Einleitung:
Name: Sarah
Alter: 39
Diagnose: Neurodermitis
Instagram: @sarah.hautgesundheit
Interview
Kannst Du uns etwas über Deine persönliche Reise mit Deiner Neurodermitis erzählen? Wann wurde sie diagnostiziert und wie hat sich Dein Leben seitdem verändert?
Neurodermitis begleitet mich durch mein ganzes Leben. Bereits als Baby war meine Haut von Kopf bis Fuß entzündet. Zum Glück besserte sich meine Haut mit der Zeit, doch leichte Symptome hatte ich während meiner Kindheit und Jugend immer. Im jungen Erwachsenenalter zeigte sich die Neurodermitis verstärkt an den Händen. Ich hatte gelernt damit umzugehen. Mein Leben änderte sich richtig, mit meinem schlimmsten Schub.
Kurz nach der Geburt meines zweiten Sohnes kam meine Neurodermitis zurück. Der Schub begann wie immer an den Händen. Es bildeten sich Bläschen, die Haut juckte und war entzündet. Dieses Mal verlief der Schub anders als bisher. Die Neurodermitis wurde von Tag zu Tag schlimmer. Es waren nicht nur meine Hände betroffen, sondern auch mein Dekolleté, mein Hals und mein Gesicht. Ich erkannte mich selbst nicht wieder, wenn ich den Spiegel sah. Das Schlimmste für mich war, dass ich die Baby-Zeit mit meinem Sohn nicht richtig genießen konnte. Jeder Handgriff tat weh. Windel wechseln, baden, anziehen waren für mich schmerzvoll. Sogar beim Kuscheln hatte ich Angst, dass er mich aus Versehen kratzt.
Kannst Du uns von einem Moment der besonderen Stärke oder des Durchhaltevermögens erzählen, der Dir auf Deiner Reise mit der Neurodermitis besonders in Erinnerung geblieben ist oder ein Wendepunkt im Umgang mit der Erkrankung war?
Ich habe einen besonderen Moment, der sehr prägend für meine Reise ist. Es war ein warmer Herbsttag und ich hörte einen Podcast zum Thema „Heilung und Bedeutung von Krankheiten“. Es ging darum, dass der Körper nicht krank sein möchte. In mir kam ein Funke Hoffnung aus. Es war ein magisches Gefühl. Plötzlich war ich voller Vertrauen, dass es möglich sein kann, wieder ohne Symptome zu leben. In schwierigen Momenten habe ich mich immer wieder mit diesem Gefühl verbunden.
Wie hat sich Deine Perspektive auf Gesundheit und Wohlbefinden verändert, seitdem Du mit der Erkrankung lebst?
Ich habe versucht meine Neurodermitis mehr als Teil von mir zu sehen und auch hinter die tiefen liegenden Ursachen zu schauen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht aus einfach so, ohne Gründe, krank werden. Und auch meine Neurodermitis war ein Zeichen meines Körpers, dass etwas nicht stimmt. Mit diesem Gedanken habe ich begonnen, mich liebevoller um mich zu kümmern. Ich begann meine Gesundheit ganzheitlicher zusehen und auf mehreren Ebenen zu arbeiten. Das bedeutete bei mir, dass ich die Verantwortung meiner Krankheit übernahm und nicht mehr nur an die Ärzte abgab. Ich kümmerte mich um meine Ernährung, meinen Darm. Sorge für mehr Entspannung und schaute, welche Bereiche in meinem Leben ich noch verändern kann, damit ich mich wieder wohler in meiner Haut fühle.
Welche Rolle spielt die Ernährung und körperliche Aktivität in Deiner Bewältigungsstrategie?
Die Ernährung hat bei mir eine besondere Rolle. Als ich die für mich passende Ernährung gefunden habe, konnte ich meiner Haut nahezu beim Heilen zuschauen. Der Grund war, dass ich viele unbekannte Nahrungsmittelallergien hatte. Zu vor hatte ich auch schon gesund gegessen. Doch Äpfel, Karotten und Kartoffeln waren nicht gut für meine Haut. Mit Hilfe des Rotationsprinzip konnte ich gezielt rausfinden, was meine Haut verträgt und was nicht. Dieses Prinzip setze ich auch gerne in meinen Coachings ein, wenn die Betroffenen einfach nicht mehr wissen, was sie überhaupt noch essen können.
Auch Bewegung wie z. B. spazieren oder leichtes Yoga halfen mir, mich in meiner Haut wohler zu fühlen.
Was möchtest Du anderen mitteilen, die ähnliche Kämpfe durchmachen? Welche Botschaft der Hoffnung oder des Mutes möchtest Du teilen?
Meine Botschaft ist, dass es bei Neurodermitis mehr gibt als Kortison. Jeder einzelne kann für sich und seine Gesundheit so viel tun. Auch wenn offiziell keine Heilung möglich ist, bin ich davon überzeugt, dass ein symptomfreies Leben möglich ist.
Wie hat die Erfahrung mit Deiner Erkrankung Deine Einstellung zu Selbstfürsorge und dem Umgang mit Stress beeinflusst?
Sowohl Selbstfürsorge als auch Stress waren für mich große Lernfelder. Als Mama von zwei Kindern, habe ich mich häufig hintenangestellt. Mir Zeit für mich zu nehmen, fiel mir sehr schwer, und tut es auch heute manchmal noch. Doch gerade diese Zeit, mir selbst etwas Gutes zu tun, ist unheimlich wichtig.
Dass Stress einer der Haupttrigger für meine Neurodermitis ist, wollte ich eine ganze Zeit lang nicht wahrhaben. Erst als ich erkannte, welchen Unterschied es macht wie ich mit Stress umgehe und mich um meine Bedürfnisse kümmere, habe ich mein Leben angepasst. Heute gehört regelmäßiges Meditieren, ein Walspaziergang, in Ruhe Essen oder ein Abend nur für mich zu meinem Alltag.
Hast Du schon Erfahrungen mit Teledermatologie? Wenn ja, magst Du einmal davon berichten? Wenn nein, was hat Dich bisher davon abgehalten?
Bisher habe ich noch keine Erfahrungen mit Teledermatologie. In meinem schlimmsten Schub hätte ich sie sicherlich in Anspruch genommen, da ich das Konzept großartig finde. Bis jetzt habe ich keine Dermatologische Beratung mehr benötigt.
Warum glaubst Du, sind Patientennetzwerke wie NIK e.V. so wichtig?
Ich schätze die Arbeit von NIK e.V. und auch anderen Patientennetzwerken sehr. Durch NIK e. V. werden Krankheiten wie z. B. die Neurodermitis sichtbar gemacht. Betroffene erhalten eine Anlaufstelle und vor allem können sie erfahren, dass sie mit ihrer Geschichte nicht allein sind.
Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?
Laut meiner Mutter hatte ich bereits als Kind leichte Neurodermitis, was sich durch gute Hautpflege und Ernährung aber gelegt hat. Später bekam ich bei Stress, wenn ich mit der Ernährung nicht aufpasste oder zu viel Alkohol trank immer mal ein paar Stellen. Wirklich wahrgenommen habe ich die Neurodermitis im Jahr 2017, als ich mit einem Hormonring verhüten wollte und schnell merkte, dass meine Haut nach dem Einsatz des Ringes immer trockener und gereizter wurde, sodass ich ihn nach ein paar Monaten absetzen musste. Was dann folgte, war der schlimmste Schub meines Lebens: Plötzlich hatte ich am ganzen Körper Neurodermitis, musste zweimal im Krankenhaus behandelt werden und brauchte fast zwei Jahre, um meine Haut zu heilen.
Wie war es dann, als du die Diagnose erfahren hast? Was hat die Diagnose bei dir ausgelöst?
Dass mir meine Neurodermitis im Krankenhaut bestätigt wurde, wunderte mich nicht. Ich kannte die Krankheit ja. Was mich aber verwundert hatte, war, dass viele Ärzte und Ärztinnen den Zusammenhang zwischen den Hormonen und meiner Haut nicht herstellen konnten oder wollten. Dabei steht sogar in der Packungsbeilage des Verhütungsringes, den ich ausprobiert hatte, dass dieser zu Hautirritationen führen kann. Außerdem ist es ja auch kein Geheimnis, dass viele Frauen in oder nach der Schwangerschaft Schübe erleiden. Hier habe ich gelernt, dass ich mich selbst auf Ursachenforschung begeben musste, denn mit der Diagnose und dem Rat, ab jetzt nur noch mit Cortison behandeln zu können, wollte ich mich nicht zufriedengeben. Nicht, dass Ihr mich hier falsch versteht, ich bin keine grundsätzliche Cortison-Gegnerin und zum Glück gibt es derartige Medikamente, aber Cortison wird, wie ich finde, häufig recht inflationär genutzt, was ich einfach für mich vermeiden möchte, wenn es geht.
Wie hat deine Familie reagiert?
Freunde und Familie haben mich total unterstützt. Und auch immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, denn am Anfang war ich sehr überfordert. Abgesehen davon, dass mein Schub einfach nicht abklingen wollte, habe ich viele verrückte Theorien aufgestellt, wie ich mich denn jetzt heilen könne. Ich habe sehr, sehr streng auf meine Ernährung geachtet und plötzlich vor vielen Lebensmitteln und auch äußeren Einflüssen Ängste entwickelt. Das geht leider schneller, als man denkt. Glücklicherweise habe ich es immer wieder geschafft, rational zu bleiben, Fakten zu checken und nicht auf ominöse Ernährungs- und Genesungstheorien zu vertrauen. Denn falsche Informationen gibt es im Internet so, so viele.
Wie hat sich dein Leben und das deiner Familie seither verändert?
Erst wusste ich nicht viel über meine Krankheit und bin auch öfter vom Weg abgekommen. Ich habe vieles ausprobiert und war viel zu streng mit mir. Irgendwann habe ich verstanden, dass meine Neurodermitis ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren reflektiert: Eine ausgewogene Ernährung ist für meinen Körper wichtig, aber nicht alles. Der Verhütungsring hatte meinen Hormonhaushalt und damit auch meinen Körper völlig durcheinandergebracht, das musste sich erstmal wieder einpendeln. Außerdem war ich mit meiner damaligen Lebenssituation total unzufrieden und in einer unglücklichen Beziehung. Ich wollte besser verstehen, was in meinem Körper passiert und warum. Ich wollte Informationen, deren Wahrheitsgehalt ich überprüfen konnte. Deshalb habe ich eine Ausbildung zur ganzheitlichen Ernährungsberaterin begonnen, in der auch Krankheiten wie Neurodermitis genau unter die Lupe genommen werden. Mittlerweile habe ich meine Ausbildung abgeschlossen und arbeite auch als Ernährungsberaterin.
Wie bewältigst du deinen Alltag?
Meinem Alltag kann ich mittlerweile wieder normal nachgehen, nachdem ich ein Jahr lang gar nicht gearbeitet habe. Ich habe aber gelernt, dass mir die Neurodermitis klar signalisiert, wenn etwas nicht stimmt. Stress, schlechte Ernährung, zu viel Rotwein oder Schokolade, Zyklusprobleme – das alles behalte ich im Hinterkopf und gestalte meinen Alltag möglichst so, dass ich mir und meinem Körper viel Gutes gebe. Mittlerweile merke ich schnell, wenn ich eine Pause brauche. Als Selbstständige übernehme ich mich oft, höre nun aber besser auf mein Gefühl.
Wie geht es dir aktuell?
Sehr gut! Im Winter ist meine Haut auch stellenweise weiterhin trocken. Aber ich komme gut klar und habe auch keine Angst mehr vor größeren Schüben, weil ich die Krankheit als einen Teil von mir akzeptiert habe.
Wie therapierst du zur Zeit?
An erster Stelle steht bei mir die gesunde Ernährung, mit der ich meinen Körper optimal unterstützen möchte. Ansonsten braucht es aktuell nicht viel. Um Stress zu reduzieren und besser auf mein Körpergefühl hören zu können, treibe ich Sport, gehe mit meinem Hund spazieren oder schreibe. Basenbäder mache ich auch unheimlich gern, die habe ich im Krankenhaus lieben gelernt.
Was hilft dir, deine Neurodermitis gut in den Griff zu bekommen?
Ich musste verschiedene Bereiche in Angriff nehmen, um meine Neurodermitis schlafen zu legen: Die Ernährung umstellen (vorzugsweise basisch und naturbelassen essen, auf Weizen verzichten, wenig Zucker konsumieren und anti-entzündliche Lebensmitteln integrieren), Stressfaktoren erkennen und Probleme lösen, meine Hormone wieder ins Gleichgewicht bringen und auf Naturkosmetik umstellen. Ich hatte auch einen ziemlichen Vitalstoffmangel, was mir ein Blutbild damals bestätigte. So waren es am Ende viele Faktoren, die das Fass bei mir im Jahr 2017 zum Überlaufen brachten. Wenn ich jetzt mal Mini-Schübe haben, helfen mir eine einfache Creme und Basenbäder gut.
Was ist dein Wunsch in Bezug auf deine Erkrankung?
Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen (Ärzte und Ärztinnen eingeschlossen) lernen, wie Krankheiten wie Neurodermitis entstehen, was sie triggert und was wir auf ganzheitlicher Ebene dagegen unternehmen können. Obwohl ich durch meine Neurodermitis die schlimmsten zwei Jahre meines Lebens hatte und genau weiß, was es bedeutet, nicht mehr schlafen zu können und unglaubliche Schmerzen zu haben, konnte ich doch sehr viel über mich und meinen Körper lernen. Das heißt nicht, dass ich der Schulmedizin nicht vertraue, im Gegenteil: Sie hat mich in einer schlimmen Phase gerettet. Aber es gibt noch so viel über diese Krankheiten zu forschen und zu lernen. Ich hoffe, in den nächsten Jahren passiert auf diesem Gebiet noch viel. Auch ich möchte in Zukunft und nach Abschluss meiner Ausbildung zur ganzheitlichen Ernährungsberaterin hoffentlich vielen Menschen dabei helfen, diese und andere Krankheiten in den Griff zu bekommen.