Ich bin Laura Grube, 26 Jahre alt und habe 1995 die Diagnose: Neurodermitis erhalten. Nebendiagnose: Seit 2016 chronische induzierbare Utekaria, Pollenallergien
Interview:
Du hast seitdem du geboren wurdest Neurodermitis. Woran erinnerst du dich, hast du, als du klein warst, besonders schlimm gelitten?
Ich hatte eine sehr schöne Kindheit, meine Erkrankung war nur leicht ausgeprägt. Das heißt, nur an den Armbeugen und am Hals waren hin und wieder Ekzeme. Meine erste Stelle war der Halsbereich. Die Haut war dort rot und schuppig. Dennoch konnte ich wie alle anderen Kinder im Dreck spielen und auf Bäume klettern. Das einzige, was wirklich nicht toll war, war das ständige Eincremen. Das mag ich bis heute nicht. Es kostet Zeit und man hat eine schmierige Haut. Als Kind kam hinzu, dass ich jede Creme abgelehnt habe, die auch nur ein bisschen auf der Haut gebrannt hat.
Gab es besondere Schwierigkeiten bei der Diagnose, weil du so jung warst? Oder generell bei der Diagnosestellung?
Die Hautärzte haben damals nicht viel unternommen. Meine Mutter hat mir erzählt, dass man ihr nur eine Tube Cortison in die Hand gedrückt hat. Damit würden es schon wieder weggehen. Es war damals sehr schwer für meine Mutter, da die Krankheit nicht ernst genommen wurde. Deshalb hat meine Mutter damals sehr viel selber recherchiert und sich so das notwendige Wissen angeeignet.
Musstest du als Kind häufig in Kliniken und zu Ärzten? Wie hast du Arztbesuche und unterschiedliche Therapieansätze wahrgenommen?
Da die Allgemeinmedizin damals noch nicht soweit war, hat meine Mutter auf Heilpraktiker gesetzt. Dort wurde mit Bioresonanz gearbeitet. Die Anzahl der Sitzungen hielt sich in Grenzen, somit war es kein Problem für mich.
Wann hast du verstanden, dass deine Haut anders ist, als die von anderen Kindern?
Ich habe mir als Kind nicht viele Gedanken gemacht. Ich habe mit der Erkrankung gut gelebt. Deswegen war ich auch in meinen Augen nicht anders als andere Kinder.
Hattest du als Kind das Gefühl, dass all die Mittel, die dir verschrieben wurden, dir und dem Wohlsein deiner Haut etwas bringen?
In der Kindheit fand ich, dass jede Creme mir geholfen hat. Ein paar Tage nach dem Ausbruch des Ekzem, heilte die Haut wieder und alles war wieder gut. Jetzt im Erwachsenenalter sieht das ganz anderes aus. Kaum eine Creme, Salbe, Tablette oder Spritze hilft dauerhaft. Man rennt von Arzt zu Arzt und probiert neue Sachen aus. Ich habe auch viele alternative Methoden ausprobiert, die jedoch auch keine besondere Hilfe waren.
Hast du bereits Erfahrungen mit Systemtherapien, also der Behandlung mit Biologika gemacht? Wenn ja, wie hat diese Behandlung bei dir angeschlagen? Hast du sie gut vertragen?
Ende 2018 stand ich vor der Wahl: Systemtherapie oder Studie. Da die Systemtherapie nur temporär gewesen wäre, entschied ich mich für die Studie. Leider wurde sie abgebrochen. Das Medikament wirke bei mir gut. Innerhalb einer Woche brauchte ich kein Cortison mehr zu cremen und nichts gegen den Juckreiz einzunehmen.
Nach einer Pause und dem Versuch auf das Cremen und die Tabletten zu verzichten, wurde die Haut sehr schlimm. Daraufhin wurde ich ca. sechs Monate gespritzt. Leider war die Wirkung nicht ausreichend und die Nebenwirkungen an den Augen wurden immer schlimmer und bald nicht mehr zu ertragen, so dass ich die Spritze abgesetzt habe.
Dann bin ich im November 2020 mit einer neuen Studie gestartet. Ich erhalte seitdem alle vier Wochen eine Spritze mit einem an ganz anderen Wirkstoff. Da die Studie wieder Placebo kontrolliert ist, kann man natürlich nicht sagen, ob ich den richtigen Wirkstoff erhalte. Allerdings geht es mir seit Studienbeginn mit jeder Woche besser. Erst verschwand der Juckreiz und seit ein paar Tagen fängt die Haut an zu heilen.
Welche Art der Therapie hat dir bis jetzt am meisten Linderung verschafft?
Am besten hat mir bis jetzt das Medikament aus der erstem Studie geholfen. Sie unterdrückte bei mir nicht nur die Neurodermitis, sondern auch die Nesselsucht und die Allergien. Arbeiten, Sport, Shoppen, Haushalt, Freunden treffen, Party, es war einfach alles wieder möglich, wie bei einem gesunden Menschen.
Es ist noch gar nicht lange her, erst eineinhalb Jahre etwa, dass du dich ganz bewusst dazu entschlossen hast, dich und deine Neurodermitis öffentlich zu zeigen. Auf deinem Instagram Profil instagram.com/kratzen_bis_es_blutet/ lässt du die Menschen an deinem Tagesablauf und an deinen Haut- und Lebensveränderungen teilhaben. Warum hast du dich gerade zu diesem Zeitpunkt entschlossen, mit deiner Krankheit in die Öffentlichkeit zu gehen?
Ich habe bereits Monate zuvor nach Instragram-Accounts gesucht, die über Neurodedmitis berichten und habe nur eine Handvoll gefunden. Und es hätte mir geholfen, einer Seite zu folgen, die motiviert und die unterschiedliche Möglichkeiten der Behandlung aufzeigt. An dem Tag, als ich mit meinem Account bei Instagram gestartet bin, war ich an einem Punkt, an dem ich verzweifelt war. Es sollte in erster Linie eine Art Tagebuch für mich sein, das aber auch anderen helfen könnte.
Kannst du uns als Neurodermitis-Spezialistin drei praktischen Tipps geben, mit denen man sich und seine Neurodermitis geplagte Haut samt Rötungen und Schwellungen möglichst entspannt durch den Tag kommt?
Da meine Schübe besonders durch Stress getriggert werden, heißt es für mich, erst mal Ruhe zu bewahren. Nach einem stressigen Tag nehme ich mit gerne ein Buch, um abzuschalten.
Seitdem ich einen guten Schlafrhythmus gefunden habe, bin ich erholter und kann besser mit einem Schub umgehen.
Und um die entzündete Haut bei der Heilung zu unterstützen, helfen mir besonders Schwarzteekompressen.
Deine Neurodermitis war früher nicht so stark ausgeprägt wie jetzt. Wann und wie kam es zu dem Schub, der alles verändert hat und wie war er für dich?
Ich glaube, dass der Stress, den ich in der Ausbildung und der Freizeit hatte, meinen Schub ausgelöst hat. Es war jede Minute in meinem Kalender verplant und meistens sogar doppelbelegt. Das ging mehrere Jahre so.
Am Anfang des Schubes habe ich es wie früher einfach hingenommen. Doch je schlimmer die Haut wurde, desto verzweifelter wurde ich. Die Ärzte haben nicht verstanden, dass die Schwere der Neurodermitis für mich Neuland war. Es hieß immer nur, hier haben sie noch mehr Cortison. Ich habe heute erst nach 2-3 Jahren verstanden, wieso die Ärzte so reagieren. Denn bis 2017 gab es kaum andere Möglichkeiten außer Cortison und ein paar anderen Mittel. Im Laufe der letzten Jahre habe ich mir sehr viel Fachwissen über Neurodermitis angeeignet, dies hat mir sehr geholfen.
Wie geht es deiner Haut aktuell?
Gut, sie kann aber noch besser werden. Aber ich liebe es, meinen Alltag zurück zu haben und die Nächte wieder gut schlafen zu können.
Wie stark greifen die Stellen deiner Haut dein Seelenlebern an?
Ohh leider sehr. Als nur Arme und Hals betroffen waren, ging es noch. Ich habe mich zwar nicht immer wohl gefühlt, aber es war ok. Seitdem das Gesicht betroffen ist, war es schwer für mich, in den Spiegel zu schauen. Ich habe viel geweint und es gibt immer noch Tage an denen ich niemanden sehen will. Erst als ich wirklich angefangen habe, die Erkrankung zu akzeptieren, wurde es leichter in den Spiegel zu schauen. Ich werde den Tag nie vergessen, an dem ich in den Spiegel geschaut, mich gesehen und mich einfach wieder hübsch gefunden habe.
Auf deinem Insta-Profil bist du viel am Lachen, obwohl deine Haut nicht rosig aussieht. Was gibt dir so viel innere Kraft?
Ich habe gelernt wie kostbar die guten Tage sind. Und dadurch genieße ich sie auch viel mehr.
Hast du schon besonders berührende oder fiese Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht, was deine Haut betrifft?
Nein, zum Glück nicht. Ich habe noch nie Mobbing erfahren. Nur der Spruch: Ich wäre selber schuld, dass ich Neurodermitis habe, fand ich unpassend.
Welche positiven Erfahrungen zur Hautpflege kannst du Menschen mit entzündeter Haut/entzündeten Hautstellen mitgeben? Wie pflegt man die Haut richtig gut?
Ich würde sagen das gibt keine richtige Methode. Jeder Mensch ist anderes und bei jedem treten die Ekzeme unterschiedlich stark auf. Mir hat geholfen, viele unterschiedliche Salben und Cremes auszuprobieren. Ich gebe gerne den Tipp in Apotheken nach Proben zu fragen, bevor man sich große Mengen an Salbe zulegt. Mir persönlich hilft es auch sehr, hin und wieder die Salbe zu wechseln.
Was wünscht du dir in Bezug auf die Krankheit?
Ich wünsche mir, dass auch Außenstehende verstehen was Neurodermitis bedeutet und dass es nicht nur rote juckende Haut ist. Es sind schlaflose Nächte, die Angst den eigenen Haushalt nicht alleine bewältigen zu können, Selbstzweifel und so viel mehr.
Schlusswort:
Ich glaube, dass wir Betroffene in einer guten Zeit für diese Erkrankung leben. Seit 2017 gibt es ein Biologikum. Seit Oktober 2020 wurde das nächste Medikament zugelassen und es werden noch weitere Präparate erforscht. Es gibt Hoffnung, dass bald das Leiden für jeden gelindert werden kann. Und ich glaube daran, dass es für jeden das eine ´Wundermittel´ gibt. Sei es Kurkuma, eine Ernährungsumstellung, Entspannungsübungen, Biologika oder einfach nur die Zeit. Denn man darf nicht vergessen, Neurodermitis verläuft in Schüben und das heißt, es wird auch eine Zeit ohne Ekzem kommen.
Ich kann jedem nur raten, sucht euch einen Arzt, der euch unterstützt und euch ernst nimmt. Mir hat das Recherchieren zu der Erkrankung sehr geholfen. Außerdem kann man in einer Reha sehr gut lernen, wie man am besten mit der Erkrankung umgehen kann.
Nice to know: Menschen mit schwerer Form der Neurodermitis haben Anspruch auf einen Behindertenausweis.