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Multiple Sklerose: Die Geschichte von Laura

Mut-Mach-Geschichte von Laura - Multiple Sklerose

Name: Laura
Alter: 32 (Jahrgang 1990)
Diagnose: Multiple Sklerose, offiziell 06/2013, erste Symptome 2011

 

Wann und wie hast du bemerkt, dass du unter Multiple Sklerose leidest?

Alles fing mit Blasenproblemen an. Schon seit 2011 musste ich immer häufiger und „dringender“ als andere zur Toilette, wobei mir zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst war, warum. 2012 kam dann ein taubes Gefühl auf der linken Seite meines Körpers dazu, das ich während einer Massage meines damaligen Freundes bemerkt hatte. Kleiner Hinweis off the Record: Mein Freund von damals ist es übrigens heute auch noch 🤭. Nach einem Gang zum Orthopäden, weil ich einen eingeklemmten Nerv vermutete, ging der Marathon los. Neurologie, Krankenhaus, zahlreiche Untersuchungen, Nadeln im Kopf für irgendwelche Messungen und am Ende eine suspekte Diagnose: Transvere Myelitis, die mich nicht so richtig schlau machte. Ich hatte mich durch Google selber ganz gut beraten und schlussendlich für mich MS diagnostiziert (Prof. Dr. Dr. Laura könnte man mich auch nennen). Doch stand diese Diagnose weiterhin für den damaligen Arzt nicht im Raum. Wuhuuuu, kein Jahr später ging es dann weiter, wohl bemerkt auch wieder auf meiner linken Seite, die übrigens bis heute noch taub ist, kribbelt und komische Missempfindungen hat. Diesmal war ich aber beherzter und glaubte meiner Selbstdiagnose, packte meine ganzen Untersuchungsergebnisse in die Tasche und bin zur nächsten MS Ambulanz gefahren – und zack, nachdem ich alle Unterlagen vorgelegt hatte, wurde ein MRT gemacht, ich bekam 5 Tage Cortison und die offizielle Bestätigung der Multiple Sklerose. Das war wie Lotto spielen 1:16.000.000 oder so.

Gab es besondere Schwierigkeiten bei der Diagnose?

Wenn die Ärzte auf meine Diagnose vom Anfang gehört hätten, hätte es bestimmt keine Schwierigkeiten oder eine „taube“ , linke Körperhälfte gegeben. Vielleicht sollte ich doch noch Medizin studieren 😅😉.

Fühltest du dich bei der Diagnose und danach ärztlich gut betreut?

Beim ersten Neurologen und im ersten Krankenhaus definitiv nicht! Als dann in der MS Ambulanz, im Klinikum Ibbenbüren, offiziell die Diagnose gestellt wurde, habe ich mich super aufgehoben gefühlt, dort bin ich übrigens heute noch und immer noch sehr, sehr zufrieden.

Wie erinnerst du den Moment, an dem du deine Diagnose erhalten hast? Wie hat sich das angefühlt? War dir bewusst, was die Diagnose für dich bedeuten kann?

Naja, durch meinen Dr. Titel von Google, wusste ich ja schon in etwa, was auf mich zu kommt, noch vor offizieller Diagnosestellung. Im Endeffekt schockieren mich schlechte Nachrichten nicht, ich sehe sie als Herausforderungen an. Ich schlage mich mit meiner humorvollen und sarkastischen Art ganz gut durch’s Leben, würde ich behaupten. In der MS-Szene setzen viele auf Selbstmitleid, womit ich nicht viel anfangen kann, weil es einen nicht weiter bringt im Leben und nur noch kränker macht. Wobei hin und wieder darf man sich auch mal ausheulen, das ist gut für’s Gemüt. Ich persönlich mach dies in letzter Zeit öfter bei meinen zwei super Kolleginnen, die sehr wichtig sind in meinem Leben. Von meiner Diagnose wissen nicht viele, die Personen kann ich an 2 Händen abzählen.

Hat sich dein Leben und das deiner Familie seit der MS-Diagnose verändert?

Mein Leben hat sich positiv verändert. Ich habe meinen Fachwirt gemacht, meinen Job gewechselt und leite jetzt seit fast 10 Jahren ein ganz tolles Team! Ansonsten mach ich alles das, worauf ich Bock habe, außer die Fatigue haut mir dazwischen, dann muss auch ich mal kapitulieren und den Tag piano angehen. Ansonsten sind sowohl meine Eltern, mein Partner und meine zwei besten Freunde nicht vor mir und der MS weggelaufen und immer noch Teil meines Lebens 🙂. Sogar mein Freund steht immer noch voll hinter mir, was ich kaum glauben kann, weil ich manchmal echt ‘ne Furie sein kann.

Wie weit ist deine Krankheit fortgeschritten?

Also bisher habe ich noch gefühlte 99 % Macht über meinen Astral-Körper 😂. Hier und da kribbelt es ein bisschen, mal kommen Spastiken dazu, ein Tag, der mir durch die Fatigue kaputt gemacht wird oder meine Beine schlapp machen. Aber im Endeffekt darf und kann ich mich nicht beschweren. Wenn es so bleibt, kann ich mit all diesen Dingen gut leben. Was mich aber am meisten „ankotzt“, ist meine Blase und dass ich ständig und dringend muss. Aber gut, ich denke, solange ich es noch selber halten und steuern kann, ist auch das halb so wild. 🙈

Obwohl du Multiple Sklerose hast, läufst du – und zwar nicht einfach nur ein bisschen, sondern Strecken von 100 km und Marathons und Halbmarathons. Wie schaffst du das? Hast du eine andere Vorbereitung als nicht MS-Betroffene?

Ich bin schon vor meiner Diagnose regelmäßig laufen gewesen, wobei sich da die Distanzen eher auf bis zu 10km beschränkt haben. In den letzten Jahren hat sich das immer und immer weiter ausgeweitet. Wenn die Grundausdauer erst einmal vorhanden ist, kann man jede Distanz schaffen 🤩. Das Jahr 2021 war bisher mein erfolgreichstes Laufjahr: ein 100 km Lauf, ein Marathon und sieben Halbmarathons. Das Ganze kann man mit viel Ehrgeiz und Disziplin schaffen! Ich stehe beispielsweise werktags immer um 04:30 Uhr auf und gehe vor der Arbeit erstmal eine Runde laufen, um fit in den Tag zu starten. Ausreden wie keine Zeit etc. sind in meinen Augen nur Ausflüchte, nichts zu tun. Die Vorbereitung hat sich durch die MS nicht verändert, nur die Distanzen. Die teilweise Kraftlosigkeit in den Beinen und die Fatigue haben sich dadurch auch enorm verbessert. Also worauf warten? Jede*r MS-Betroffene sollte sich sportlich betätigen, egal in welcher Art und Weise. Alles ist möglich, sei es gehend, stehen oder im Sitzen, wir haben genug Muskeln im Körper, die man beanspruchen kann, fernab jeglicher Einschränkungen – Wobei wir da wieder beim Thema Ausreden wären.

Was motiviert dich, wenn du an die Zukunft denkst? Was macht dir Angst?

Ich blicke positiv in die Zukunft und überlege, vielleicht doch nochmal eine berufliche Neuorientierung oder eventuell ein Studium neben der Arbeit zu machen, bin mir da aber noch nicht ganz sicher. Aktuell stehe ich vor einer großen Pro und Contra-Liste. So ein Schritt muss wohl überlegt sein.

Welche zwei Tricks und Kniffe hast du im Laufe der Multiple Sklerose herausgefunden, die dir das Leben am meisten erleichtern? Hast du vielleicht sogar ein paar ganz praktische Tipps?

Puhhhhh, also mich persönlich hat das Intervallfasten nach vorne gebracht. Das Ganze mache ich nun schon seit 2014 mit der 20:4 Methode, also ich esse nur zwischen 17:00-21:00 Uhr. Auch hier ist wieder Disziplin gefragt. Ansonsten kann ich nur sagen: bewegen, bewegen, bewegen! Und an einer positiven Grundeinstellung arbeiten, denn Selbstmitleid mag niemand und keine MS-Person weiß, wie es in 10 Jahren um sie steht, wobei da auch wieder viele vergessen, dass auch ein gesunder Mensch Einschränkungen erleben kann. Also warum gleich vom Schlimmsten ausgehen? Stay positive 😅

Wie geht es dir aktuell? Was für Erfahrungen hast du mit deiner/n Therapie/n gemacht? Hast du einige Medikamente besser vertragen als andere?

Alles ging los mit Rebif44, was für mich hieß 2,5 Jahre dreimal die Woche spritzen. Leider hatte ich trotz der Basistherapie, die ich übrigens gut vertragen habe, immer wieder Schübe, sodass mein Arzt meinte, wir sollten uns an eine Eskalationstherapie wagen. Gesagt getan. Ich bekam dann 2016/2017 und 2019 zyklusweise Lemtrada/Alemtuzumab als Infusionstherapie. Auch das Zeug hab eich relativ gut vertragen, wobei mich das jeweils schon eine kurze Zeit aus den Latschen gehauen hat. Um es zu verdeutlichen, ich war die ersten 1-2 Wochen nicht wieder zum Joggen gekommen und das heißt bei mir schon was. Disziplin und so 😅
Ansonsten habe ich mittlerweile schon zwei Hände voll Cortisonstöße hinter mir. Je nach Schwere ambulant, stationär, intravenös, in Tablettenform oder auch schon zwei Mal während meiner Frühstückspause, während ich weiterhin voll arbeiten gegangen bin. Getreu dem Motto, alles kann nichts muss.
Aufgrund eines Schubes dieses Jahr im Mai, werde ich mich wegen der geringen Wirksamkeit von Lemtrada wohl für eine neue Eskalation entscheiden müssen. Das MRT war nicht so vielversprechend und mein Neurologe schlug mir Mavenclad oder Ocrevus vor. Mal schauen, welcher der beiden die hochaktive MS ausbremst. Von alternativen Heilmethoden halte ich übrigens nichts. So Hokus-Pokus ist nichts für mich, ich setze da lieber auf die Schulmedizin… Zahlen, Daten und Fakten!

Was wünscht du dir in Bezug auf deine Erkrankung?

Wäre cool, wenn sich ein neuer Schub einen Monat vorher ankündigen würde. Das wäre ganz nice. 😅 Mein letzter Schub wurde vier Tage vor meinem Urlaub schlimmer, sodass der Urlaub gecancelt werden musste. Ist halt alles aufwändig mit Reiserücktritt und so, also wäre eine Vorwarnung nicht schlecht! Ansonsten, was soll ich mir wünschen? Letzten Endes hat man ja keinen großen Einfluss drauf, was passiert.
Ich nehme es so, wie es kommt 🫶🏼🙋🏼‍♀️🙃