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PSORIASIS: Die Geschichte von Janine

Mut Mach Geschichte von Janine - Psoriasis

DIE MUT-MACH-GESCHICHTE VON JANINE: DIAGNOSE PSORIASIS

Name: Janine
Alter: 33
Diagnose: Psoriasis, 2006

Interview

Du bist Pin Up Model, obwohl du Psoriasis hast. Eine Kombination, die man im ersten Moment nicht erwarten würde, weil die meisten Menschen, die eine Hautkrankheit haben, ihre Haut eher verstecken und sie präsentieren möchten. Warum ist das bei dir anders? Fühlst du dich nicht unwohl in deiner Psoriasis-Haut?

Nein, mittlerweile nicht mehr. Als die Krankheit im Alter von 18 Jahren bei mir ausgebrochen ist, erschien mir das natürlich zuerst wie ein kleiner Weltuntergang – gerade in dem Alter ist die Optik unfassbar wichtig. Ich habe einen Sommer lang mit Rollkragenpulli und langer Jeans drinnen verbracht und mich geschämt. Über die Jahre habe ich zwar gelernt, damit umzugehen, meine Haut aber dennoch nicht sonderlich zur Schau gestellt – zum Beispiel habe ich keine kurzen Hosen oder Röcke mehr getragen, weil es eben an den Beinen immer besonders schlimm war. Bei meinen ersten Fotoshootings habe ich das die Flechte auch noch ein wenig versteckt, oder mit Photoshop kaschieren lassen. Letztlich war es aber eben doch auf dem ein oder anderen Bild zu sehen. Interessanterweise hat nie jemand nach den Hautstellen gefragt, keiner hat mich drauf angesprochen – im Gegenteil: ich bekam viel Lob für meine Bilder. Dass ich die Psoriasis tatsächlich dann sogar als einen Teil von mir, meine Besonderheit oder Erkennungszeichen angenommen habe, habe ich tatsächlich meinem Freund zu verdanken, der bei den Bildern immer zu allererst die Flechte angesprochen und diese positiv hervorgehoben hat.
Mir ist in der Fotografie klargeworden, dass alle etwas verstecken. Es wird so viel kaschiert mittels Bildbearbeitung, was meiner Meinung nach unnötig ist. Narben, kleine Falten oder Speckröllchen oder wie in meinem Fall eben die Flechte. Da habe ich mich gefragt, warum? Warum finden wir uns nicht gut so, wie wir sind? Sind wir nicht so genau richtig? Sind es nicht Dinge wie Narben oder die Flechte, die uns zu dem Menschen machen, der wir sind?

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung? Gab es Besonderheiten oder Schwierigkeiten bis zur Diagnose?

Man unterscheidet zwischen punktuarer und flächendeckender Psoriasis, genannt Plaque. Mein Hautarzt wiegelte das allerdings am Anfang ab. Es wäre keine Flechte, sagte er und verschrieb mir Cremes. Aber es verschwand nicht wieder, sondern breitete sich nach und nach aus. Erst der zweite Arzt konnte mir dann die Diagnose Schuppenflechte geben bzw. bestätigen. Hier wurde mir gesagt, es sei eine Stresskrankheit und ganz wieder weggehen würde sie nie, demnach versuchte ich mich damit anzufreunden, was mir aber nicht gelang. Nach etwa drei Jahren habe ich dann die sogenannte Balneotherapie (Fototherapie) ausprobiert, die mir bei sämtlicher punktuarer Flechte gut geholfen hat, allerdings nicht bei der Plaque-Psoriarsis. Letztlich habe ich dann mit eigenen Mitteln die Flechte einigermaßen in Zaum gehalten, so gut es eben ging.

Wie war es, als du die Diagnose erfahren hast? Wußtest du, was jetzt auf dich zukommt?

Nein, absolut nicht. Eigentlich soll es eine Erbkrankheit sein, aber niemand in meiner Familie hat die Krankheit – zumindest ist es bei niemandem ausgebrochen. Ich wusste nur, dass ich mit den roten schuppigen Stellen künftig leben musste und habe mich dann über die Jahre versucht damit anzufreunden.

Auf deinem Insta-Account @ms_insane_black sieht man viel Haut – nicht retuschiert. Wer also genau hinguckt, sieht deine roten Stelle auf den Handrücken und deine rauen Ellenbogen. Möchtest du damit etwas bewegen oder sogar Mut machen?

Ein kleines bisschen Retusche ist auf jedem Bild drauf, allerdings sage ich jedem Fotografen, dass er meine Narben oder meine Flechte nicht zu retuschieren hat. Er entfernt doch auch nicht meine Tattoos – und meine Flechte gehört genauso zu mir wie meine Tätowierungen. Das bin ich! Mich gibt es nur so und nicht anders – und wer das nicht sehen will, soll eben woanders hingucken. Aber gerade das hat mir viel Zuspruch gebracht, weil es echt, authentisch ist. Weil ich mich auf den Bildern nicht zu etwas machen lasse, was ich nicht bin. Denn ja, ich möchte anderen Menschen mit Psoriasis oder ähnlichem Mut machen. Ich habe von so vielen Fotografen gehört, wie stark – besonders Frauen – Bilder retuschieren lassen und das finde ich nicht richtig. Dann hat man halt Falten, Narben, Speckröllchen oder sonst irgendwas – na und? Es stört andere meistens nur dann, wenn es auch dich selbst stört. Also Jungs und Mädels: Nehmt euch so, wie ihr seid – denn so seid ihr genau richtig!

Wurdest du schon wegen deiner Psoriasis von anderen verurteilt? Was ist passiert? Was würdest du dir wünschen, dass andere Menschen mit dir und deinen Hauterkrankungen umgehen?

Oh na klar, das ist auch nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Gerade in den ersten Jahren kam es natürlich öfter vor, dass mich Leute angestarrt haben. Männer haben mir gesagt, sie würden sich ekeln, mich anzufassen. Und natürlich hat das Spuren hinterlassen. Man muss sich nur bewusst machen, dass die das Problem sind – nicht man selbst und schon gar nicht die Krankheit. Denn letztlich sind es nur einige wenige Menschen, vor allem die mit geringem Selbstwertgefühl, die einen mit solchen Sprüchen runterziehen wollen. Dagegen lässt sich leider wenig ausrichten – außer sich das eben nicht zu Herzen zu nehmen, aber ich weiß selbst, dass das oftmals leichter gesagt ist als getan.
Man sollte viel offener damit umgehen und die Menschen weder verurteilen noch bemitleiden. Mitleid hilft niemandem. Eine gesunde Neugier, offene Fragen, wie „wie geht es Dir damit?“ würde einem oftmals vieles erleichtern.

Gibt es Zeiten, an denen die Psoriasis ganz besonders schlimm ist? Was tust du dann dagegen?

Der Winter ist tatsächlich übel. Die Haut braucht Sonne, frische Luft. Dauernd lange Klamotten, die auf der Haut scheuern, und die trockene Heizungsluft sind pures Gift. Am schlimmsten ist allerdings wirklich der eigene Stress. Meine Schübe kamen immer nur vom eigenen Stress, also musste ich den in den Griff kriegen. Und man muss die Krankheit annehmen – wenn man dagegen kämpft, wird es nicht besser.
Ich bin im Winter dann ab und an mal ins Solarium gegangen, habe besonders auf meine Hautpflege geachtet, aber auch Solebäder haben gut geholfen. Hatte ich allerdings im Winter einen Schub, wusste ich, der bleibt bis zum Frühjahr.

Wann sind die Zeiten besonders gut für deine Haut?

Im Sommer ist es angenehm, dank reichlich Sonne, T-Shirts, kurzen Hosen, Vitamin D und frischer Luft. Außerdem ist im sonnenverwöhnten Sommer das Gemüt wesentlich ausgeglichener, so dass man automatisch weniger gestresst ist.

Wie geht es dir aktuell?

Aktuell tatsächlich bestens! Ja, s Seit einem halben Jahr spritze ich mich selbst mit Taltz. Ich hatte davon schon öfter gehört, dass es seit einigen Jahren eine sehr wirksame Therapie gegen Psoriasis gibt, da ich es aber nie sonderlich schlimm hatte (es waren immer nur Hände, Knie und Ellbogen und ab und an eben mal der punktuare Schub am ganzen Körper), dachte ich immer, es wäre bei mir nicht schlimm genug für so eine kostenintensive Therapie. Als ich dann wegen etwas anderem beim Hautarzt war, sprach er mich darauf an. Erst wollte ich ablehnen, denn mittlerweile kam ich ja bestens damit zurecht, als er mich aber darauf hinwies, dass der dauerhafte Entzündungsherd im Körper später zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen würde, willigte ich doch ein. Ich bekam die ersten Spritzen beim Arzt und nach nur einer Woche war mehr oder weniger alles verschwunden. Ich war anfangs etwas zwiegespalten. Es kam mir irgendwie falsch vor – jahrelang wollte ich die Krankheit es weg haben, nun kam ich endlich damit zurecht, und jetzt war es plötzlich weg? Es ist aber eben nun mal ein gesundheitlicher Faktor und mittlerweile geht es mir gut damit. Aber ich gebe gerne offen zu: manchmal fehlt sie mir sogar ein bisschen. Manchmal und ich vermisse die Punkte auf der Haut, wenn ich Bilder von mir betrachte.
Tatsächlich war aber die Corona-Impfung zum Beispiel ein Problem, denn die Impfung verträgt sich nicht mit dieser immunsuppressiven Behandlung. Es müssen exakt 14 Tage zwischen Spritze und Impfung liegen – sowohl davor als auch danach. Das gibt nur kleine Zeitfenster und erfordert ein genaues Timing.

Hast du schon alternative Medizin zur Unterstützung ausprobiert? Kannst du da was empfehlen oder wovon rätst du ab?

Ich habe Kortison-Cremes und die Balneotherapie versucht. Nichts hat richtig dauerhaft geholfen. Die Spritzen, die ich mir mittlerweile selbst alle vier Wochen setze, verhindern auch einen neuen Ausbruch. Zwar werde ich die Spritzen dauerhaft nehmen müssen, aber seither ist eben alles weg und die Entzündungen sind es auch – was der Gesundheit nur gut tut und die ist einfach das Wichtigste.

Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?

Das gleiche wie bei allen chronischen Krankheiten – mehr Akzeptanz, mehr Toleranz und vor allem mehr Verständnis bei den Mitmenschen.

Schlusswort:

Nimm die Krankheit an. Sieh sie als Teil von Dir, nicht als Deine Krankheit, sondern Deine Besonderheit. Alle wollen anders sein als die große Masse – das macht Dich anders und vor allem macht es Dich besonders. Halt Dich von negativen Menschen fern und geh’ offen damit um – die wenigsten Menschen in Deinem Umkreis stört es, und vor allem stört es niemanden so wie Dich selbst. Man sieht sich selbst immer anders als andere – sieh’ Dich durch die Augen der anderen. Wie würdest Du damit umgehen, wenn Du jemandem damit begegnen würdest? Würde es Dich stören? Nein? Warum stört es Dich dann bei Dir selbst