermitikerinnen-Leben teilhaben und informierst auf selbstironische und lustige Art und Weise über deine Krankheit, ohne dabei den Fokus zu verlieren. Wieso hast du den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt? Und hast du alle deine Rezepte, die du schon gepostet hast, selbst ausprobiert? Die sehen toll aus.

Tatsächlich habe ich mich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sehr alleine gefühlt. In meiner Umgebung gab es leider keine Selbsthilfegruppe, doch ich sehnte mich nach dem Austausch mit Gleichgesinnten. Also beschloss ich mir ein zunächst anonymes Profil auf Instagram zu erstellen, um meinen Hautzustand in einer Art digitalem Tagebuch mit anderen Betroffenen zu teilen. Das half mir enorm durch schwierige Zeiten und so gab ich immer mehr von mir Preis, um auch anderen Erkrankten das Gefühl zu vermitteln, nicht allein zu sein. Heute finden sich auf meinem Profil natürlich auch viele Rezepte, die ich selbst im Alltag gerne koche -also ja: Jedes der Rezepte die ich poste, koche ich selbst regelmäßig! ☺

Welches ist dein absolutes Highlight-Essen jetzt im Winter, das sogar noch gut ist für die Haut?

Bei meiner Ernährung achte ich stark auf Saisonalität, dass heißt, ich liebe es jetzt im Winter mit saisonalem Wintergemüse zu kochen. Eines meiner Lieblingsrezepte ist mein DinkelWurzel-Risotto, das statt weißem Reis mit Dinkelreis zubereitet wird. Der enthält nicht nur mehr Ballast- und Mineralstoffe sondern ist obendrein auch regional. Außerdem verwende ich für das Risotto gerne Rote Rüben (Rote Beete), Wurzelpetersilie und Karotten (Möhren). Für mich ein richtiges Comfort-Food.

Was würdest du Neurodermitiker*innen unbedingt empfehlen, NICHT mehr zu sich zu nehmen, um die Haut zu entspannen?

Das ist schwer zu sagen, da jede Neurodermitis individuell ist. Meiner Erfahrung nach unterscheiden sich auch Trigger-Faktoren stark. Was ich aber jedem empfehlen kann, ist es mal für gewisse Zeit ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch zu führen. So kann man mögliche Zusammenhänge besser abbilden und eine individualisierte Ernährungsform für sich festlegen.

Was ist absoluter Blödsinn in Bezug auf Neurodermitis, aber immer noch fest in den Köpfen der Menschen verankert?

Ein Mythos mit dem ich mich immer wieder konfrontiert sehe, ist die Tatsache, dass Neurodermitis eine Kinderkrankheit ist, die sich „rauswächst“. Das mag für eine Vielzahl der Betroffenen der Fall sein, dennoch gibt es aber auch zahlreiche Erwachsene die betroffen sind.

Wie kommen deine Mitmenschen mit deiner Neurodermitis klar?

Früher gab es oft Situationen in denen ich mich aufgrund meiner Haut beobachtet gefühlt habe oder darauf angesprochen wurde. Heute hat sich das stark geändert. Die Menschen in meinem Umfeld wissen, dass ich diese Erkrankung habe und fragen nicht mehr nach. Negative Begegnungen habe ich früher oft im Rahmen meiner Psychotherapie aufgearbeitet. Das hat mir sehr bei der Krankheitsakzeptanz geholfen und nicht zuletzt dazu beigetragen, dass ich mich heute auch gerne mit Flecken auf der Haut zeige.

Die Psyche ist bei Autoimmunerkrankungen häufig angeschlagen. Was motiviert dich im Alltag, wenn die Haut trocken ist und schmerzt, du kratzt und gefühlt nichts rund läuft mit der Haut?

Ich versuche in diesen Zeiten besonders sanft mit mir zu sein. Früher habe ich mich über meinen Körper geärgert und war wütend. Heute weiß ich, dass mein Körper in solchen Phasen auf meine Unterstützung angewiesen ist. Ich streiche also Termine, die mich stressen und plane Pausen ein. Zum Glück habe ich auch ein tolles Umfeld. Vor allem mein Mann ist mir in Bezug auf meine Neurodermitis seit der Diagnose eine riesige Stütze!

Was wünscht du dir in Bezug auf deine Neurodermitis?

Ich wünsche mir, dass ich auch in Zukunft noch dazulernen darf, welche Faktoren meine Neurodermitis triggern. Manchmal kommt es zu einem Schub dessen Ursache für mich unerklärbar ist. Ich hoffe, dass ich in der Zukunft noch ein paar mehr Antworten auf meine Fragen bekomme.
Ansonsten muss ich aber sagen, dass meine Neurodermitis und ich mittlerweile ein gutes Team sind. Sie lässt mich wissen, wenn alles rund um mich herum zu viel wird – sowas wie meine persönliche Alarmanlage.

Dein Schlusswort:

Die Neurodermitis hat mich dazu gezwungen mich so intensiv mit mir auseinanderzusetzen wie nie zuvor. Das war zu Beginn ganz schön unangenehm, hat mich aber ein ganzes Stück stärker gemacht. Heute weiß ich, dass ich durch diese Erfahrung meinen Traumberuf gefunden und eine andere Seite an mir selbst entdeckt habe.

Stand: 2025