„NIK

Neurodermitis, Morbus Bechterew & Guillan-Barré-Syndrom: Die Geschichte von Jasmin

Mut-Mach-Geschichte von Jasmin Haller - Guillan-Barré-Syndrom , Morbus Bechterew & Neurodermitis

Name:  Jasmin Haller
Alter: 33
Diagnose: Guillan-Barré-Syndrom (Juni 2023); Morbus Bechterew genetisch nachgewiesen (Anfang 20), aber erste Schübe bereits vorher; Neurodermitis in jungen Jahren stark ausgeprägt

Interview: 

Deinen ersten Kontakt zu einer Autoimmunerkrankung hattest du in jungen Jahren mit Neurodermitis. Wir war der Weg von den Symptomen bis zu den Diagnosestellung? Danach kam Morbus Bechterew. Wie war es hier mit den Symptomen bis zu den Diagnosestellung? Dann später kam noch das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) dazu, eine sehr seltene Nervenerkrankung. Wie war es hier bis zu Diagnosestellung?  

Die Diagnose Neurodermitis war offensichtlich und unbestritten: Vor allem die Innenseite der Ellenbogen sowie beide Beine waren von einer Schicht aus Hornzellen bedeckt, die ich mir unwillkürlich abzuschaben versuchte. Langwierig blieb vielmehr die Suche nach geeigneten Produkten und Strategien, die meinem Körper und Geist Linderung verschafften und in weiterer Folge erste Schritte zur [Selbst-]heilung darstellen sollten. 

Regelmäßige Augenentzündungen und Schmerzen bis hin zu krampfhaften Symptomen begleitet von regelrechter Übelkeit traten bereits vor meiner Volljährigkeit gehäuft auf. Im Kreise der Familie schienen die Anzeichen des Morbus Bechterew zwar deutlicher, aber dennoch ebenso jahrelang unentdeckt. Durch den unermüdlichen Einsatz einer bereits verstorbenen Tante wurde bei mir sowohl der Genmarker HLA-B27 mit Anfang 20 nachgewiesen als auch fortan auf Entzündungswerte und Versteifungen der Wirbel geachtet. 

Aktuell leide ich an einem Schub des Guillan-Barré-Syndroms. Die jahrelangen Erfahrungen mit Fachärzten gaben mir instinktiv den Wink, dass hier eine neurologische Ursache ausschlaggebend für meine Symptome sein müssten und demzufolge suchte ich 

unverzüglich eine Expertin und zeitgleich Oberärztin des Krankenhaus Nord in ihrer Privatpraxis auf. Von Lähmungserscheinungen und zum Taubheitsgefühl an Armen und Beinen bereits gezeichnet, schleppte ich mich in die Ordination, in welcher bereits kaum bis hin zu gar keinen Reflexe messbar schienen. Im Krankenhaus Nord bestätigten noch am selben Tag weitere Ärzte aufgrund ihrer Untersuchungen die Annahme, sodass die Vergabe von Immunglobuli alsgleich folgte. 

Gab es bei einer der Diagnosestellungen Komplikationen? 

Die Diagnose Morbus Bechterew kam einem Marathonlauf mit sich stetig nach hinten zu verschiebenden Zielpfeiler gleich. Für all jene Leser*innen, die den Brettspielen zugetan sind: Mensch ärgere dich nicht! scheint mir eine ebenso passende Analogie. 

Erinnerst du dich an den Moment der ersten Diagnose? Wie hat er sich für dich angefühlt 

Die Welt stand still und drehte sich rasant im gleichen Atemzug. Mir und meiner Familie war nicht klar, was die Diagnose bedeutete. Selbst das Bewusstsein darüber von der Diagnose innerlich stark berührt zu sein, stellte einen andauernden Prozess dar.  

Und jede neue Diagnose stellte mein Umfeld und mich vor erneute Herausforderungen und weckte neue teilweise unbekannte Empfindungen.  

Wie stark sind die Krankheiten bei dir fortgeschritten? 

Dankenswerterweise konnte ich nicht nur die Neurodermitis in den Griff bekommen, sondern darüber hinaus das hervorgerufene Narbengewebe bestmöglich ausheilen. An dieser Stelle möchte ich jedoch anmerken, dass ich auf jegliche Narbe, die ich aufgrund meines Lebens und v.a. hinsichtlich meiner Erkrankungen gesammelt habe, mit Ehrfurcht und Stolz blicke! Die Scham diesbezüglich durfte ich im Zuge meines Kampfes gegen die Neurodermitis mitunter besiegen. Ein Musterbeispiel für neue Chancen und tief vergrabene Kräfte die hervortreten können. 

Zu behaupten, der Morbus Bechterew sei kaum fortgeschritten wäre unspezifisch. Jedoch blieb ich bisher unverschont von einer lebenseinschneidenden Verknöcherung der Wirbelsäule. 

Das Guillan-Barré-Syndrom (GBS) scheint ein Kapitel, welches noch finalisiert wird, in einer gefühlt stetig zu erscheinenden Neuauflage meines Manuskriptes zu den Autoimmunerkrankungen. Eines steht jedoch bereits fest: Unumstritten bin ich der raschen Diagnose und der unmittelbaren Verabreichung der Immunglobuli sowie anschließenden Therapie dankbar. Durch diese Maßnahmen kann man voller Zuversicht von einem „Glück im Unglück“ sprechen. 

Therapierst du gerade und nimmst Medikament?  

Ich befinde mich seit Juni 2023 in Therapie hinsichtlich des GBS. Zuvor durfte ich bereits mehrfach v.a. aufgrund von Sportverletzungen und dem Morbus Bechterew physikalische Institute und dergleichen aufsuchen. Meiner Erfahrung nach sind zwei Komponenten ausschlaggebend: Der eigene Ansporn und eine tatkräftige Unterstützung. Die zweite Komponente ist eine harmonische Beziehung zu deinen Therapeut*innen.    

Hast du bereits alternative Heilmethoden ausprobiert? 

Ich bin eine Befürworterin eines bunt gestreuten Methodenkoffers. Ich liebe es aus einer Facette an Hilfsmitteln „das Richtige für mich“ herausgreifen zu können. Dies hat vor allem den Vorteil, dass man sich bewusst mit sich selbst und seinem Körper und Geist auseinandersetzt. Für all jene, die dies jedoch aus unterschiedlichen Faktoren heraus nicht können oder möchten, rate ich an, dennoch kurz in sich hineinzuhören. Beispielsweise war ich stets ein aktiver Mensch und setzte auf Kraft und Adrenalin. Meditation und Yoga sind äußerst effektiv, jedoch war der Weg zur Ruhe für mich ein zu erarbeitender Prozess und demnach mit einem klassischen Gang in die Übungsgruppe nicht im gleichen Sinne erfolgreich zu bewältigen. Es gilt seinen Weg an sein individuell geknüpftes Tempo und Ziel zu verfolgen. Dabei setzte ich auf Offenheit auch einmal nach links und rechts zu blicken. 

Wie man auf deinem Instagram-Profil @haller_jasmin sieht, liebst du die Natur und bist aktiv mit ihr verbunden: Du wanderst, fährst Motorrad, hast das Bouldern für dich entdeckt. Wie unterstützt dich die Natur mit deinen Krankheiten, deinem Körper und deiner Seele?  

Passend zur Thematik und dennoch für die/den eine/n unpassend erscheinen mögen die Worte von Ernst Ferstl sein: „Die mit Abstand beste Nerven-Heil-Anstalt ist die freie Natur.“  

Der Morbus und ich haben eine gemeinsame Hass-Liebe im Outdoorsport gefunden. Beide quälen wir uns zum Beispiel einen Berg hinauf und werden eine Einheit voller Erleichterung sowie wir die frische Luft einatmen und den Berg hinab rasen dürfen mit dem Mountainbike! Zu meinem 33 Geburtstag legte ich 3.300 Höhenmeter zu Fuß und gleich im Anschluss mit dem Mountainbike zurück und genoss den Ausblick auf über 3.300 Höhenmeter. Umso vorstellbarer wird nun vermutlich die Herausforderung in der Diagnose GBS: Mein Ventil – Meine Leidenschaft – Meine Hass-Liebe wurde mir entrissen. Wie kämpft man sich durch den Dschungel ohne Werkzeug? Indem man Neues baut. Die Natur gibt uns so viel, wir müssen nur die Augen öffnen. Den Blick nach links und rechts wenden. 

Wenn du an dein Morbus Bechterew in die Zukunft denkst, was macht dir da am meisten Angst? Mit welchen Mitteln, gehst du gegen die rheumatischen Beschwerden vor und mit welchen Mitteln gegen deine Angst? 

Es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl, indem dich die Kraft verlässt. Indem du ein Gefangener deines eigen erbauten Gefängnisses bist: Deinem Körper! In eben dieser Furcht fand ich meinen Nenner, um der Furcht und Krankheit zu begegnen: Du! So vielschichtig der Mensch ist, so vielseitig sind seine Rollen im Zuge einer Autoimmunerkrankung. Ich habe mich dazu entschlossen, die Projektleitung zu übernehmen. Ähnlich einem Projekt im Sinne des Baus eines Gefängnisses, müssen wir mit dem Unberechenbaren rechnen; aber vor allem können wir die Meilensteine setzen. Beides Fertigkeiten, die mir stets geholfen haben! Setze dir immer wieder Meilensteine, evaluiere, optimiere und lass dich niemals von Tiefschlägen in einen Tiefenrausch ziehen! 

Welche der Krankheiten macht dir im Alltag am meisten zu schaffen und welche Dinge helfen dir am besten durch den Alltag hindurch?  

Aktuell kämpfe ich gegen Beschwerden aufgrund des GBS. Selbst an sogenannten „guten Tagen“ leide ich beispielsweise unter einem Schwindelgefühl bis hin zur Übelkeit. Weiter sind mein Gleichgewichts- und Koordinationssinn neben meiner Leistungsfähigkeit im Allgemeinen gemindert worden. Hierfür arbeite ich mit Düften und Bildern, speziellen Körperübungen und Hilfsmitteln wie Gehstöcken.  

Im Gegensatz zu früher beobachte ich meine Grenzen strenger und bin weniger hart im Umgang mit mir selbst und meiner erbrachten Leistung. 

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist ziemlich selten. Wie hast du Spezialisten und Therapien gefunden? Was ist vielversprechend auszuprobieren? 

Mein Tag wird begleitet von ergotherapeutischen und physiotherapeutischen Einheiten. Dazu kommen Übungen zur Stärkung von Gleichgewicht- und Koordination gefolgt von einem Muskelaufbautraining in Kombination mit einer diätologischen Betreuung. Wichtig hierbei sind Entspannungsübungen und Pausen einzulegen. 

Welche der Krankheiten ist für deine Mitmenschen am schwierigsten zu meistern? Oftmals stand meine Autoimmunerkrankung einer Freundschaft oder gar Beziehung im Wege. Man möge meinen, das Schmerzhafte seien Blicke und Herausforderungen im Alltag, doch vielmehr sind es die Grenzen, welche einem von Dritten auferlegt werden. Eine Beförderung scheint riskant, ein Besuch zu umständlich und ein gemeinsamer Lunch zu unaufregend. Ich bin stets in Gesellschaft und meistere mein Leben erfolgreich würde ich behaupten und dennoch allein.  

Schätze die Anzahl jener, die mit mir einen alkoholfreien Geburtstag feiern möchten während ich die Kerzen auf einer eigens gebackenen, proteinreichen und fettarmen Torte auspuste; und ich sage dir im Gegenzug wie viele Hochzeiten und Geburtstagsfeiern ich jährlich miterleben darf. Mag es an der Tatsache liegen, dass ich stehts mit Freuden das Kochen, Grillen, Beschenken übernehme oder womöglich am Fakt, dass die Verantwortung für das Individuum in der Masse sinkt. Anders formuliert: Ich musste feststellen, dass der Umgang den meisten Menschen schwer fällt bis hin zu unangenehm ist. Eine wertfreie Feststellung verfasst wenige Tage vor meinem Ehrentag 😉 

Was wünscht du dir in Bezug auf das Rheuma, die Neurodermitis und GBS? 

Eines Tages wieder einen Gipfel zu besteigen und nie wieder darum fürchten zu müssen! 

Dein Schlusswort: 

Du selbst bist dein größter Halt! Die stärkste Säule auf die du je bauen wirst. Höre auf Dich – hör auf Deinen Körper und Geist. 

Jasmin Haller - MMG  Jasmin Haller - MMG