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Neurodermitis: Die Geschichte von Sophia

Bild zur Mut Mach Geschichte von Sophia - Neurodermitis

Einleitung:
Name: Sophia
Alter: 27
Diagnose: Neurodermitis, seit 1995
Instagram: liebedeinleben_sophia

 


Interview

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung der Neurodermitis? Gab es besondere Schwierigkeiten bei der Diagnose?
Neurodermitis wurde bei mir nur wenige Monate nach der Geburt diagnostiziert. Ich kam im Oktober auf die Welt und Richtung Winter haben sich die ersten Anzeichen gezeigt. Meine Eltern haben mir erzählt, dass meine Kinderärztin gesehen hat, dass meine Haut allgemein, aber besonders meine Gesichtshaut, auffällig war. Sie meinte, dass ich vermutlich ein Kind mit Hautproblemen bin. Meine Haut als Baby war sehr empfindlich und schnell gereizt. Ich habe z.B. auf Badezusätze reagiert.

Wie erinnerst du den Moment, an dem du die Diagnose erhalten hast?
Meine Eltern waren teilweise traurig, dass sie mir nicht richtig helfen können. Sie haben sich Sorgen gemacht und haben sich hilflos gefühlt. Besonders in den Nächten, in denen ich durch den starken Juckreiz sehr unruhig geschlafen habe. Meine Mama und mein Papa hätten jemanden gebraucht, der sie an die Hand genommen und ihnen gesagt hätte, was sie alles tun können.
Von den Ärzten wollten meine Eltern wissen, wie sie mir helfen können und welche Cremes sie mir auftragen können. Ganz klar war, dass sie mir so wenig wie möglich Kortison auftragen wollten, weil sie wussten, dass es nicht gut für die Haut ist. Meine Mama wurde von einem Hautarzt beschimpft, weil sie sich geweigert hat, mir ständig Kortison aufzutragen und er die Entscheidung nicht nachvollziehen konnte. Zu dem Zeitpunkt haben die Ärzte auch oft gesagt, dass es nicht so viele Mittel gibt, wie man Menschen mit Hautkrankheiten helfen kann.

Hat sich dein Leben seit der Neurodermitis-Diagnose verändert?

Meine Eltern haben versucht, sich an verschiedenen Stellen Hilfe zu holen, um mir helfen zu können. Der Austausch mit anderen betroffenen Familien war sehr wertvoll für beide. Mit der Diagnose kamen unzählige Arztbesuche sowie drei Aufenthalte in Kureinrichtungen vor meinem Schuleintritt auf uns zu. Das hat eine Menge Organisation bei einer dreiköpfigen Familie bedeutet.

Du leidest auch an einer Histaminintoleranz, was eine sowieso schon entzündete Haut noch anfälliger werden lässt. Was war zuerst da, die Histaminintoleranz oder die Neurodermitis?
Die Diagnose Histaminintoleranz habe ich im September 2020 erhalten. Jetzt im Nachhinein denke ich aber, dass ich die HIT schon viele Jahre hatte, sie aber nicht so stark ausgeprägt war. Ich hatte schon eine lange Zeit Symptome, die ich aber als normal wahrgenommen habe: Flush im Gesicht und laufende Nase beim Essen sowie Kopfschmerzen. Der große “Knall” kam dann im Sommer 2020, nachdem ich viel Stress hatte, mich ungesünder als sonst ernährt habe und nach der Einnahme von starken Schmerzmitteln.

Ist die Stoffwechselstörung gesondert von der Neurodermitis zu betrachten und zu behandeln oder geht das nur zusammen?
Das sind zwei Erkrankungen, die viele Parallelen aufweisen. Die Neurodermitis zeigt sich über die Haut, genauso, wie es die Histaminintoleranz zum Teil gemacht hat. Die große Parallele ist, dass beide Erkrankungen schlimmer geworden sind, wenn ich Stress hatte, meine psychische Gesundheit aus dem Gleichgewicht geraten ist oder ich Dinge gegessen habe, die nicht so gut verträglich waren.
Durch die strikte Ernährungsumstellung ist meine Haut auch besser geworden. Eine tolle Verbesserung der Histaminintoleranz und Neurodermitis konnte ich nach einer umfassenden Darmsanierung sowie der Beachtung meiner Zellgesundheit feststellen.
Aus meiner Sicht muss man die Erkrankungen möglichst ganzheitlich betrachten, die Ursachen herausfinden und dann schauen, wo man ansetzen kann.

Du bist noch so jung und deine (Gesichts-)Haut sieht fantastisch aus. Macht es dir Angst, wenn du in die Zukunft blickst, was mit der Neurodermitis und der Histaminintoleranz noch auf dich zukommen könnte?
Danke für das Kompliment! Nein, ich habe keine Angst vor der Zukunft. Ich bin jetzt 27 Jahre alt, war schon bei unzähligen Ärzten, habe unglaublich viele Salben ausprobiert und habe verschiedene Spritzen bekommen. Im Vergleich zu früher geht es meiner Haut mittlerweile sehr gut. Wenn ich Bilder aus meiner Kindheit anschaue, dann sehe ich, wie sich meine Haut positiv entwickelt hat. Mittlerweile habe ich “Werkzeuge” für mich gefunden, durch welche ich tolle Erfolge feiern konnte und die meiner Haut richtig guttun.

Was hilft dir, wenn du an die Zukunft denkst?
Was ich bisher schon aus eigener Kraft auf gesundheitlicher Ebene geschafft habe, lässt mich sehr positiv in die Zukunft blicken. Als ich die Diagnose Histaminintoleranz bekommen habe, hatte ich keine Ahnung, was ich tun soll. Tipps, wie: “Lesen Sie mal im Internet nach.” oder “Ja, dann lassen sie halt reifen Käse, Rotwein und Sauerkraut weg.” waren nicht sonderlich hilfreich. Ich habe begonnen zu recherchieren, zu lesen und auszuprobieren. Da mir kein Arzt weiterhelfen konnte, musste ich in die Selbstverantwortung gehen und schauen, was ich selber tun kann, damit es mir gesundheitlich besser geht. Das Wissen, welches ich mir dadurch angeeignet habe und die Erfahrungen, die ich bis hierher gemacht habe, sind so umfassend, dass ich mich dazu entschieden habe, diese Dinge auf Instagram unter instagram.com/liebedeinleben_sophia zu teilen und anderen Betroffenen weiterhelfen zu können oder auch nur die Person zu sein, die ihnen zuhört und sie versteht.

Welche Jahreszeit ist dir und deiner Haut die liebste?
Ich finde, dass jede Jahreszeit etwas Schönes mit sich bringt. Besonders mag ich den Frühling! Herbst und Winter sind mir oft zu kalt und das Wetter ist so wechselhaft, was meine Haut auch anfälliger macht. Im Sommer tut die warme Sonne auf meiner Haut gut. Für mich ist die Basis, dass ich ausreichend trinke, um meine Haut dadurch mit Feuchtigkeit zu versorgen. Zur täglichen Routine gehört für mich das Eincremen. Im Herbst und Winter merke ich, dass meine Haut mehr Fettigkeit benötigt – Im Sommer dafür mehr Feuchtigkeit. Wenn meine Haut sehr trocken ist, tut mir ein Ölbad sehr gut. Kurzes, nicht zu heißes Duschen und milde Hautpflege kann ich auch empfehlen.

Wie geht es dir und deiner Haut aktuell? Therapierst du gerade? Was für Erfahrungen hast du mit Therapien und Medikamenten gemacht?
Meiner Haut geht es richtig gut! Es war ein langer Weg bis hierher. Über die Jahre hinweg hat sich meine Haut genauso weiterentwickelt wie meine Persönlichkeit. Als Kind hat man mir auf den ersten Blick angesehen, dass ich Hautprobleme habe. Durch die Pubertät hat sich mein Hautbild schon etwas verbessert. Dieses Jahr habe ich eine Desensibilisierung gegen Milben abgeschlossen, da ich sehr allergisch darauf reagiert habe. Meine Haut hat das auch nochmal positiv beeinflusst.
Ich war im Laufe meines Lebens schon viele Male zur Reha. Diese haben meiner Haut mal mehr, mal weniger gut getan. Erfolge konnte ich nach dem Aufenthalt in der Schweiz und an der Nordsee sehen.
Ich bin schon so viele Jahre in ärztliche Behandlung und habe zu 99 Prozent Cremes für die äußerliche Anwendung bekommen. Dazu zählte oftmals auch Kortison. Dieses Jahr bin ich darauf gestoßen, dass ich selber etwas nachhaltig, von innen heraus für meine Haut tun möchte, da ich mich in einem Karussell befunden habe, welches sich nicht aufgehört hat zu drehen. Seitdem ich mich umfassend um meine Darmgesundheit kümmere und Omega 3 supplementiere, hat sich meine Hautgesundheit nochmal mehr verbessert. Vor allem ist meine Haut nicht mehr so trocken und ich brauche nur noch selten über Nacht Fettcreme auf meinen Händen. Das hätte ich mir vor einem Jahr nicht erträumen lassen.

Wie geht es dir und deiner Histaminintoleranz aktuell? Bist du hier auch in Behandlung? Kannst du uns von deinen Erfahrungen hier berichten, z.B. was dir hilft und was nicht?
Die letzten zweieinhalb Jahre waren eine Achterbahnfahrt hinsichtlich der Histaminintoleranz. Begonnen hat alles mit einem kleinen roten Fleck an meinem linken Unterarm. Der Ausschlag hat sich in wenigen Tagen über meinen ganzen Körper ausgebreitet. Die Nesselsucht sollte laut der Ärzte wieder von selber verschwinden. Als das nicht der Fall war und ich in einer Nacht Atemprobleme hatte, wurde ich in die Hautklinik eingewiesen. Das Ergebnis war, dass ich Kortison, Allergiemedikamente etc. drei Tage lang über den Tropf bekommen habe und die Vermutung im Raum stand, dass ich eine Medikamentenallergie habe. Völlig erschöpft und mit einem Medikamentenplan durfte ich dann nach Hause. Als wenige Tage später die Nesselsucht wieder kam, wusste ich, dass es etwas anderes sein muss, was meine Haut triggert. Ich war dann beim Hautarzt und es wurde der DAO-Wert im Blut untersucht. Dieser war in einem Bereich, der eine Histaminintoleranz wahrscheinlich macht. In Kombination mit einer histaminarmen Ernährung hat sich mein Gesundheitszustand verbessert.

Es hat viel Zeit gebraucht, bis ich mich im “Histamin-Jungle” zurechtgefunden habe. Trotz der Ernährungsumstellung kam die Nesselsucht immer wieder, was mich unglaublich traurig gemacht hat, weil ich einfach nicht wusste, was ich noch tun soll. In diesem Moment hätte ich jemanden gebraucht, der mich an die Hand nimmt und sagt, was ich noch tun kann. Stattdessen habe ich wöchentlich meinem Hautarzt einen Besuch abgestattet, um mir Spritzen gegen die Nesselsucht geben zu lassen sowie Kortison- und Allergietabletten verschreiben zu lassen.
Nach und nach habe ich mich mit dem Thema Darmgesundheit auseinandergesetzt und verstanden, wie wichtig sie ist. Im April 2022 habe ich meine dritte Darmkur gestartet, weil die ersten beiden nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt haben. Dafür habe ich meine Ernährung nochmal angepasst (vegan, histaminarm, glutenfrei, zuckerfrei), habe eine Entgiftung gemacht und dann mit dem Darmaufbau begonnen. Dieser bestand aus einem Probiotikum, eine Mischung aus verschiedenen Ballaststoffen, Colostrum, Vitamin D und Omega 3. Ich habe auch eine Analyse meiner Blutzellen durchgeführt, bei der rauskam, dass ich zu viele entzündungsfördernde Fettsäuren in meinem Körper habe (stille Entzündungen) und meine Zellmembran verhärtet ist, wodurch die Abfallprodukte vom Zellstoffwechsel einerseits nicht raus können und auf der anderen Seite die Vitamine und Nährstoffe nicht in die Zelle rein können. Das Ergebnis hat für mich u.a. hinsichtlich der HIT und Neurodermitis einiges erklärt.

Während der Darmkur habe ich irgendwann gemerkt, dass mir mein Körper von innen heraus Signale sendet, dass es wieder ok ist, histaminhaltige Lebensmittel zu probieren. Das war ein unglaubliches Gefühl. Mittlerweile vertrage ich wieder viele histaminhaltige Lebensmittel und baue nach und nach immer wieder mehr mit in meinen Speiseplan ein, was mich sehr glücklich macht. Wenn ich bei Feiern bin, nehme ich mir zum Teil trotzdem noch etwas extra Essen mit, um auf Nummer sicher zu gehen. Aber es ist einfach schon so ein großer Fortschritt, dass ich keine Angst mehr vor Lebensmitteln habe, in Restaurants essen gehen kann und somit ein Stück Lebensqualität zurückgewonnen habe. Ein großer Punkt, sowohl für die Neurodermitis als auch die Histaminintoleranz, ist das seelische und emotionale Wohlbefinden und das Stressmanagement. Das sind Bereiche, an denen ich täglich arbeite, um diese Trigger für meine Gesundheit so gering wie möglich zu halten.

Hast du schon mal alternative bzw. begleitende Therapiemethoden für eine oder beide Krankheiten ausprobiert, die dich bei regulären Behandlungen richtig gut unterstützen konnten?
Ich bin schon einige Jahre immer mal wieder in Behandlung bei Heilpraktikern, weil ich deren ganzheitlichen Ansatz, den Menschen zu betrachten, genial finde und ich dadurch oft einen anderen Blick auf meinen Körper erlangen konnte.

Hast du einen Wunsch in Bezug auf deine Erkrankungen?
Ich tausche mich besonders über Instagram mit vielen Betroffenen hinsichtlich der Histaminintoleranz aus. Was ganz oft deutlich wird: Die HIT ist eine sehr unbekannte Stoffwechselerkrankung. Oftmals wird die Diagnose leider auch von vielen Leuten heruntergespielt oder es wird sogar gesagt, dass es die Histaminintoleranz nicht gibt. Die Erkrankung ist noch so unbekannt, dass viele ewig im Dunklen tasten, bis sie mal die Diagnose erhalten. Die Symptome können von Kopfschmerzen/Migräne, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Magen-Darm-Problemen über Hautausschläge bis hin zu Atemnot sein. Dabei denken wohl die wenigsten an eine Histaminintoleranz, weil die Stoffwechselstörung noch so unbekannt ist.

Mein Wunsch für die Neurodermitis und die Histaminintoleranz: Es dürfen nicht nur die Symptome behandelt werden, sondern es muss geschaut werden, wo die Ursache im Körper liegt. Die Betroffenen müssen mit ihren Symptomen erst genommen werden und nicht nur die Psyche als Grund für körperliche Reaktionen genannt werden.

Schlusswort

Viele wollen es manchmal nicht hören, aber: Deine Gesundheit, deine Verantwortung! Das musste ich selber erfahren. Es kommt niemand und sagt dir, was du tun sollst. Ich musste in die Selbstverantwortung gehen, um zu mehr Beschwerdefreiheit zu kommen. Durch die Symptome wollte mir mein Körper zeigen, dass etwas im Ungleichgewicht ist und dass ich genauer hinschauen muss. Als ich mir die Zeit genommen habe, um in meinen Körper hineinzuspüren und zu schauen, was er braucht, hat sich vieles in Bewegung gesetzt.

Positiv denken, hinsichtlich der Gesundheit fiel mir oft nicht leicht. Wenn ich einen Neurodermitis-Schub oder starke Symptome der Histaminintoleranz hatte, habe ich mir oft gedacht, warum ich? Mittlerweile habe ich gelernt, dass ich sensibler auf Dinge reagiere als andere und das ist völlig ok. Mein Körper und ich sind ein Team. Ich bin auf einem sehr guten Weg mit meiner Gesundheit und bin rückblickend meinem Körper dankbar, dass er mir Signale sendet, wenn er mehr Zuwendung braucht. Heilung beginnt von innen nach außen. Das ist ein großes Learning für mich gewesen!

Als Reminder für dich: Höre auf deinen Körper, achte auf deine mentale Gesundheit und genieße das Leben!