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Acne Inversa: Die Geschichte von Rabea

Mut-Mach-Geschichte von Rabea - Acne inversa

DIE MUT-MACH-GESCHICHTE VON RABEA: DIAGNOSE ACNE INVERSA

Name: Rabea
Alter: 38
Diagnose: Ich habe 2011 die Diagnose Acne Inversa (Hidradenitis Suppurativa) bekommen.

Interview

Viele denken bei der Diagnose erstmal an die Acne im Gesicht, das ist es aber nicht. Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) ist eine chronische entzündliche Hauterkrankung, die durch Entzündungen der Haarfollikel entsteht. Sie tritt ,meistens schubweise, unter den Armen, unter der Brust, in der Leistengegend und im gesamten Intimbereich auf.

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?

Die ersten Symptome hatte ich bereits 3 oder 4 Jahre vor Diagnosestellung, aus Scham und Unwissenheit war ich aber nicht beim Arzt. Erst als die Stellen immer größer und immer schmerzhafter wurden, suchte ich meinen Hautarzt auf. Ich wurde zum Chirurgen geschickt, Es seien halt „Furunkel“, die müssen geöffnet, entleert und genäht werden. Das wurde mir gesagt und genau das wurde all die folgenden Jahre gemacht. Keiner hat sich dazu geäußert, was es sein könnte, wo es herkommt, oder ob ich etwas dagegen tun könnte. Besserung war nicht in Sicht, meiner Meinung nach wurde es immer mehr, die Stellen immer größer und teilweise entzündeten sich bereits operierte Stellen erneut. Ich war dauerhaft schlapp und lustlos, hatte Schmerzen, konnte nicht sitzen und nicht gut laufen. Meine Entzündungswerte gingen regelmäßig durch die Decke. Es war wirklich schlimm für mich und zu all dem kam eben noch die Scham hinzu.

Erinnerst du dich an den Moment, an dem du deine Acne inversa-Diagnose erhalten hast? Wie hat er sich angefühlt? War dir sofort bewußt, was die Diagnose für dich und deine Familie bedeutet?

Der Moment als ich die Diagnose bekam, war erstmal erleichternd, das Kind hatte einen Namen. Ich bin damals durch meinen Job auf einen Arzt gestoßen, mit dem ich zufällig über meine letzte Operation gesprochen habe und er wurde dann hellhörig und bestellte mich direkt zu sich ins Krankenhaus. Eine Stunde später saß ich schon bei ihm im Behandlungszimmer und er hat, nachdem er alle meine Stellen begutachtet und auch die alten OP Narben angeschaut hatte, die Diagnose gestellt und mir auch erklärt, was Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) überhaupt ist.

Ich befand mich damals schon in einem recht weit fortgeschrittenem Stadium (Hurley III) und mir wurde auch direkt gesagt, dass erstmal eine recht große Sanierung stattfinden muss. Die alten bereits operierten Stellen mussten also zusätzlich zu den neuen wieder geöffnet und „korrekt“ operiert werden. Was auf mich zukommen würde, war mir zu dem Zeitpunkt ganz sicher nicht bewusst. Dass ich nach OP´s wochenlang krank sein würde, täglich wirklich sehr schmerzhafte Verbandswechsel über mich ergehen lassen muss und durch die schwere Schmerzmedikation auch darauf angewiesen war, dass ich zu meinem Arzt gefahren werde, hat mich seelisch fertig gemacht. Und auch ohne gerade vorangegangene OP hatte ich weiterhin täglich Schmerzen. Auch heute ist das noch so. Aber ich habe mich daran gewöhnt. So schlimm wie sich das vielleicht auch anhört, aber der chronische tägliche Schmerz gehört zu mir. Es wäre für mich wohl eher komisch, wenn er nicht da wäre.

Wie weit beeinträchtig dich deine Acne inversa im Alltag?

Mein Alltag mit Acne inversa ist immer anders, Tagesform abhängig. Es kann sein, dass ich morgens aufwache und mich kaum bewegen kann, dann schaue ich, ob ich ins Büro kann, oder ob ich lieber von Zuhause aus arbeite. Die Möglichkeit habe ich zum Glück. Es heisst für mich dann aber auch, ich muss abwägen ob ich zum Arzt muss, oder erstmal schaue ob ich die Entzündung selbst unter Kontrolle bekomme. Dazu muss man allerdings Erfahrung haben. Anfangs bin ich lieber einmal mehr zum Arzt gegangen, heute wirklich erst wenn ich merke, dass die Entzündung immer wieder an der gleichen Stelle kommt und sich vergrößert. Wenn das der Fall ist, sind Verfistelungen nicht mehr weit und das sollte man versuchen, zu vermeiden, denn dann wird die OP Fläche größer.

Auf deinem Instagram-Kanal @rabea__1984 gehts du offen mit der Acne inversa um und zeigst deinen Follower, dass das Leben trotz Hautkrankheit fantastisch sein kann.

Ich war nicht immer positiv… ich musste erst durch richtig fiese Tiefen gehen. 2015 bin ich komplett zusammengebrochen und musste mich aus meinem Alltag holen, um irgendwie die Reset-Taste drücken zu können. Ich war über ein Jahr Gefangene meines eignen Lebens. Mitte 2016 habe ich angefangen, mich selbst anzunehmen wie ich bin, eben auch mit der Akne Inversa und befinde mich seitdem auf einer langen Reise zur Akzeptanz. Einfach war und ist das sicher immer noch nicht. Der wichtigste Schritt für mich bis jetzt war, die Krankheit anzunehmen und offen darüber zu kommunizieren. Erst mit meiner Familie und dann weiter mit meinen Freunden. Instagram habe ich damals sicher nicht mit der Intention gestartet über meine Erkrankungen zu sprechen. Ich nutzte es sozusagen als Tagebuch. Erst vor knapp 3 Jahren fing ich an Akne Inversa zu thematisieren. Und ich behaupte einfach mal, 90 Prozent meiner „Zuschauer“ finden meine Offenheit mit diesem Thema super.

Ich kann viele Tipps geben und Hilfestellung leisten. Einige sind durch mich und meine Geschichte zum Arzt gegangen und haben endlich Hilfe bekommen. Einigen habe ich Mut gemacht, auch endlich offen mit Freunden und Familie zu reden und es geht ihnen besser. Aktuell arbeite ich an einem Blog, der mich mit meinen Erkrankungen thematisiert. Ich denke auch das wird vielen Betroffenen Mut machen. Wir sind nicht allein! Man darf nicht vergessen, als Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) erkrankte Person fällt man schnell in eine soziale Isolation. Depressionen sind eine der häufigsten Begleiterkrankungen. Wenn man nicht mehr kann, wie man eigentlich möchte, kurzfristig Verabredungen absagen muss, oder sich bei der Arbeit krank melden muss, stehen Freundschaften und auch der Job vielleicht auf der Kippe. Das macht viel mit der Seele… Wenn man aber offen kommuniziert und die Krankheit erklärt, können viele Probleme vermieden werden. Aber da muss man selbst erst hinkommen. Das dauert und ist Arbeit, Arbeit mit sich selbst!

Du sprichst auf @rabea__1984 auch davon, dass Menschen dir vorwerfen, deine Krankheit zu verharmlosen. Was macht solcher Hate Speech mit dir?

Der sogenannte Hate, den ich auch abbekomme, war anfangs sehr schwer für mich zu verdauen. Oft habe ich überlegt, dass Thema wieder fallen zu lassen. Aber all die positive Resonanz, die vielen Nachrichten meiner Follower, die sich bedanken und mir sagen, dass ich bloß nicht aufhören soll, haben mich durchhalten lassen. Und inzwischen stehe ich da drüber. Ich verharmlose sicher nichts, was mit Acne inversa einhergeht und ich will sicher auch niemandem zu nahe treten. Ich teile meine Erfahrungen, zeige was mir gut tut und gebe Tipps den eigenen Körper mit der Erkrankung kennenzulernen. Denn das ist unfassbar wichtig, um auch eine eventuelle Besserung zu erzielen.

Du hast einen Hund. Geht Acne inversa und Hund gut zusammen?

Berta, meine Hündin, lebt nun seit 5 Jahren bei mir. Es ist nicht immer leicht, wenn die Schmerzen gerade wieder sehr schlimm sind oder nach einer OP, muss sie schon sehr zurückstecken. Zum Glück habe ich wunderbare Freunde, die sie dann zu großen Spaziergängen abholen. Meine Mama kümmert sich auch, nimmt sie in den Nächten, wenn ich im Krankenhaus bleiben muss oder geht die kleinen Gassirunden. Ich führe eine Fernbeziehung, aber wenn mein Freund hier ist, übernimmt er das natürlich alles. Berta bringt mich eben auch dazu, schneller wieder in Gang zu kommen. Ohne sie wäre ich sicher oft einfach liegen geblieben, wenn ich mental nicht mehr konnte.

Welche Positiven und Negativen Dinge sind dir mit der Acne inversa widerfahren?

Das Schlimmste, was mir im Bezug auf die Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) passiert ist… physisch gesehen, eine OP an der falschen Stelle. Ich bin damals, noch vor der richtigen Diagnose, mit einer recht großen Stelle im Krankenhaus gewesen und unter Vollnarkose operiert worden. Als ich wach wurde habe ich direkt gemerkt, dass der Verband an der falschen Stelle sitzt. Die Erkenntnis war grausam.

Psychisch gesehen, ist auch heute noch schlimm, dass ich blöde Sprüche wegen all meiner Narben und den Hautverfärbungen bekomme, wie: „Und dein Freund findet das nicht abstoßend?“, „Wie kannst du damit nen Bikini tragen?“ oder„Welcher Kerl will dich denn noch anfassen?“. All das allerdings im Internet…Ich komm ganz gut damit zurecht, wie bereits gesagt, ich steh inzwischen drüber, aber trotzdem ist es schlimm. Andere kommen damit nicht zurecht und so sollte es auch niemanden wundern, wenn man sich auf Grund der Krankheit versteckt.

Positiv ist auf jeden Fall der Austausch auf Instagram, durch die recht große Acne inversa-Community, findet man oft noch mal Dinge heraus, die einem helfen können, Schübe zu minimieren oder die Abstände der nötigen OP`s groß zu halten. Durch Acne inversa habe ich eine Schwerbehinderung, so bin ich auch dazu gekommen ehrenamtlich die Schwerbehindertenvertretung bei meinem Arbeitgeber zu übernehmen, ich nutze meine eigenen Erfahrungen, um Kollegen zu helfen. Auch das sehe ich als positiv an.

Hast du hilfreiche Tipps aus deinem Acne inversa-Alltag, die du unseren NIK-Leser*innen mitgeben kannst?

DER Tipp, den ich jedem Acne inversa Erkrankten mitgeben kann, ist die eigenen Trigger zu erkennen. Das kann ein langer Weg sein, aber es hilft so sehr, wenn man weiß, was man vermeiden sollte. Ob es Nahrungsmittel, Körperpflegeprodukte oder auch Waschmittel sind, alles kann potenziell die Acne inversa verschlimmern.

Der größte Trigger ist allerdings Stress und da hilft es tatsächlich, sich an das Sprichwort „PUT YOURSELF FIRST“ zu halten. Die Gesundheit ist dein höchstes Gut, die kannst du nicht kaufen. Es ist sicher nicht immer einfach, Familie, Kinder, Beruf, Partner… alle verlangen ja irgendwie etwas von einem. Der eigene Körper sendet super Signale, man sollte eher früher als später darauf hören. Ich musste es auch erst lernen und auch heute erwische ich mich noch manchmal dabei, wie ich diese Signale ignoriere, aber am Ende dankt einem keiner, wenn du wieder im Krankenhaus liegst, wieder sechs Wochen krank bist und dich nicht bewegen kannst.

Wie geht es dir aktuell? Welche Erfahrungen hast du mir Therapien, auch alternativen Therapiemethoden gemacht?

Aktuell stehe ich kurz vor einer OP, es geht mir nicht allzu schlecht, deswegen habe ich noch keinen genauen OP Termin, aber es muss definitiv gemacht werden. Ich mache keine dauerhafte Therapie, ich habe mich selbst mit meiner Ernährung, meinem Lebenswandel und ein paar Nahrungsergänzungen so gut eingestellt, dass ich selten Stellen habe und wenn, sind sie, im Gegensatz zu früher, sehr klein.

Ich habe anfangs viel gelesen über Therapien, aber nach Gesprächen mit meinem Arzt, der über Jahrzehnte Studien über AI geführt hat, war das Ergebnis, was ich mit meiner Lebensweise erreicht habe, so gut, dass ich auf dauerhafte Medikamente verzichtet habe. Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich auch viele Allergien gegen Arzneimittel habe. Schmerzmittel gehören dazu, deswegen vermeide ich soweit es geht die Einnahme.

Das einzige, was ich immer mache, ist die Narbenpflege. Nach OP´s bleiben die Wunden offen, heisst also, es sind keine schönen, genähten Narben, sondern oft wulstige narbige Flächen. Die behandle ich täglich mit Narbenöl. Schon während der Heilung versorge ich die Wundränder, damit sie bei Bewegung nicht direkt wieder einreißen mit Propoliscreme.

Was wünscht du dir in Bezug auf deine Haut und die Acne inversa?

Rückwirkend betrachtet, wäre ich gerne eher zum Arzt gegangen, hätte gerne eher mit meinen Freunden gesprochen. Ich denke, dass hätte mir viel von dem anfänglichen Leid erspart. Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit für Acne inversa, mehr Akzeptanz. Die Krankheit muss so viel mehr in die Öffentlichkeit getragen werden, sodass sie kein Tabu mehr für Betroffene ist! Für mich persönlich hoffe ich, dass ich die Abstände zu den Schüben weiter vergrößern kann und lange keine Verfistelungen bekomme. So kann ich auch OP´s vermeiden.

Mein Schlusswort:
Acne inversa ist die Krankheit, die ich habe, aber sie macht mich nicht aus. #aiisnotme

Ich versuche immer mein Leben so normal wie möglich zu leben. Auch mit den täglichen Schmerzen. Ich bleibe positiv. Ich mache weiter, gebe alles – nur nicht auf !!!