„NIK

Neurodermitis: Die Geschichte von Thea

Bild zur Mut Mach Geschichte Neurodermitis von Thea

Name: Thea
Diagnose: Neurodermitis seit dem 2. Lebensjahr
Instagram: @theatritralisch


Interview

Kannst Du uns etwas über Deine persönliche Reise mit Deiner Erkrankung erzählen? Wann wurde sie diagnostiziert und wie hat sich Dein Leben seitdem verändert?

Meine Neurodermitis wurde bei mir als Baby/Kleinkind diagnostiziert. Noch vor meinem 2. Lebensjahr. Angefangen hat also alles als Baby. Daran habe ich keine Erinnerungen mehr. Dafür umso mehr an die Kindheit. Ich musste oft zu meinem damaligen Hautarzt oder generell zu Ärztinnen und Ärzten. Das war mit viel Zeitaufwand verbunden: Ich wurde direkt von der Schule abgeholt, wir sind zum Arzt gefahren, dann wurde evtl. gerade eine Therapie ausprobiert, was wiederum Geduld & Wartezeit hieß. Der Nachmittag war vorbei, Hausaufgaben musste ich spät abends machen oder brauchte eben eine Entschuldigung. Ich erinnere mich auch gut an die Kindergeburtstage oder Besuch bei Freund:innen, da bei mir immer drauf geachtet werden musste, dass ich nicht zu viel Zucker/Süßigkeiten und bestimmte Obst-/Gemüsesorten esse. Rückblickend fand ich das aber gar nicht so schlimm und auch als keine Einschränkung. Da ging es weiter und die Therapiemöglichkeiten wurden immer angepasst, neu ausgelotet und dank aufgeklärten Ärztinnen und Ärzten auch innovative Therapieformen angewandt. Was unter „innovativ“ verstanden wird, passt sich natürlich im Laufe der Jahre an. Aber ich kann sagen, dass ich neben der Standardbehandlung immer auch weitere Möglichkeiten angeboten bekam und wir innerhalb der Familie dann das Beste daraus gemacht haben. In der Jugend kamen Allergien und Asthma dazu. Den atopischen Formenkreis habe ich also vollkommen in Anspruch genommen. Meiner Haut hingegen ging es echt gut!

Ein einschneidendes Erlebnis als junge Erwachsene war der Tod meines Vaters. Ein absolut psychisch belastendes Ereignis für mich. Parallel zu dieser psychischen Belastung wurde meine Neurodermitis extrem schlimm.

So schlimm, dass ich 2017 zum ersten Mal weitere Schritte gegangen bin, in zwei Hautkliniken war und mich über aktuelle innovative Therapieformen habe aufklären lassen. Nur irgendwie hat mir der Mut gefehlt, eine neue Therapie zu beginnen. Oder ich hatte vielleicht einfach nicht genug Kraft für mich.

In der Schwangerschaft wurde meine Neurodermitis richtig, richtig schlecht und ich habe für mich keinen anderen Weg gesehen, als nochmal alle Hilfe in Anspruch zu nehmen, die ich bekommen konnte. Ich musste etwas tun, um für zwei Lebewesen „gesund“ zu sein und Kraft zu haben.

Bis heute habe ich extrem viel über mich selbst und die Erkrankung gelernt. Es hilft mir, die Erkrankung aus der wissenschaftlichen Perspektive besser verstehen zu können und mich regelmäßig selbst über Forschungen zu informieren.
Ich habe lange gebraucht, aber denke heute sagen zu können, dass ich mich mit der Neurodermitis so annehme, wie ich bin, da sie einfach zu mir gehört.

Welche Herausforderungen hast Du im Umgang mit Deiner Erkrankung erlebt und wie hast Du gelernt, damit umzugehen?

Jetzt empfinde ich es tatsächlich gar nicht mehr als Herausforderung, da der „Zustand“ so okay ist und ich viel gelernt habe. Jedoch unterscheidet sich mein Leben und die Art, wie ich durchs Leben gehe, bestimmt von anderen Menschen, die keine Neurodermitis haben.

Meine Wohnumgebung ist auf meine Erkrankung angepasst: Wenig „Staubfänger“, Teppiche, Vorhänge usw. Regelmäßiges Wischen gehört dazu. Oder wenn ich auswärts essen gehe, dann weiß ich: Ich muss immer einmal um die Ecke denken und nachfragen, ob im Essen wirklich nicht X, Y oder Z drin ist.

Ich liebe es aber zum Beispiel, dass ich mich nicht schminken kann. Ein bisschen übertrieben, ja. Klingt verrückt, spart aber eine Menge Zeit. Ich bin so schnell im Bad fertig, da ich: weder lange heiß duschen kann noch irgendwelches Chichi nuten kann – das finde ich wahnsinnig praktisch.

Ich weiß mittlerweile auch, was ich brauche und wie ich das kommunizieren muss. Sei es am Arbeitsplatz, Kommentare zu meinem Äußeren oder so etwas „Stupides“, wie Pflegeprodukte. Ich weiß, wo alles steht. Meine Familie weiß das auch und wenn ich „die kleine Creme“ brauche, dann weiß sogar mein Kind, was ich suche. So versuche ich auch eine Lockerheit in den Alltag zu bringen und nichts Besonderes aus der Situation zu machen, dass ich vielleicht hier und da Dinge brauche, die andere nicht benötigen (Cremes, Augentropfen, …).

Chronische Erkrankungen/Autoimmunerkrankungen können physisch und emotional belastend sein. Welche Strategien haben sich bei Dir bewährt und Dir geholfen, die positiven Aspekte des Lebens zu leben und sich nicht von der Erkrankung beherrschen zu lassen?

Ich habe mir Unterstützung geholt, indem ich die Neurodermitis Schulung mitgemacht habe und dort Techniken erlernt habe, die mir helfen (z.B. zur Linderung von Juckreiz), aber auch informiert wurde, welche Unterstützungsmöglichkeiten es allgemein für Betroffene gibt. Grundsätzlich denke ich, dass ich auch in Zukunft noch einen starken Zusammenhang zwischen meiner Neurodermitis und meiner mentalen Gesundheit spüren werde. Im Arbeitskontext unterstützt mich hier eine Coachin. Und zusätzlich rede ich ganz offen davon, dass bei Stress, Trauer oder auch Glück, meine Haut einfach mitfühlt. Das ist okay. Und ich muss diese Gefühle auch nicht in den Griff bekommen, sondern sie für mich einfach „richtig“ zulassen und verarbeiten. Dabei hilft mir eben Kommunikation oder auch mein Sport 😊

Kannst Du uns von einem Moment der besonderen Stärke oder des Durchhaltevermögens erzählen, der Dir auf Deiner Reise mit der Erkrankung besonders in Erinnerung geblieben ist oder ein Wendepunkt im Umgang mit der Erkrankung war?

Ja, definitiv. Wie oben erwähnt, war ein einschneidendes Erlebnis als junge Erwachsene der Tod meines Vaters. Ich habe meinen Papa ein Jahr lang gepflegt und die Zeit hat mich emotional sehr stark geprägt. Parallel zu dieser Zeit oder ganz kurz danach ist meine Neurodermitis wieder richtig schlimm geworden und seitdem hat sich mein Leben auch aus dieser Perspektive verändert.

Ich musste dann wieder neu lernen, was Pflegeprodukte sind und wie man sie richtig anwendet. Durch die „Neurodermitis-Pause“ von Kindheit-junge Erwachsene habe ich alles gut verdrängt und „glücklich“ mit meinen Allergien gelebt. Das hieß: testen, testen, testen – und feststellen, dass durch das Internet ganz schön viel Verwirrung und falsche Heilungsversprechen aufkommen können.

In der Schwangerschaft wurde meine Neurodermitis dann nochmal richtig, richtig schlecht und ich habe für mich keinen anderen Weg gesehen, als nochmal alle Hilfe in Anspruch zu nehmen, die ich bekommen konnte. Ich musste etwas tun, um für zwei Lebewesen „gesund“ zu sein und Kraft zu haben. Seit dem nutze ich eine innovative Therapie, die mich sehr unterstützt.

Viele Menschen mit Autoimmunerkrankungen fühlen sich manchmal isoliert. Hast Du Tipps oder Ideen, wie man Unterstützung in Form von Familie, Freunden oder der Gesellschaft findet?

Das finde ich eine sehr schwierige Frage. Nicht jeder Person liegt eine offene und direkte Kommunikation. Gerade, wenn man sich vielleicht lieber zurückziehen möchte. Ich versuche durch meine offene und direkte Art sowohl gegenüber Familie, Freunde, als auch am Arbeitsplatz zu sensibilisieren und gleichzeitig aufzuklären. Vielleicht gerade für die Menschen, die eben keine Kraft dafür haben.

Ich selbst habe auch schon Isolation erfahren, indem sich Menschen in der Bahn von mir weggesetzt haben, nachdem ich mich kratzen und/oder eincremen musste. Mein Gedanke: „Ganz ehrlich, du kannst mir leidtun. Du hast es bestimmt nicht anders gelernt“. Und gleichzeitig bin ich stolz auf mich, dass ich meine Bedürfnisse in diesem Moment zulassen konnte und mich in der Öffentlichkeit eingecremt habe.

Für mich mag das mittlerweile normal sein. Aber so ganz „normal“ ist es halt nicht, wenn man mit Laptop, Smartphone, Augentropfen, kleiner und großer Creme im Meeting auftaucht.
Vielleicht ist dann mein Tipp: Einfach machen! Das, was dir guttut!

Wie hat sich Deine Perspektive auf Gesundheit und Wohlbefinden verändert, seitdem Du mit der Erkrankung lebst?

Ich mache Dinge bewusster. Und ja, ich esse z.B. auch Dinge, die meine Neurodermitis triggern könnten. Ganz bewusst nach dem Motto: Ja, ist scheiße, aber leider geil. Das mache ich dann genau in diesem Moment und genieße es auch. Die Quittung kommt danach. Aber dann weiß ich wenigstens – einmal – weshalb meine Haut „schlimm“ wird.

Hast Du Ratschläge für andere Menschen mit Autoimmunerkrankungen, die vielleicht gerade erst ihre Diagnose erhalten haben?

Fragen stellen. So lange fragen, bist dus verstanden hast! Ich finde es extrem wichtig, dass man zu einer mündigen Patientin wird und für sich selbst auch Therapien abwägen kann und Entscheidungen versteht.

Ich selbst hatte – natürlich – nicht immer diese Einstellung. Ich bin so oft weinend aus einer Klinik raus, von Ärzt:innen nach Hause – weil ich verzweifelt war, mich unverstanden gefühlt habe und so, als wäre ich keinen Schritt weitergekommen.

Die Realität in Praxen sieht heute so aus, dass man vielleicht noch gar nicht so lange Patientin oder Patient dort ist. Den Mediziner:innen vielleicht die Zeit und der Blick fürs große ganze Bild fehlt. Deshalb darfst du unbedingt Eigeninitiative ergreifen und nachfragen, Informationen zu dir/über dich ergänzen.

  • Was bedeutet das für mich?
  • Wie geht es danach weiter?
  • Was kann ich zusätzlich noch tun?
  • Wie erreiche ich sie im Notfall?
  • Wo kann ich Informationen zu meiner Erkrankung finden?
  • Welche Anlaufstellen können Sie mir empfehlen?

Aber auch die Frage danach, ob der Arzt oder die Ärztin mehrere Patient:innen mit deiner Diagnose betreut, ist berechtigt. So könntest du zum Beispiel herausfinden, wie der Erfahrungswert mit der Erkrankung ist.

Welche Rolle spielt die Ernährung und körperliche Aktivität in Deiner Bewältigungsstrategie?

Ich würde tatsächlich nicht von „Bewältigungs- „Strategie sprechen, sondern einfach der „Krankheitsintegration“. Meine Neurodermitis gehört ja zu mir. Und dann soll sie mir manchmal halt bitte nicht auf den Keks gehen. Mein Gedanke ist dann wahrscheinlich: Ich mache jetzt einfach und du [Haut], du sei bitte mal leise.

Denn leckeres Essen tut mir wahnsinnig gut. Ich esse gerne und genieße es auch.

Sport ist ja meine große Leidenschaft. Ich mache seit über 10 Jahren Triathlon und Läufe. Dort kann ich Stress abbauen und Kraft tanken. Mittlerweile habe ich mich auch vom Leistungsgedanken entfernt und lasse lockere, kurze Einheiten zu.

Bewegung stärkt vor allem meine mentale Gesundheit sehr.
Gibt es bestimmte Hobbys, Aktivitäten oder Interessen, die Dir dabei helfen, Dich abzulenken oder mehr Freude zu empfinden?

Auf jeden Fall hilft mir mein Sport. Aber auch Kreativität bietet mir die Möglichkeit, mich abzulenken und mich in anderen Dingen zu verlieren. Ich lese gerne. Genieße es Kaffee trinken zu gehen und gute Gespräche über ganz unterschiedliche Themen zu führen und z.B. ganz bewusst mal zu sagen: Heute sprechen wir nicht über die Arbeit.

Was möchtest Du anderen mitteilen, die ähnliche Kämpfe durchmachen? Welche Botschaft der Hoffnung oder des Mutes möchtest Du teilen?

Aus meiner Perspektive würde ich empfehlen, den Kampf nicht gegen etwas zu führen, sondern gemeinsam mit etwas. Mir hilft die Vorstellung, dass meine Neurodermitis – und alle Begleiterscheinungen – eben da sind. Aber ich kann mit ihr gemeinsam neue Wege gehen.

Ich glaube, dass eine Akzeptanz helfen kann, den Stress abzubauen, dass etwas weggehen muss. Es ist okay, wenn die Erkrankung da ist, aber ich versuche sie „zu besänftigen“.

In meiner Kindheit wurde z.B. immer von Neurodermitis als „schlimme Haut“ gesprochen. Die Beschreibung ist bei mir natürlich jetzt sehr eingeprägt, dennoch versuche ich sie zu vermeiden. Denn meine Haut ist nicht schlimm, sondern sieht halt nur anders aus als bei anderen Menschen.

Habe ich gerade heute Morgen gerade wieder zu meinem Kind gesagt: Nein, das ist kein „Aua“/“nicht schlimm“ Mama hat eine andere Haut als du. Das ist völlig okay. Jeder Mensch hat eine andere Haut“.

Du bist voll okay, so wie du bist! Und gerade das macht dich aus.

Wie hat die Erfahrung mit Deiner Erkrankung Deine Einstellung zu Selbstfürsorge und dem Umgang mit Stress beeinflusst?

Leider noch gar nicht. Da muss ich ganz ehrlich sein. Ich weiß – also das Bewusstsein dafür ist zu 100 % da – dass Stress ein großer Auslöser für meine Neurodermitis und mein Wohlbefinden ist und tatsächlich noch mehr Erkrankungen rund um die Neurodermitis begünstigt. Aber ich schaffe es tatsächlich nicht, den Stress positiv zu beeinflussen. Für mich ist diese Erkenntnis wahrscheinlich schon ein Schritt, um es mal irgendwann wirklich zu schaffen.

Ich lege jedoch großen Wert darauf, dass ich viel und regelmäßig Schlaf bekomme. D.h. ich gehe zu einer gewohnten Uhrzeit ins Bett.

Und auch hier spielt der Sport wieder eine große Rolle: Diese Zeit gehört dann nur mir. Nur ich. Nur der Sport. Und wenn es kein Lauf oder Ähnliches sein kann, dann eben ein Spaziergang. Aber die Zeit an der frischen Luft ist mein Ort, um Kraft zu tanken.

Bestimmt hat mein Kind auch einen positiven Einfluss auf meinen Umgang mit Stress, da ich mir auch hier ganz bewusst Momente zum Lesen oder Spielen nehme und dann nur in dem Moment bin.

Kannst Du uns von einem besonderen Moment erzählen, in dem Du Dich besonders überwältigt gefühlt hast, es aber geschafft hast, diese Herausforderung zu bewältigen?

Hier passt wahrscheinlich gut das Beispiel vom Triathlon. Ich hatte einen Wettkampf und starken Neurodermitis-Schub. Meine Haut reagiert dann auch auf Wasser, ist gereizter und sehr, sehr trocken. Beim Triathlon muss ich ja aber Schwimmen. Das heißt, die Haut wird nass und trocknet danach aus, wenn ich sie nicht direkt eincreme.
Was kann ich also tun? War mein Gedanke.
Ich habe also einen Laufrucksack mit allen Pflegeprodukten gepackt, die ich brauche und habe mich nach dem Schwimmen erstmal eingecremt 😀 Den Rucksack hatte ich dann auf dem Rad auch dabei, damit ich im Worstcase (Juckreiz, wenn die Haut ganz stark spannt) direkt alles habe, was ich brauche. In der Wechselzone vom Rad auf die Laufstrecke habe ich dann nochmal mein Gesicht eingecremt und konnte so am Triathlon teilnehmen und finishen.

Mir hat es hier geholfen, dass ich nicht das Problem – meine Haut – sehe, sondern über Lösungen nachdenke, wie ich die Einschränkung „umgehen“ ober eben „lösen“ kann.