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Interview: Dr. Peer M. Aries über Vitamin D, Wärme, Sonne & rheumatische Erkrankungen

Bild zum Blogbeitrag: Interview mit Dr. Aries

Der Sommer ist da! Des einen Freud, des anderen Leid – Rheumatologe Dr. Peer M. Aries über Vitamin D und die Auswirkungen von Wärme und Sonne auf die verschiedenen rheumatischen Erkrankungen und den Umgang mit UV-Strahlung.

Endlich steht der Sommer vor der Tür. Die Stimmung steigt und viele von uns sehnen sich nach unbeschwerten Stunden am Strand oder haben bereits ihren Urlaub im sonnigen Süden gebucht.

Durch das Sonnenlicht können wir unseren Vitamin D Speicher wieder aufladen. Das sorgt nicht nur für gute Laune, sondern ist gerade im Rahmen von Autoimmunerkrankungen besonders relevant für den Kalziumhaushalt und starke Knochen. Durch Sonnenlicht zugeführtes Vitamin D gilt als besonders nachhaltig für unseren Körper. Bereits einige Minuten am Tag draußen genügen damit der Körper Vitamin D produziert.

Herr Dr. Aries, warum wird Autoimmunerkrankten trotzdem auch im Sommer oftmals zu einer Vitamin D Substitution geraten? 

Vitamin D wird insbesondere dann empfohlen regelmäßig in Tablettenform einzunehmen, wenn eine Therapie mit Cortison besteht. Dieses dient zum Schutz einer Osteoporose. Da die Sonneneinwirkung in Deutschland meistens zu gering bzw. zu kurz ist, und die Menschen hier selten mit freiem Oberkörper in der Mittagssonne sitzen, reicht es meist nicht aus, sich auf die eigene Vitamin D Produktion zu verlassen.

Kann es auch zu einer Überdosierung von Vitamin D kommen?

Durch die unkontrollierte Einnahme von dem fettlöslichen Vitamin D kann es insbesondere auch deshalb zu Nebenwirkungen kommen, da Vitamin D im Gegensatz zu anderen Vitaminen nicht ausgeschieden sondern im menschlichen Körper gespeichert wird. Sorgen muss man sich allerdings nur machen, wenn über einen längeren Zeitraum so viel Vitamin D eingenommen wurde, dass es dadurch bedingt zu einem Ungleichgewicht des Kalziumshaushaltes gekommen ist. Akute Beschwerden können Übelkeit, Erbrechen oder auch Herzrhythmusstörungen sein, während ein chronischer Zustand z.B. zu Nierenschäden (Nierensteine) oder einer Osteoporose führen kann

Es gibt Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise die rheumatoide Arthritis, bei der Patienten in der wärmeren Jahreshälfte subjektiv weniger unter Gelenkbeschwerden leiden als im Winter. Patienten mit einem systematischen Lupus Erythematodes hingegen versuchen die Sonnenexposition so gut es geht zu vermeiden, um keinen Nährboden für Schübe zu liefern. 
Lassen sich generell Aussagen zu Wärme und Sonne in Bezug auf Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis treffen oder ist hier jede Erkrankung und jede Person individuell zu betrachten?
 
Tatsächlich ist das Empfinden für Wärme und Kälte sehr individuell. Bei den von Ihnen angesprochenen Erkrankungen verhält es sich so, dass Klima mit niedrigen Temperaturen und hoher Feuchtigkeit für die Beschwerden im Bewegungsapparat (Muskel- und Gelenkschmerzen) meistens eher ungünstig empfunden werden. Hierzu gibt es auch interessante Untersuchungen aus der Notaufnahme, dass z.B. in solchen Monaten häufiger Patienten mit rheumatischen Gelenkserkrankungen Notfall-Sprechstunden aufsuchen.
Für den systemischen Lupus erythematodes gilt, dass die UV-Strahlen der Sonne zu einer immunologischen Reaktion in der Haut führen und somit einen Schub auslösen können. Diese Patienten vermeiden bereits aus Ihrer Erfahrung heraus das Sonnenlicht, da sie gemerkt haben, dass nicht nur die Haut lichtempfindlicher geworden ist, sondern es Ihnen auch allgemein weniger bekommt.

In welchem Maß beeinflussen Medikamente die Sensibilität gegenüber Sonneneinstrahlung? (MTX, Chloroquin, Kortison)

Viele der Medikamente, die autoimmune Patienten einnehmen, können bei Sonneneinstrahlung zu einer fotoallergischen Reaktion bzw. eine zu einer Fototoxizität führen. Durch die UV-Strahlen kommt es zur Veränderungen der chemischen Moleküle aus denen die Medikamente  bestehen. Dieses kann zu strukturellen Veränderung oder damit verbunden auch zu einer veränderten Reaktivität der Moleküle führen. Sie verhalten sich deshalb sowohl was die Wirkung als auch Nebenwirkung angeht plötzlich anders. Viele der Reaktionen werden insbesondere durch UV-A Strahlen ausgelöst, die, anders als die UV-B Strahlen, nicht von Glas oder dünner Kleidung abgehalten werden. Deshalb können die Reaktionen z. B. auch beim Autofahren und geschlossenen Fenstern auftreten.

Viele wissen, der beste Schutz vor zu viel Sonneneinstrahlung ist die Vermeidung. Doch mit einem gezielten Umgang lässt sich der Sommer auch für Autoimmunerkrankte angenehm gestalten. So kann eine gezielt ausgesuchte Sonnencreme nicht nur vor UV-A-, sondern auch vor UV-B-Strahlung schützen. Eine Kopfbedeckung oder eine Sonnenbrille können nicht nur Schutz, sondern auch modische Hingucker sein. Zudem gibt es ein zunehmendes Angebot an spezieller UV-Kleidung. 
Gibt es darüber hinaus Empfehlungen, die sie ihren Patienten mit auf den Weg geben?

Es geht tatsächlich nicht darum, dass sich Patienten mit Autoimmunerkrankungen verstecken und komplett die Sonne meiden sollten. Freizeitaktivitäten im Freien wie z. B. Sport oder soziale Kontakte pflegen ist auch und manchmal gerade für Patienten wichtig. Es kommt eben auf die Dosierung und den vorsorglich in Schutz an.

Viele Patienten mit einer Autoimmunerkrankung werden erfolgreich mit Biologika therapiert. Diese sollten in den meisten Fällen gekühlt aufbewahrt werden. Plant man jedoch einen längeren Urlaub bzw. eine lange oder komplizierte Urlaubsanreise im Flugzeug oder mit der Bahn, gestaltet es sich unter Umständen schwierig die Kühlung dauerhaft zu gewährleisten. 
Wie kann am besten sichergestellt werden, dass das Medikament ausreichend gekühlt transportiert wird?

Es gibt zum einen die Möglichkeit in den Wochen vor der Reise die Zeitpunkte der Applikation so zu verschieben, dass möglicherweise am Abreisetag die letzte Spritze appliziert wird und die nächste Spritze erst nach der Rückkehr wieder notwendig ist. Sollte dieses aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich sein, können diese Medikamente natürlich auch gekühlt mit zum Urlaubsort transportiert werden. Wichtig ist eine relativ kontinuierliche Kühlung, hierbei behilflich sind zum Teil Kühltaschen, die von den Herstellerfirmen zur Verfügung gestellt werden. Schauen Sie ruhig auch mal in dem Beipackzettel ihres Biologikum nach, weil einige wenige Präparate auch ungekühlt bzw. bei Raumtemperatur über 28 Tage stabil bleiben. Dabei ist es allerdings wichtig, dass die Medikamente nicht aus dem Kühlschrank genommen, bei Raumtemperatur transportiert und am Urlaubsort wieder in den Kühlschrank eingelagert werden. Im Zweifel sollte es so sein wie in der Werbung, fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.