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Rheumatoide Arthritis: Die Geschichte von Claudia

Bild zur Mut Mach Geschichte Rheumatoide Arthritis von Claudia

Name: Claudia Hellweger
Alter: 32
Diagnose: Rheumatoide Arthritis (Januar 2024)
Instagram: @claudiraudiii

Welche Symptome haben dich bis zur Diagnosestellung begleitet?

Angefangen hat es mit leichten Schulterschmerzen im Jahr 2022 und 2023, die aber im-mer wieder nach einigen Tagen von alleine vergingen. Im Oktober ’23 kamen die Schmerzen dann häufiger und waren plötzlich viel stärker. Und wurden sie an einer Seite besser, fing die andere Schulter an weh zu tun. Zusätzlich zu den Schultern fingen es dann auch in den Handgelenken und Fingern an, genauso wie in der Hüfte, den Knien und zum Schluss kamen Ferse und Zehengelenken dazu. Ich hatte allerdings nie die üblichen Symptome wie angeschwollene, gerötete Gelenke. Auch die Morgensteifigkeit kam erst relativ spät als Symptom dazu.
Nachdem ich fast acht Wochen auf meinen Termin in der Rheumaambulanz der Klinik Innsbruck warten musste, war ich des Öfteren auch in der Notaufnahme, da die Schmerzen in der Schulter teilweise nicht auszuhalten waren.

Sowohl in der Notaufnahme, als auch bei anderen Arztterminen wurde mir immer wieder gesagt, dass es nichts rheumatisches sei, da die Gelenke nicht symmetrisch betroffen waren und auch nie eine Schwellung oder Rötung zu sehen war. Auch beim ersten Termin in der Rheumaambulanz Anfang Januar 2024 wurde mir gesagt, dass nichts – außer ein sehr hoher Rheumafaktor – auf eine rheumatische Erkrankung hindeutet. Erst als die Schmerzen immer schlimmer wurden und ich noch einmal in die Klinik gegangen bin, sind die Ärzte dann plötzlich doch davon ausgegangen, dass es Rheuma sein könnte. Die finale Diagnose habe ich im Februar ’24 bekommen, nachdem ich bei einer Spezialistin war und diese via Sonographie die Entzündungen feststellen konnte.

Wie haben du und deine Liebsten auf die Diagnose Rheumatoide Arthritis reagiert? War dir, deinen Freunden und deiner Familie klar, was da auf dich zukommt?

Für mich war die Diagnose ein Schlag ins Gesicht, mir wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. Ich dachte bis dahin immer, dass nur ältere Menschen von Rheuma betroffen sind und allein schon der Gedanke, dass diese Krankheit unheilbar ist, hat mich kaputt gemacht. Leider ist in der Klinik hierzu keine große Aufklärung erfolgt und ich musste mir selber die ganzen Informationen besorgen bzw. Wissen über die Krankheit aneignen. Ich habe dann viele Bücher über rheumatische Krankheiten gelesen und Dokus darüber geschaut.
Auch für meine Familie, meinen Partner und Freunde war die Diagnose ein Schock. Keiner wusste so recht, wie man mit dieser Diagnose umgehen soll und was diese Diagnose bedeutet. Ich hätte mir hier viel mehr Aufklärung durch die Ärzte gewünscht, denn ich wurde mit der Diagnose einfach alleine gelassen. Man verfügt über keinerlei Wissen über die Krankheit und muss trotzdem damit zurecht kommen.

Dein Instagram-Account @claudiraudiii zeigt dich in allen Facetten, aber vor allem, wie du sportlich in der Welt unterwegs bist. Besonders fallen die vielen fantastischen Orte auf, an denen du zu sehen bist. Dann, immer mal wieder, schleichen sich Bilder ein, auf denen du auch deiner Trauer freien Lauf lässt. Wie hat sich dein Leben oder auch dein Lebensstil verändert, seit deiner Diagnose? Welche Routinen haben sich schon entwickelt?

Ich nehme meine Follower schon seit einigen Jahren auf meine Outdoor-Abenteuer und Reisen mit. Bis zu meiner Diagnose war mein Instagram Account gefüllt mit Bildern und Videos von schönen Momenten & Abenteuern in der Natur, es war eine Art „happy place“. Die Zeit bis hin zur Diagnose war sehr schwer für mich und ich war längere Zeit nicht auf Instagram aktiv, da ich zu dieser Zeit einfach nichts Schönes mit meinen Followern zu teilen hatte. Ich bin jeden Tag mit Schmerzen aufgewacht, konnte mich kaum bewegen, nicht alleine aus dem Bett aufstehen und mich nicht alleine anziehen. Ich habe viel geweint und hatte Angst, dass ich in eine Depression verfalle. Mit der Zeit kamen aber immer mehr Nachrichten von meinen Followern, sie wollten wissen, was los sei und ob es mir gut geht. Ich habe dann immer mal wieder in meinen Stories Einblicke in diese schwierige Zeit gegeben und als mir klar war, dass sich mein Leben aufgrund dieser Erkrankung jetzt um 180 Grad verändern wird, habe ich mich dazu entschieden, meine Reichweite zu nutzen, um Aufklärung über rheumatische Erkrankungen zu leisten.

Mein Leben ist seit der Diagnose ein ständiges Auf und Ab, mal geht’s mir ganz gut und dann aber auch wieder richtig schlecht. Dieses Auf und Ab spiegelt sich auch in meinem Instagram Account wieder, denn es gibt jetzt leider nicht mehr nur gute & schöne Momente in meinem Leben. Deshalb die Entscheidung, auch die nicht so schönen Dinge aus meinem Leben mit meiner Community zu teilen.
Mein Lebensstil hat sich definitiv verändert: Während ich früher jede freie Minute in der Natur verbracht habe und viel beim Snowboarden oder Wandern war, verbringe ich jetzt meine freie Zeit immer häufiger beim Arzt, bei diversen Untersuchungen oder bei der Physio- oder Ergotherapie.
Natürlich versuche ich nach wie vor viel Sport zu machen, mich zu bewegen und meine freie Zeit draußen zu verbringen, aber das gelingt mir jetzt leider nicht mehr so oft. Manchmal gelingt es aufgrund der Schmerzen nicht, manchmal fehlt mir die Energie dazu.

Wie reagiert deine Community auf deine neuen Lebensumstände und den neuen Content?

Ich habe Anfangs ziemlich viele Follower verloren, ich glaube die Menschen sehen sich einfach lieber schönen und leichten Content an. Ich bekomme aber auch immer mal wieder Nachrichten aus der Community, in der sich meine Follower für die Ehrlichkeit und die Einblicke in das Leben mit chronischer Erkrankung bedanken.
Zudem habe ich es, durch das Teilen meiner Geschichte geschafft, mich über Instagram mit anderen Erkrankten zu connecten und auszutauschen – das hat mir vor allem am Anfang sehr geholfen. Es kommen auch immer wieder neue Follower dazu, die mich anschreiben und mir erzählen, dass auch sie die Diagnose einer rheumatischen Krankheit erhalten haben und mich um Tipps und Ratschläge fragen. Vor kurzem habe ich auf Wunsch einiger Follower eine Instagram-Chat-Gruppe gegründet, in der wir Erkrankten uns austauschen können. Hier sprechen wir über Themen wie „Diagnose“, „Medikation“, „psychische Gesundheit bei chronischer Erkrankung“ und vieles mehr. In der Gruppe können wir uns jederzeit miteinander connecten, uns Tipps geben und uns gegenseitig unterstützen.

Du bist noch ziemlich frisch diagnostiziert. Welche Infos hättest du dir frühzeitig gewünscht?
Ich glaube je mehr Informationen und Wissen man über eine Krankheit hat, desto besser kann man damit umgehen. Nachdem ich am Anfang aber so gut wie Nichts über diese Krankheit wusste, habe ich mich ziemlich verloren und allein gelassen gefühlt. Ich hätte mir hier deutlich mehr Aufklärung und Einfühlungsvermögen seitens der ÄrztInnen gewünscht und im Idealfall auch psychologische Unterstützung.

Wenn du an deine Therapie denkst. Hattest oder hast du Angst vor etwas, z.B. den Medikamenten?

Ich merke immer wieder, dass ich seit der Diagnose psychisch angeschlagen bin und ich manchmal noch nicht so gut mit der Erkrankung umgehen kann. Ich hätte mir hier von Anfang an psychologische Unterstützung/ Therapieangebote gewünscht. Leider gibt es hier in Tirol aber keine Möglichkeit als chronisch kranker Mensch psychologische Unterstützung als Kassenleistung zu bekommen. Ich habe mir aber trotzdem vorgenommen, mich zeitnah nach einer Therapeutin umzuschauen.
Ich hatte große Angst vor den Medikamenten und habe auch nach wie vor Angst vor den Nebenwirkungen. Außerdem habe ich extreme Angst vor Nadeln und somit ist die Injektion der Biologika-Spritzen immer wieder eine Herausforderung für mich.

Du sagst, dass du seit der Diagnose psychisch belastet bist. Was hilft dir aus Tiefs heraus?

Ich versuche so viel Zeit wie möglich mit meinen Liebsten und in der Natur zu verbringen. In den Bergen kann ich meine Kräfte und Energien am Besten wieder aufladen. Außerdem möchte ich in den nächsten Wochen eine Therapie bei einer Gesundheitspsychologin starten, um besser & schneller aus den Tiefs herauskommen zu können.

Was triggert dein Rheuma besonders?

Mein Rheuma wird besonders durch kaltes und nasses Wetter getriggert, daher werde ich dieses Jahr im November ins Warme fliegen und hoffe so, den Schüben zu entkommen.
Zudem merke ich auch immer wieder, dass Stress bei mir Schmerzen auslöst – sowohl hinsichtlich meiner Migräne, als auch rheumatische Beschwerden.

Wo und wann tritt der Schmerz vor allem bei dir auf?

Ich bin mittlerweile medikamentös gut eingestellt und konnte vor kurzem endlich das Kortison absetzen. Durch die Basismedikation und die Biologika-Spritzen treten die Schmerzen zum Glück nur noch selten auf. Am ehesten habe ich Beschwerden bei Wetterumschwung oder nach zu langen & weiten Bergtouren. Wenn ich Schmerzen habe, dann meistens in den Schultern, im Ellbogen oder den Zehengelenken.
Was mich aktuell ziemlich belastet, ist die – mit der Krankheit einhergehende – Müdigkeit und Energielosigkeit. Damit komme ich nach wie vor nicht gut zurecht.

Ist dein Job noch genauso zu machen wie vorher oder achtest du heute auf spezielle Dinge?

Ich arbeite in meinem Hauptberuf (mobile Förderung mit Kindern und Jugendlichen) nur Teilzeit, bin aber selbst nach wenigen Stunden komplett ausgelaugt und muss mich nach der Arbeit meistens hinlegen. Bestimmte Aufgabenbereiche – wie z.B. die Förderung der Feinmotorik mit den Kindern und Jugendlichen fallen mir in der Arbeit aber sehr schwer.
Auch mein Nebenberuf als Content Creatorin hat sich deutlich verändert. Ich kann nicht mehr so aktiv sein wie vor der Diagnose, brauche mehr Pausen und kann somit nicht mehr so viele Kooperationen annehmen.

Welche Mittel und Wege unterstützen dich, damit du weniger Schmerzen hast?

Ich versuche mich antientzündlich zu ernähren, das klappt manchmal ganz gut, manchmal gelingt es mir aber auch nicht so gut.
Zudem versuche ich mich einerseits ausreichend zu bewegen, mir andererseits aber auch Ruhe zu gönnen wenn mein Körper das braucht. Außerdem versuche ich, auf meine psychische Gesundheit zu achten und Stress so gut es geht zu vermeiden.

Wie oft bist du aktuell beim Arzt? Wie lange hat es gedauert, bis du, deiner Meinung nach, richtig mit Medikamenten eingestellt warst?

Anfang des Jahres war ich fast monatlich in der Rheumaambulanz, mein letzter Termin war dann im Mai und mein nächster Termin dort ist im September. Ich bin aber regelmäßig (alle 3-4 Wochen) bei meiner Hausärztin zur Blutkontrolle hinsichtlich der Rheuma-Medikation.
Bis ich richtig mit Medikamenten eingestellt war, hat bei mir circa ein halbes Jahr gedauert.

Wie schaffst du es beweglich zu bleiben?

Manchmal fällt es mir richtig schwer, beweglich zu bleiben. Wenn einem schon beim Aufstehen alle Gelenke weh tun, bleibt die Motivation logischerweise aus. Auch die ständige Müdigkeit macht es mir immer wieder schwer, mich zum Sport zu motivieren. Ich versuche dann aber immer wieder daran zu denken, dass Bewegung und Sport auch eine Säule der Rheuma-Therapie ist und dass die Bewegung auch gegen die Schmerzen hilft. Zudem fühlt man sich nach dem Sport immer gut und es hilft mir, meinen Kopf frei zu bekommen.

Welcher Sport ist für dich aktuell der richtige? Gibt es Sportarten, die eher kontraproduktiv sind?

Ich versuche regelmäßig meine Kraft und Ausdauer zu trainieren. Nachdem durch die Cortison-Einnahme meine Knochendichte stark gesunken ist, ist mir aktuell Muskelaufbau und damit einhergehend Kraftsport sehr wichtig.
Nachdem ich nach dem Wandern häufig Schmerzen habe und dem entgegenwirken will, fallen meine Bergtouren seit der Diagnose deutlich kürzer & leichter aus. Klettern ist hinsichtlich den Schmerzen in den Zehengelenken eher kontraproduktiv.

Wovor hattest du seit deiner Diagnose am meisten Angst?

Ich habe immer wieder Angst davor, dass irgendwann keine Medikamente mehr wirken könnten und auch davor, dass die Schmerzen nochmal so schlimm werden wie vor der Diagnose. Natürlich hatte ich Anfangs aber auch Angst davor, dass sich Partner & Freunde von mir abwenden könnten.

Kann die Diagnose dir irgendwas Positives abgewinnen?

Seit der Diagnose weis ich die kleinen Dinge im Leben wieder mehr zu schätzen und ich versuche die guten Tage so gut wie möglich zu nutzen.

Wie geht es dir aktuell?

Mir geht es aktuell gut. Ich habe selten & kaum Schmerzen und ich bin froh, dass ich medikamentös so gut eingestellt bin. Natürlich habe ich aber trotzdem oft Angst davor, wie es weiter geht.

Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?

Ich wünsche mir, dass es in Zukunft viel mehr Aufklärung über rheumatische Erkrankungen gibt und auch, dass man als PatientIn psychologisch begleitet und mit der Krankheit nicht so alleine gelassen wird.

Schlusswort:
Als ich die Diagnose „rheumatoide Arthritis“ bekommen habe, ist für mich erstmal die Welt zusammen gebrochen. Ich wusste Nichts über diese Krankheit und habe mich einfach nur allein gelassen gefühlt. Die Zeit nach der Diagnose war sehr schwer für mich und ich habe ab und zu noch immer damit zu kämpfen, diese Krankheit anzunehmen. Mal gelingt es mir besser, manchmal weniger gut. Ich versuche aber immer – trotz der vielen schwierigen Momente, die die Krankheit mit sich bringt – die positiven Dinge im Leben zu sehen und mich nicht von der Krankheit einnehmen zu lassen.