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Neurodermitis: Die Geschichte von Annika

Mut-Mach-Geschichte von Annika - Neurodermitis

Einleitung:
Name: Annika Schmitdt
Alter: 30
Diagnose: Neurodermitis: Neurodermitis (1991), Allergien (1991), Asthma (ca. 1995)

 

Interview:

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung?

Ich war zwei Wochen alt – so erzählt meine Mutter – als meine Haut zum ersten Mal rot wurde und anfing zu nässen. Der Gang zum Arzt erbrachte recht bald die Diagnose Neurodermitis. Nur der Umgang damit war schwierig. Ein Allergietest brachte 20 verschiedene Allergien, und zwei Wochen später zwanzig andere Allergien. Darauf konnte man sich nicht einstellen. Als ich ca. vier Jahre alt war, eskalierte meine Haut komplett: Es begann zu eitern, und ich konnte auch keine normalen Klamotten mehr tragen. Ein Klinikaufenthalt und viel Kortison richteten es wieder – aber danach begann das Asthma.

Wie war es dann, als du die Diagnose erfahren hast? Was hat die Diagnose bei dir ausgelöst?

Ich war ein Baby und kenne mich nur so. Für mich ist das Normalität, mit den Erkrankungen zu leben – mittlerweile sehe ich sie nicht mehr als Krankheiten.

Wie hat deine Familie reagiert?

Für meine Eltern und großen Geschwister war meine Neurodermitis lange eine riesige Belastung – vor allem da jahrelang nicht klar war, wie man damit umgehen sollte. Die ohnehin schon strittige Familienatmosphäre wurde nicht gerade verbessert dadurch, dass zum Beispiel eine Heilpraktikerin meinte, ich sei gegen die Muttermilch allergisch, und mein Vater daher von meiner Mutter wollte, dass sie abstillt. Sie meinte aber, die Natur könne nicht so falsch sein, dass ein Kind auf die Muttermilch allergisch sei und stillte weiter. Ein anderer Heilpraktiker meinte „bringen Sie Ihre Ehe in Ordnung, dann wird es dem Kind wieder gut gehen“. Da dachte meine Mutter: ja gerne, aber wie?! Das wusste er dann nicht. Helfen konnte dann letztendlich für sehr lange Zeit eine homöopathische Ärztin, die parallel zu den Kügelchen auch ganz konkret immer wieder Familienberatung und Streitschlichtung machte. Meine Eltern waren bereit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und an den Auslösern für meine Neurodermitis zu arbeiten – dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Später, als ich als junge Erwachsene noch einmal einen sehr schlimmen Schub hatte, war es schwierig für meine Familie, die Symptomatik auszuhalten, und die Verantwortung für den Umgang damit bei mir zu belassen. Meine Mutter wollte mir ständig Ringelblumentee zum Einweichen geben, mein Vater wollte mich in eine Klinik schicken und meine Schwester zur Psychotherapie. Grundsätzlich wurde aber respektiert, dass ich die Entscheidungen treffe.

Wie hat sich dein Leben und das deiner Familie seither verändert?

Ich kenne mich nur mit den Erkrankungen, und daher hat sich für mich nichts speziell seit der Diagnose verändert. Grundsätzlich wissen alle, wie sie mit mir und der Erkrankung umgehen können.

Wie bewältigst du deinen Alltag?

Ich habe mich, vor allem seit meinem schlimmen Schub im Alter von 19/20 Jahren, sehr sehr gut selbst kennengelernt. Ich weiß, wo meine Trigger sind und wo nicht, und auch welche Lebensbedingungen ich brauche, um (fast) symptomfrei zu sein. Ich muss schauen, dass mein Leben in geordneten Bahnen verläuft, dass meine Beziehungen geklärt sind und kein Streit ist. Dass ich selbst genug Raum auch für mich habe und mich gut abgrenze. Dass ich genug Schlaf bekomme.

Ich kenne die Situationen, die mir Juckreiz und Kratzen bringen und habe mir zunehmend angewöhnt, diese nicht mehr kratzend zu überstehen, sondern so zu verändern, dass ich nicht mehr kratzen muss. Dies kann bedeuten, z.B. einen langweiligen Spieleabend zu beenden und nicht mehr bis zum Ende durchzustehen. Oder eine Silvesterparty zu pausieren für eine Stunde im Bett, um dann zu Mitternacht wieder aufzustehen. Oder meine Mutter zu fragen, wie lange sie noch bleiben möchte und wie der weitere Plan für den Tag ist.

Soweit ich weiß, bin ich weiterhin allergisch auf Katzenhaare und Hausstaub. Aber dies beeinträchtigt mich im Alltag gar nicht. Ich gehe weiterhin zu Katzenbesitzern zu Besuch, und habe dabei einmal bemerkt, dass ich nur Allergiesymptome bekomme, wenn ich gestresst bin – ansonsten nicht. Bei Umzügen helfe ich weiterhin, niesend, Nase putzend, aber egal. Ich lasse mir von den Symptomen nicht ins Leben reinpfuschen!

Wie geht es dir aktuell?

Die Neurodermitis ist aktuell fast symptomfrei, beschränkt sich auf sehr kleine Stellen an den Augen, Kopfhaut und Oberkörper.

Allergien bestehen, beeinträchtigen mich aber nicht.

Das Asthma ist zur Zeit so sehr in den Hintergrund getreten, dass ich genau überlegen müsste, wann ich das letzte Mal das Spray genommen habe. Ich habe auch irgendwann herausgefunden, dass ich kein (Belastungs-)Asthma bekomme, wenn ich mich beim Sport nicht überfordere. Also etwas langsamer joggen – dann brauche ich kein Spray.

Wie Therapierst Du zur Zeit?

Wenn die Haut schlimmer wird, fange ich wieder neu an, mein Leben umzusortieren, sodass ich wieder weniger (Dauer-) Stress habe, meine anstehenden Probleme löse und wieder genug Schlaf bekomme. Das war zuletzt vergangenen Winter so, nachdem meine kleine Tochter (jetzt 10 Monate alt) Gewichts- und Stillprobleme hatte. Nach ca. 2-3 Monaten hatte sie wieder Normalgewicht und meine Haut war wieder größtenteils verheilt. Diesen Stressreduktions-Prozess mache ich mittlerweile in Eigenregie, früher war ich mehrfach für kürzere Zeit in Psychotherapie dafür.

Für das Asthma habe ich ein Spray auf Bedarf, habe es aber schon monatelang nicht mehr nehmen müssen.

Was hilft dir, deine Symptomatik gut in den Griff zu bekommen?

Dauerstressreduktion, Zur-Ruhe-kommen, Leben sortieren, Beziehungen klären, Mir-selbst-mehr-Raum-geben, zu mir stehen, Meditation und Entspannungsverfahren, Probleme lösen, der Symptomatik nicht so viel Raum geben und die Dinge tun, die ich tun will, egal wie meine Haut aussieht.

Was ist dein Wunsch in Bezug auf Deine Erkrankung?

Die darf bleiben. Ich habe sie als eine Art „Stressthermometer“ akzeptiert und schätzen gelernt. Sie hat mir auch sehr viele Dinge beigebracht. Trotzdem bin ich der Chef, und nicht die Krankheit!

Schlusswort:

Fazit, Rat an Betroffene, Motto etc.

Man kann sehr gut mit atopischen Erkrankungen leben, man braucht nur die richtigen Lebensbedingungen! Die herauszufinden und zu implementieren, dabei helfe ich als Psychologin und systemische Beraterin in Ausbildung gerne.