Ich heiße Nicole Kühling, bin 36 Jahre alt und meine 5 Jährige Tochter hat seit ihrem zweiten Lebensjahr Rheuma. Die Diagnose Juvenile ideopatische Polyarthritis fiel im September 2017.

Deine kleine Tochter hat seit ihrem zweiten Lebensjahr Rheuma. Wie hast du gemerkt, dass irgendwas mit ihr nicht stimmt?

Eines Morgens wachte sie mit einem heißen und geschwollenen Knie auf. Zuerst glaubten wir an eine Verletzung oder einen Wachstumsschub und dachten uns nicht viel dabei. Der Kinderarzt vermutete eine Infektion oder eine Verletzung, aber zur Vorsicht wurde sie mit einem Antibiotikum behandelt und bekam ein Schmerzmittel. Es wurde nicht besser, so dass wir uns selber auf die Suche nach einer Erklärung machten.

Es war ein Zufall, der uns an Rheuma denken ließen, denn eine Kollegin hatte kurz zuvor einen Bericht zu Symptomen von Kinderrheuma in einer Fachzeitschrift gelesen. Die Symptome passten haargenau. Der Kinderarzt wollte davon jedoch nicht ausgehen. Zum Glück konnten wir mit einer Ärztin telefonieren, deren Tochter ebenfalls Kinderrheuma hat. Sie riet uns aufgrund der eindeutigen Symptome einen Spezialisten aufzusuchen und uns nicht abwimmeln zu lassen. Leider traf dieser, wie sich ein paar Tage später herausstellte, eine schwerwiegende Fehldiagnose. Er diagnostiziere zwar Rheuma, schickte uns aber mit einem Rezept über Schmerzmittel für 8 Wochen nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir aber schon so viel Literatur zu dem Thema gelesen, dass wir selbst schon kleine Experten waren. Wir suchten eine weitere Fachklinik auf, denn wir wollten unserer Kleinen nicht 8 Wochen ein Medikament zumuten, was bis zu dem Zeitpunkt nichts gebracht hat. Eine deutliche Fehlstellung des Knies stellte sich ein und wir ahnten, dass da noch mehr kommen wird. Und so war es dann auch. Wie sich leider herausstellte, war das Knie nicht das einzige betroffene Gelenk. Über 20 Gelenke waren betroffen: die Knie, die Ellenbogen, die Handgelenke, die Sprunggelenke, Finger und Zehen, sowie die Hüfte und das Kiefergelenk. Als wir das erfahren haben, sind wir natürlich aus allen Wolken gefallen. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie noch nie krank.

 

Wie war das, als ihr die Diagnose des Arztes erhalten habt?

Für meinen Mann und mich war es ein großer Schock. Auf Grund der Schwere der Erkrankung mussten wir innerhalb kürzester Zeit wichtige Entscheidungen bezüglich Therapien, Behandlungen und Medikamenten treffen. Unser Leben änderte sich auf einen Schlag. Wir konnten es überhaupt nicht fassen, dass unserer Maus so etwas passiert. Ich habe pausenlos geweint. Wir hatten große Angst vor dem, was uns erwarten würde, wie sich der Alltag verändern würde und welche Konsequenzen es für unserer Tochter geben würde.

 

War es schwer, ihr die Diagnose zu erklären?

Da unserer Tochter noch zu jung war, mussten wir ihr die Diagnose noch nicht erklären. Da sie die Erkrankung so früh bekommen hat und wir sie gut in den Griff bekommen haben, kann sie sich an Schmerzen oder Einschränkungen kaum erinnern. Aktuell stellt sie aber schon sehr viele Fragen, weshalb sie so oft zum Arzt muss oder warum sie eine Spritze bekommen muss. Bisher geht sie gut damit um.

 

Was hat sich geändert, seitdem du weißt, dass deine Tochter Rheuma hat?

Der Alltag ist natürlich anders als er mit einem gesunden Kind wäre. Wir haben sehr viele Termine und regelmäßige Aufenthalte im Krankenhaus. Das hatte zum Beispiel Auswirkungen auf die Arbeit und schränkt uns im Alltag etwas ein. Aber insgesamt haben wir uns gut damit arrangiert.

 

Wie hältst du/hält sich deine Tochter fit und beweglich?

Sie hat regelmäßig Physiotherapie, wir gehen schwimmen und versuchen sehr viel Bewegung in unseren Alltag einzubauen. Unsere Tochter war schon immer sehr bewegungsfreudig. Gott sei Dank hat die Erkrankung ihr die Freude nicht genommen, auch wenn sie gewisse Einschränkungen hat.

 

Mit welchen Einschränkungen im Kindergarten/Schule wächst sie auf?

Wir hatten großes Glück, denn durch die schnelle Therapie konnten wir die Beschwerden sehr schnell auf ein Minimum reduzieren. Aktuell hat sie daher keine großen Einschränkungen was den Besuch des Kindergartens angeht. Bei Spielen die eine starke Belastung für die Gelenke darstellen, muss sie zwar etwas zurückstecken, aber das hält sich in Grenzen. Zurzeit geht es ihr auch sonst gut und sie ist selten krank, obwohl wir erst ein wenig Angst hatten wegen der Medikamente.

 

Wird/Wurde sie therapiert?

Bei der genauen Diagnosestellung waren wir in einer großen Klinik speziell für Kinderrheuma, das St. Josef-Stift in Sendenhorst bei Münster. Das Therapieangebot umfasst dort alles von der ausführlichen Anamnese, über operative Eingriffe, medikamentöse Einstellung, Physio- und Ergotherapie sowie physikalischen Therapien, Bewegungstherapie und psychologiescher Begleitung.

Bei ihrem ersten Schub waren über 20 Gelenke betroffen. Daher wurden die betroffenen Gelenke zuerst mit einer Kortisoninjektion behandelt. Das geschah aufgrund ihres Alters unter Vollnarkose. Die Behandlung schlug sehr gut an und die Schwellungen und Schmerzen gingen zusehends zurück. Im weiteren Verlauf des fast vierwöchigen Aufenthaltes in der Klinik wurde sie auf ihr Basismedikament und eine Schmerztherapie eingestellt. Begleitet wurde das ganze durch Physiotherapie, Kältetherapie und eine Versorgung mit Nachtlagerungsschienen, um die bereits entstandenen Fehlstellungen der Gelenke zu korrigieren.

 

Wie geht es ihr aktuell?

Aktuell ist das Rheuma ruhig. Die Schmerzmedikamente konnten wie bis auf bedarfsmäßige Gaben absetzen. Die verformten Gelenke sind wieder gerade und sie hat kaum Einschränkungen in der Bewegung. Das Basismedikament ist geblieben, da wir aktuell noch eine Problematik im Kiefergelenk vermuten. Die Diagnose ist bei jungen Menschen sehr schwer, da die Untersuchungsmethoden nicht für kleine Kinder geeignet sind. Sie verträgt das Basismedikament gut, deshalb wollen wir es noch nicht absetzen. Im Großen und Ganzen können wir sehr zufrieden sein mit dem Verlauf. Allerdings war es auch viel Glück, dass wir so schnell in so gute Hände gekommen sind. Ich habe während der regelmäßigen Aufenthalte in der Klinik, die wir zur Kontrolle und zur Anpassung der Therapie wahrnehmen, viele Fälle gesehen, in denen es nicht so gut gelaufen ist. Viele Diagnosen wurden viel zu spät erkannt und die Kinder hatten weitaus größere Schäden oder schlimmere Krankheitsverläufe.

 

Du berätst Menschen in ihrem Essverhalten und bei Ihrer Ernährung. Der Name deiner Website www.ernaehrung-auf-anfang.de ist gleichzeitig ein wichtiges Motto, dass du ihnen mit auf den Weg gibst: Sie können an ihrem Essen etwas verändern, um sich wohler, fitter und gesunder zu fühlen. Wie hat deine rheumatisch erkrankte Tochter von deinem Wissen rund um Ernährung profitiert?

Das ist sehr schwer zu sagen. Der Großteil des Erfolges liegt mit Sicherheit im Zusammenspiel aller Therapien. Den Einfluss der Ernährung kann man in ihrem Alter schwer messen, denn sie kann Auswirkungen oder Veränderungen schwer greifen oder in Worte fassen. Bei meinen älteren Patienten macht sich die Ernährung viel deutlicher bemerkbar. Sie bestätigen mir oft direkte Reaktionen auf den Verzehr von bestimmten Lebensmitteln oder auch Verbesserungen bei Verzicht.

Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die angepasste Ernährung sehr wohl auf den allgemeinen Zustand Einfluss nimmt. Durch die entzündungshemmende Ernährung vermeide ich ihr „Brennstoff“ für neue Entzündungen zu geben. Ebenfalls sorgen ich mit der Ernährung dafür, dass das Immunsystem seine Arbeit ordnungsgemäß leisten kann und beispielsweise Mangelerscheinungen ausgeglichen werden. Denn eine chronische Erkrankung geht meist mit einem erhöhten Bedarf an Nährstoffen einher. Nur wenn der Körper richtig genährt ist und er im Gegenzug wenig unnötige Stoffe abwehren muss, kann er die Erkrankung ausgleichen. Im Verhältnis ist unserer Tochter extrem selten krank und hat einen sehr guten Verlauf ihres Rheumas.

 

Schlusswort:

Fazit, Rat an Betroffene, Motto etc.

Ich stelle immer wieder fest, dass viele Rheumapatienten noch nie etwas von den Möglichkeiten einer Ernährungsumstellung gehört haben. Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen für dieses Thema begeistern können und es einfach mal versuchen. Man kann ja nur profitieren. Im schlechtesten Fall hat man sich einfach nur gesund ernährt und etwas für seine allgemeine Gesundheit getan. Im Idealfall bekommt man ein großes Stück Lebensqualität zurück.

Mein Rat ist, sich einfach mal auf den Weg zu machen oder sich Hilfe zu holen. Auch unabhängig von der negativen Meinung einiger Ärzte in Bezug auf Ernährung. Denn die vielen Beispiele zeigen, dass es definitiv möglich ist, seine Beschwerden begleitend zu verbessern, wenn man wirklich dranbleibt und bereit ist, etwas zu verändern!

Aber der erste Schritt beginnt bei sich selber, denn man muss häufig erstmal ein wenig über seine Komfortzone treten. Aber es lohnt sich definitiv!

 

Stand 2020