„NIK

Lupus: Die Geschichte von Wiebke

Bild zur Mut Mach Geschichte von Wiebke - Lupus

Name: Wiebke
Diagnose: Lupus
Seit: 12/13. Lebensjahr
Instagram: @bigwolfissues

Kannst du uns etwas über deine persönliche Reise mit deiner Erkrankung erzählen? Wann wurde sie diagnostiziert, und wie hat sich dein Leben seitdem verändert?

Ich habe seit meinem 12. bis 13. Lebensjahr Lupus. Die Erkrankung wurde jedoch erst in meinem 16. Lebensjahr diagnostiziert. In dieser Zeit habe ich viele verschiedene Ärzte und Ärztinnen aufgesucht, jedoch konnte lange Zeit keine Ursache gefunden werden. Mit der Zeit ging es mir immer schlechter, bis ich schließlich in einem Krankenhaus durchgecheckt wurde. Auch dort hat man meinen systemischen Lupus nicht entdeckt, und erst beim Entlassgespräch brachten meine Eltern Befunde von meinem Kinderarzt mit, die Hinweise auf Lupus gaben. Daraufhin wurde die weitere Diagnostik eingeleitet, bis schließlich einige Monate später feststand, dass ich eine systemische Autoimmunerkrankung habe. Die Erkrankung hat mich zu einem empathischen Menschen gemacht. Ich würde auch sagen, dass ich Glück viel intensiver empfinde als früher und insgesamt glücklicher und zufriedener bin.

Welche Herausforderungen hast du im Umgang mit deiner Erkrankung erlebt, und wie hast du gelernt, damit umzugehen?

Gerade in der Anfangszeit, als noch keiner wusste, was ich habe, bin ich besonders häufig damit konfrontiert gewesen, dass andere mir nicht (mehr) geglaubt haben. Irgendwann habe ich mir selbst auch nicht mehr geglaubt. Das hat mich gelehrt, immer bei mir selbst zu bleiben, mich und meine eigenen Grenzen zu spüren und zu respektieren, und vor allem, mir selbst gegenüber ehrlich zu sein.

Chronische Erkrankungen/Autoimmunerkrankungen können physisch und emotional belastend sein. Welche Strategien haben sich bei dir bewährt und dir geholfen, die positiven Aspekte des Lebens zu leben und dich nicht von der Erkrankung beherrschen zu lassen?

Mir hilft es, wenn ich mich bewusst auf das Leben fokussiere und all die Sachen, die ich erlebe, auch bewusst wahrnehme. Ich bin im Alltag mit sehr vielen Arztterminen konfrontiert, sodass ich manchmal das Gefühl habe, dass ich neben der Arbeit und den Terminen gar keine Luft mehr für mich selbst habe. An manchen Tagen kommt dann auch dazu, dass es mir durch die Erkrankung nicht so gut geht. Dann versuche ich mich abzulenken und Dinge zu tun, die mir guttun. Manchmal ist das auch einfach nur auf der Couch zu liegen und gar nichts zu tun. Wichtig ist nur, dass es für mich nach jeder anstrengenden Phase auch wieder positiv weitergeht. Selbstfürsorge steht also ganz weit vorne.

Kannst du uns von einem Moment der besonderen Stärke oder des Durchhaltevermögens erzählen, der dir auf deiner Reise mit der Erkrankung besonders in Erinnerung geblieben ist oder ein Wendepunkt im Umgang mit der Erkrankung war?

Für mich gibt es eigentlich keinen Wendepunkt mit dem Lupus. Die Erkrankung ist ein Teil von mir, und ich kämpfe nicht gegen sie an. Das brauchte viel Zeit und ist eine langsame, aber stetige Entwicklung – immer noch. Ich lebe mit meinem Lupus zusammen und meistere die allermeisten Dinge, die ich mir in den Kopf setze. Ich war schon ohne den Lupus sehr willensstark, und durch ihn bin ich nur noch stärker geworden.

Viele Menschen mit Autoimmunerkrankungen fühlen sich manchmal isoliert. Hast du Tipps oder Ideen, wie man Unterstützung in Form von Familie, Freunden oder der Gesellschaft findet?

Mir ging es auch so, dass ich mich oft alleine gefühlt habe mit der Erkrankung. Manchmal hatte ich schon fast das Gefühl, dass ich eine Art Doppelleben führe – eins mit Erkrankung und eins ohne Erkrankung. Ich habe beschlossen, das zu ändern, und gehe nach außen mit meiner Erkrankung offen um. Ich erzähle von den Alltagsdingen mit Erkrankung im Gespräch mit anderen mittlerweile relativ normal – weil es für mich eben auch ganz normal ist. Für viele ist das zu Beginn nicht so normal, dass jemand offen über seine Erkrankung spricht, aber die Menschen scheinen sich daran zu gewöhnen. So habe ich das Gefühl, dass die Erkrankung ein ganz normaler Teil meines Alltags geworden ist, und ich nicht nur zu Hause versteckt mit ihr lebe. Das tut mir sehr gut. Besonders unterstützt hat mich bei dieser Entwicklung auch die Tätigkeit im Verein Loudrare, den ich u.a. mit einer Gruppe von jungen Menschen gegründet habe, die auch eine seltene Erkrankung haben.

Wie hat sich deine Perspektive auf Gesundheit und Wohlbefinden verändert, seitdem du mit der Erkrankung lebst?

Gesundheit ist nicht selbstverständlich und hat auch nichts mit dem Alter zu tun. Ich muss auf mich und meine Gesundheit aufpassen, denn andere tun es nicht für mich. Bevor ich erkrankt bin, war ich allerdings auch ein Kind, sodass ich nicht weiß, ob die Perspektive sich durch die Erkrankung geändert hat oder einfach nur durch die Tatsache, dass ich mittlerweile erwachsen bin und auch als Ärztin jeden Tag daran erinnert werde, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist.

Hast du Ratschläge für andere Menschen mit Autoimmunerkrankungen, die vielleicht gerade erst ihre Diagnose erhalten haben?

Auch wenn man erst einmal das Gefühl hat, dass es nicht mehr weitergeht, geht es am Ende doch weiter. Man wächst mit seinen Aufgaben, und die Erkrankung wird irgendwann ein Teil von einem. Sucht euch Menschen, mit denen ihr euch austauschen könnt, und nehmt euch genug Zeit für euch selbst. Es braucht Zeit, bis man sich im neuen Alltag mit Erkrankung, Arztterminen und Medikamenten zurechtfindet. Aber es wird weitergehen, und ihr werdet wieder lachen können 🙂

Welche Rolle spielt die Ernährung und körperliche Aktivität in deiner Bewältigungsstrategie?

Sport steht für mich an oberster Stelle. Wichtig ist mir vor allem, dass mir die Bewegung Spaß macht und ich auch einen Trainingseffekt spüre. Es tut mir extrem gut, auch einfach einmal in positiver Weise erschöpft zu sein und mich richtig auszupowern. Ohne Sport wäre ich nicht so glücklich. Hinsichtlich der Ernährung habe ich keine spezielle Ernährungsform. Ich achte sehr darauf, mich ausgewogen und gesund zu ernähren, aber ich meide keine Lebensmittel. Mir ist es wichtig, bewusst zu essen und zu genießen.

Gibt es bestimmte Hobbys, Aktivitäten oder Interessen, die dir dabei helfen, dich abzulenken oder mehr Freude zu empfinden?

Sport, Reisen und manchmal auch einfach nur das tun, was mir eben in den Sinn kommt 🙂

Was möchtest du anderen mitteilen, die ähnliche Kämpfe durchmachen? Welche Botschaft der Hoffnung oder des Mutes möchtest du teilen?

Bleibt stark, aber bei euch selbst. Eine Erkrankung zu haben ist kein Sprint, sondern ein Marathon, und man muss sich seine Kräfte gut einteilen.

Wie hat die Erfahrung mit deiner Erkrankung deine Einstellung zur Selbstfürsorge und dem Umgang mit Stress beeinflusst?

Die Erkrankung hat mich extrem stark beeinflusst, was die Themen Selbstfürsorge und Umgang mit Stress angeht. Ich bin mir mittlerweile im Klaren, dass auch ich meine Grenzen habe, und es liegt in meiner Verantwortung, dass ich diese nicht überschreite. Ich erlaube mir auch mal Nein zu sagen und empfinde es nicht als Niederlage oder Versagen, wenn ich auch einmal kürzer trete.

Kannst du uns von einem besonderen Moment erzählen, in dem du dich besonders überwältigt gefühlt hast, es aber geschafft hast, diese Herausforderung zu bewältigen?

Nach der Diagnose habe ich mich mindestens das ganze erste halbe Jahr pausenlos überwältigt gefühlt – als hätte ich das Leben, das ich mir gewünscht habe, verloren. Ich habe getrauert und mich immer wieder gefragt, was überhaupt noch aus mir werden soll. Die Medikamente, die ich bekommen habe, haben nicht wirklich angeschlagen, und es hat einige Jahre gedauert, bis wir die passende Therapie gefunden haben. Ich musste ein Jahr länger in die Schule gehen, weil ich nicht genug Noten hatte, und habe auch während des Studiums immer Sorgen gehabt, ob ich überhaupt als Ärztin arbeiten kann. Ich denke, meine bisher größte Herausforderung war es, trotz all der Sorgen und Hindernisse immer dranzubleiben, zu lernen, was mir guttut, und mich weder zu überfordern, aber auch meine Grenzen auszutesten. Ohne das Durchhaltevermögen wäre ich heute nicht Ärztin und hätte wohl auch keine so genaue Ahnung, was ich von meinem Leben möchte 😉