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Multiple Sklerose: Die Geschichte von Daniela

Bild zur Mut Mach von Daniela - Multiple Sklerose

Name: Daniela
Alter: 28
Diagnose seit: Multiple Sklerose, 2021
Instagram: @chronically.glorious

Interview:

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?

Ich hatte schon ein Jahr vor dem Verdacht auf Multiple Sklerose erste Symptome, die ich mit meinem Wissen heute als solche erkennen kann, früher jedoch nicht. Damals war ich bei einer Neurologin, die trotz erkennbaren Flecken auf meinem MRT meinte, sie kann nichts finden und alles wäre gut. Die Symptome Schwindel und Kopfschmerzen hat sie auf mein Gewicht geschoben und mein Lhermitte-Zeichen hat sie gar nicht erkannt und mit „keine Ahnung, was das ist“ abgetan. Zum Glück gingen die Symptome nach ca. drei Monaten wieder von alleine weg.

Der Verdacht auf MS wurde mir dann bei einem MRT mitgeteilt, das ich eigentlich zur Abklärung für eine Thrombose bekommen habe. Der Neurologe danach hat diese Bilder und meine Symptomatik auch abgetan und meinte, es könnten ganz verschiedene Dinge sein, ich soll in einem Jahr nochmal kommen und ein Vergleichs-MRT machen.

Ich wusste aber, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmt und habe einen dritten Neurologen aufgesucht, der mir schon bei meinem ersten Besuch sagen konnte, dass MS sehr wahrscheinlich ist. Es mussten aber noch Tests, wie beispielsweise eine Lumbalpunktion, gemacht werden, weil vorher offiziell keine Diagnose gestellt werden konnte. Bei der inoffiziellen Diagnosestellung (dritter Neurologe) war ich mir selber schon sehr sicher, dass es die Multiple Sklerose ist, da ich schon gegoogelt hatte und meine Symptome und die Beschreibung der MRT-Bilder sehr genau darauf passten.

Erinnerst du dich an den Moment, an dem du deine MS-Diagnose erhalten hast?

Bei der offiziellen Diagnose, nach Abschluss aller Tests, ist die Erleichterung mitgeschwungen, dass ich endlich eine Erklärung habe für meine Symptome.

Bei der Verdachtsäußerung ein paar Monate vorher ist dagegen meine Welt zusammengebrochen. Ich war zwar sehr gefasst, aber nur bis ich aus der Praxis raus war und meine Mutter angerufen habe. Als ich meine Mama am Telefon hatte, musste ich so weinen, das sie mich die ersten Minuten gar nicht verstanden hat. Ich wusste zwar nicht, was genau MS ist, aber alleine der Gedanke und die Worte das ich „Flecken“ im Gehirn habe, haben mir das Gefühl gegeben, dass das was Schlimmes ist.

War dir sofort bewußt, was die Diagnose für dich, deine Familie und Freunde bedeutet?
Nein, das war mir nicht klar. Aber ich hatte sofort den Rückhalt der wichtigsten Personen in meinem Leben. Mittlerweile sind wir uns alle bewusst, was es bedeuten KANN. Aber dadurch, dass man nicht planen kann, wie schnell und/oder weit sich die MS entwickelt, nehmen wir jeden Tag so wie er kommt und freuen uns über jeden Tag an dem alles „ok“ ist.

Wie weit ist deine MS bereits fortgeschritten?
Das Ausmaß meiner Symptome ist noch – oder wieder – relativ gering, auch durch meine jetzigen Medikamente. Dennoch ist meine MS laut der MRT-Bilder und der Häufigkeit der Schübe in dem kurzen Zeitraum der ersten wahrgenommenen Symptome sehr aktiv und ich habe viele Läsionen.

Neben der MS plagen dich Depressionen und eine generalisierte Angststörung. Was war zuerst da und bedingen sich die Krankheiten gegenseitig?

Meine Depressionen und meine Angststörung sind schon seit meiner Teenie-Zeit da, erste Anflüge schon seit der Kindheit. Natürlich hat die Multiple Sklerose viele Dinge wieder „verschlimmert“, vor allem meine Ängste in Bezug auf Krankheit und Symptome – egal ob sie nun mit MS zu tun haben oder nicht. Wenn ich das Gefühl habe, etwas stimmt nicht, kann ich mich nicht zu hundert Prozent auf die Ärzte und ihre Diagnosen oder Nicht-Diagnosen verlassen, weil ich vor meiner MS-Diagnose mit meinen Symptomen nicht wirklich ernst genommen wurde. Ich wurde von den Ärzten nicht richtig beraten.

Du bist Erzieherin und den ganzen Tag von Kids umgeben. Ist es für dich energieraubend mit den Kindern zu arbeiten und geben sie dir eher Kraft?

So gerne ich auch mit den Kindern arbeite, meistens ist es eher energieraubend. Das liegt
vor allem an der stundenlangen lauten Beschallung. Aber es gibt auch Momente mit den Kindern und auch manchen Eltern, die mir zeigen, dass ich trotz allem im Moment den richtigen Job mache.

Bist du schon mal zu weit gegangen hast die MS unterschätzt und sie hat dich dann böse eingeholt?

Bevor ich meine jetzigen Medikamente angefangen habe, habe ich körperliche Anstrengung am nächsten Tag sehr gemerkt. Auch im Sommer zu lange in der Hitze zu sein, hat mich extrem niedergeworfen. An den schlimmsten Tagen hatte ich so starke Empfindungsstörungen, auch in Form von „Ameisenlaufen“, dass ich unglaubliche Schmerzen in Beinen und Armen hatte. An solchen Tagen habe ich oft geweint und mir oft die Frage gestellt „Wieso ich?“.

Mittlerweile gebe ich mir an solchen Tagen Abends bis zu 30 Minuten Zeit alles rauszulassen. Dann suhle ich mich in meinem Leid bevor ich mich wieder beruhige und mir die positiven Dinge vor Augen bringe. Zum Glück sind die schlimmen Tage sehr gering geworden.

Auf deinem Instagram-Kanal @chronically.glorious sieht man, dass du Katzen-Mama bist. Sind deine Katzen deine Geheimwaffe, wenn die Multiple Sklerose im Alltag zu viel wird?

Mein Kater ist noch jung und dadurch manchmal auch sehr anstrengend und fordernd, weil er am liebsten stundenlang spielen möchte. An Tagen, an denen es mir nicht so gut geht, ist das natürlich eher kontraproduktiv. Aber durch meinen Kater habe ich auch an den schlechten Tagen einen Ansporn aufzustehen und mich dadurch wenigstens ein bisschen zu bewegen. Er ist einer der Gründe, wieso es sich lohnt weiterzumachen und auch schlimme Tage durchzustehen.

Wer oder was (neben deiner Katze) unterstützt dich in deinem Multiple Sklerose-Alltag?

An erster Stelle meine Mama. Ich konnte mich früher schon immer auf sie verlassen und das ist durch die Diagnose eher noch mehr geworden. Zweitens führe ich ein Symptomtagebuch, wodurch ich alle Schwankungen und mögliche Auslöser im Blick habe. Und drittens, dass ich mit meiner MS sehr offen umgehe, was mir bisher sehr geholfen hat.
Ich habe das Glück, in meinem Umfeld noch keiner Person begegnet zu sein, weder in der Arbeit noch privat, die offen negativ auf meine MS reagiert hätten.

Wie geht es dir aktuell? Therapierst du gerade oder nutzt du alternative Heilmethoden, die dir helfen?

Meine jetzige Therapie finde ich super, denn ich vertrage sie gut und meine MS-Symptome sind unter Kontrolle und besser geworden. Ich bin zwar leider dadurch für Infektionen anfälliger, was ich durch dauerhaften Schnupfen merke, aber das nehme ich gerne in Kauf. Meine vorherige Therapie war dafür für die Katz. Schlimme Nebenwirkungen und bis zu drei Schüben innerhalb eines halben Jahres. Mein Tipp: Lasst euch nicht abwimmeln, wenn ihr Fragen zu einem Medikament habt, die ihr von eurem Neurologen beantwortet haben möchtet.

Ansonsten habe ich gemeinsam mit meiner Neurologin geschaut, welche Sachen ich zusätzlich einnehmen kann, wie z. B. Vitamin D. Meine Ernährung habe ich jedoch nicht aktiv umgestellt, aber mir viele Rezepte aus MS-Büchern rausgesucht. Es gibt so viele unterschiedliche Herangehensweisen, da sollte jeder das machen, was ihm guttut und ihn glücklich macht. Das heißt für mich beispielsweise auch, mal was Ungesundes zu essen, wenn man will.

Psychotherapie finde ich immer hilfreich. Es ist einfach gut, jemanden Professionellen zu haben, der dir durch Tiefpunkte durchhilft. Natürlich ist es leichter gesagt als getan, professionelle Hilfe zu finden, aber ich kann es jedem nur empfehlen, egal ob ihr gut mit eurer MS oder einer anderen Krankheit zurechtkommt oder nicht.

Was wünscht du dir in Bezug auf deine Multiple Sklerose?

Ich wünsche mir, dass die MS ruhig bleibt und ich, falls was kommt, auch weiterhin meine Freude am Leben nicht verliere.

Dein Schlusswort:
Akzeptanz und Offenheit mit der Krankheit haben mir sehr geholfen, meinen Weg mit der Multiple Sklerose zu finden. Ich würde nicht sagen, dass ich der Krankheit dankbar für irgendetwas bin, und ich gebe mir auch die Zeit, die MS zu verteufeln, aber sie ist halt ein Teil von mir und ich werde das Beste machen, mich nicht unterkriegen zu lassen.

Ich nehme jeden Tag, so wie er kommt.