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Chronisch entzündliche Darmerkrankung: Die Geschichte von Simone

Beitragsbild zur Mut-Mach-Geschichte von Simone - Colitis Ulcerosa

Name: Simone Koopmann
Alter: 53
Diagnose: 1993 Colitis Ulcerosa

Interview:

Wie verlief dein Weg von den ersten Symptomen bis zur Colitis Ulcerosa Diagnose?
Symptome bekam ich damals im Wanderurlaub. Ich wurde von einem auf den anderen Tag sehr krank: Blut im Stuhl, hohes Fieber, Darmschmerzen, Durchfälle. Sechs Wochen lag ich damals zu Hause. Mein damaliger Arzt hat dann entschieden, dass es wohl besser wäre, wenn ich ins Krankenhaus gehen würde und da lag ich dann wochenlang bis zur Diagnose.

Gab es besondere Schwierigkeiten?
Ja, starke Darmblutungen, sehr schnelle Gewichtsabnahme, hohes Fieber, Durchfälle, Knochenschmerzen.

Wie war dein Diagnosemoment?
Ehrlich gesagt, habe ich im ersten Moment gar nichts gedacht. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Mir ging es zu dem Zeitpunkt nicht gut. Ich hatte bereits über zehn Kilogramm abgenommen und war in keinem guten körperlichen Zustand. Ich musste mir den Namen der Krankheit auf einen Zettel aufschreiben, um überhaupt sagen zu können, welche Krankheit ich habe, wenn mich jemand gefragt hat. Das Internet war noch nicht so verbreitet damals, also habe ich mir das von Ärzten im Krankenhaus und meiner damaligen Internistin erklären lassen.

Und erst als ich nach sechs Wochen im Krankenhaus wieder zuhause war, wurde mir nach und nach klar, was das bedeuten könnte.

Dein Insta-Name @simones_ileostoma sagt alles: du bist Stoma-Trägerin. Hattest du die Wahl, mit oder ohne Stoma zu sein?
Leider nicht wirklich. Nach der Kolektomie 2014 war der Plan, dass ich „übergangsweise“, ca. zwei bis drei Monate mit dem Pouch lebe und dann das Stoma wieder zurückverlegt wird, wenn die Wunden gut verheilt sind und der Körper sich erholt hat. Leider bildeten sich dann Abszesse unter dem Stoma und mir wurde ca. sechs Wochen das Stoma zurückverlegt und ich bekam wieder einen Pouch. Aber die Probleme mit Abszessen und Fisteln im kompletten Bauchraum blieben und ich musste knapp ein halbes Jahr später notoperiert werden – und mir wurde ein zweites Stoma angelegt. Ich habe mich dann noch weitere drei Monate mit vier weiteren OPs (Fistelsanierung) unterzogen und seit Ende Februar 2018 lebe ich weitestgehend beschwerdefrei.

Durch die vielen Operationen habe ich allerdings sehr viele Verwachsungen im Bauchraum, die gelegentlich ziemlich Schmerzen, wenn ich viel sitze. Ansonsten bin ich frei von Medikamenten und lebe sehr gut mit meinem Stoma. Noch ein kleiner Nachsatz: Ich hätte mir auch 2018 mein Stoma wieder zurückverlegen können, aber ich habe mich bewusst dagegen entschieden, denn nach meinem sehr schweren Jahr 2015, wo ich um mein Leben kämpfen musste, wollte ich mich nicht mehr so großen OPs unterziehen und einfach nur so prima weiterleben mit meinem künstlichen Darmausgang. Und das tue ich heute noch.

Welche Argumente haben dich bewogen, die Stoma-OP zu wagen?
Ich habe mich 2014 dazu entschieden, nach einem sehr langen Gespräch mit meinem Internisten, den Dickdarm komplett rausnehmen zu lassen, da ich zu diesem Zeitpunkt schon seit über 20 Jahren einen entzündeten Dickdarm hatte, dauerhaft Cortison genommen habe und mir jedes Jahr sehr viele Pseudopolypen entnommen werden mussten.

Wie hast du gelernt, das Stoma für dich anzunehmen?
Vor der ersten Stoma OP bzw. vor der Kolektomie war ja eigentlich klar, dass das Stoma nur vorübergehend ist. Von daher habe ich mir da keine großen Sorgen oder Gedanken gemacht. Als ich dann vor der zweiten Stoma OP stand, war ich einfach nur froh, dass mir mein Leben zum zweiten Mal geschenkt worden ist. Ich war in einem so kritischen Zustand, dass ich nichts lernen konnte, aber um die Frage zu beantworten. Ich bin sehr dankbar, dass ich mein Stoma habe und weiterleben darf.

Welche Art der Behandlung andere Menschen kannst du als Stoma-Trägerin gar nicht leiden?
Ich möchte kein Mitleid. Ich habe zwar ein Stoma, aber das ist für mich nicht das Ende der Welt, sondern verhalf mir weiterzuleben.

Du trägst das Stoma auch sichtbar in der Öffentlichkeit, zum Beispiel am Strand?
Ja, unter anderem auch am Strand, aber auch im Schwimmbad. Ich trage meistens einen Bikini mit integrierter, kleiner Tasche in der Innenseite der Bikini-Hose, damit mein Beutel einen sicheren Halt hat. Mein Account ist öffentlich und hier zeige ich mich auch sehr oft mit meinem Beutel. Bis jetzt läuft das sehr gut. Ich habe allerdings auch ein gutes Selbstwertgefühl, dass ich auch überhaupt keine Probleme habe mein Stoma zu zeigen.

Wie reagierst du, wenn Menschen dir gegenüber komisch werden?
Es kommt darauf an in welcher Situation sie „komisch“ werden. Ich neige dazu, direkt auf die Menschen zuzugehen und zu erfragen, welches „Problem“ sie mit mir haben. Ich habe keinerlei Probleme damit zu erklären, warum ich ein Stoma habe. Ich gehe offen damit um.

Was sind deine nächsten Ziele für deine Gesundheit und wie willst du sie erreichen?
Mein Wunsch wäre, dass es mir weiterhin so gut geht, wie in den letzten fast acht Jahren mit meinem Stoma. Ich ernähre mich gesund; versuche Pausen und kleine „me“-Zeiten in meinen Alltag einzuräumen. Außerdem gönne ich mir gerne Auszeiten am Meer, weil ich dort Kraft und Energie tanke.

Welche Tipps kannst du zukünftigen Stoma-Träger*innen mitgeben, die noch Angst haben, sich dafür zu entscheiden?
Mit Betroffenen zu reden, empfinde ich als sehr wichtig und hilfreich, denn Betroffene können am besten übermitteln, wie man sich fühlt. Sie können auch eventuelle Ängste, Sorgen und Nöte minimieren oder auffangen. Es kommt auch immer darauf an, wie der oder die Betroffene seine Operation(en) empfunden und verkraftet hat. Ich wäre damals froh gewesen, schon Betroffene zu kennen. Ich habe mich zwar ein bisschen vorab im Internet informiert, aber das hat mir nicht so gut geholfen. Menschen, die schon selbst ein Stoma haben und erlebt haben, wie es sich anfühlt, können das meiner Meinung nach auch am besten „transportieren“. Das ist auch der Grund, warum ich einen Account bei Instagram vor zwei Jahren eröffnet habe, da ich gerne einen Einblick in mein Leben mit Stoma geben möchte. Wenn ich das gewusst hätte, wie sehr auch mir der Austausch unter Betroffenen hilft (egal ob mit oder Stoma), hätte ich mich schon vor Jahren entschieden, auf Social Media tätig zu werden.

Wie geht es dir aktuell?
Mir geht es gut. Zwar habe ich viele Verwachsungen im Bauchraum durch meine vielen Operationen, aber ich kann damit gut umgehen und gönne mir Ruhe und lege mich hin, um zu entspannen, wenn es zu doll schmerzt. Ansonsten fühle ich mich gut, ich kann mein Gewicht halten und habe Freude am Leben.

Was für Erfahrungen hast du mit Therapien und Medikamenten gemacht?
Mein Dünndarm ist ok, so dass ich zurzeit keine Medikamente mehr benötige. Aber als ich noch kein Stoma hatte, habe ich einiges an Medikamenten nehmen müssen. Salufalk zum Beispiel und Cortison; eigentlich über 20 Jahre in verschiedenen Dosierungen. Heutzutage ist die Therapiemöglichkeit mittlerweile eine andere. Die Pharmaindustrie schreitet voran. In meinem schlimmsten Krankheitsjahr 2015 habe ich sehr viele Opiate genommen: Tilidin, Morphium etc. Leider wurde ich davon abhängig und haben eigenständig einen kalten Entzug durchlaufen. Das war sehr schlimm, aber ich habe es geschafft.

Hast du alternative bzw. begleitende Therapiemethoden ausprobiert, die dich bei regulären Behandlungen richtig gut unterstützen konnten?
Nein, denn ehrlich gesagt, hatte ich mich damals zu wenig informiert und meine Internistin oder auch später mein jetziger Internist haben auf herkömmliche Medikamente gesetzt.

Hast du einen Wunsch in Bezug auf deine Erkrankung?
Ja, mehr Sichtbarkeit wäre großartig. Aus diesem Grund habe ich meinen Instagram Account gestartet. Ich möchte Mut machen und aufzeigen, dass man „trotz“ Stoma ein schönes und erfülltes Leben führen kann.

Schlusswort
Niemals aufgeben!! Das ist meine wichtigste Message an alle chronisch kranken Menschen. Auch wenn es Rückschläge gibt, niemals den Mut, die Zuversicht und die Hoffnung verlieren!

 

Bilder zur Mut-Mach-Geschichte von Simone - Colitis Ulcerosa