Kolektomie?
Bei einer Kolektomie spricht man von der teilweisen oder vollständigen Entfernung des Dickdarms. Wird der Dickdarm inklusive des Rektums (der letzte Abschnitt vorm Anus) entfernt, handelt es sich um eine Proktokolektomie. Die Proktokolektomie ist die häufigste chirurgische Therapiemaßnahme bei Colitis Ulcerosa (CU), wenn Betroffene auf Medikamente und komplementäre Medizin nicht mehr oder nicht ausreichend ansprechen.
Kolektomie leitet sich ab von den Wörtern:
Colon dem griechischen Wort für Dickdarm
– ektome die griechische Bezeichnung für „Herausschneiden“
Gründe für eine Kolektomie
Die Erkrankung Colitis Ulcerosa (CU) und ihr Verlauf sind sehr unterschiedlich von Patient*in zu Patient*in. Die häufigsten Gründe für eine Kolektomie sind jedoch:
- Notfall-Komplikationen: Manchmal treten schwere Komplikationen im Verlauf einer CU auf, die eine Kolektomie unumgänglich machen, um Betroffene vor dem Tode zu retten. Dazu gehören zum Beispiel Darmverschlüsse mit einem Darmdurchbruch als Folge oder ein toxisches Megakolon.
- Absolutes Therapieversagen: Obwohl die meisten Patient*innen gut behandelbar sind, in Hinsicht auf ihre Colitis, gibt es jedoch hin und wieder doch Fälle, die als therapierefraktär (keine medikamentöse Therapie wirkt ausreichend) gelten. Solchen Betroffenen wird früher oder später zu einer Entfernung des Dickdarms als Therapie geraten, um die hohe Entzündungsaktivität zu stoppen und oben genannte Notfall-Komplikationen zu vermeiden.
- Der Wunsch von Betroffenen: Auch wenn es für die meisten gesunden Menschen unvorstellbar ist, dass sich ein Mensch auch nur wünschen könnte, sich freiwillig ein Organ entnehmen zu lassen, ist bei machen CU-Betroffenen die Lebensqualität so enorm eingeschränkt und der Leidensdruck so groß, dass sie freiwillig sich für die Kolektomie entscheiden. Dies ist zwar drastisch und Patient*innen sollten sehr gründlich über Risiken und Auswirkungen aufgeklärt sein, aber dennoch ein valider Grund.
Dickdarm raus und dann?
Im besten Fall wird eine Kolektomie geplant und ist keine Not-Operation. Es gibt verschiedene Möglichkeiten an künstlich geschaffenen Darmausgängen, zwischen denen die Patient*innen wählen können, wenn die sich den Dickdarm entfernen lassen möchten. Diese Entscheidung ist wieder sehr individuell abhängig vom Wunsch der Betroffenen als auch der Ausgangssituation. Die am häufigsten gewählten Optionen sind…
das Ileo-Stoma: Ein Dünndarm-Stoma ist ein künstlicher Darmausgang, bei dem nach Entfernung des Dickdarms, das Ende des Dünndarms durch die Bauchdecke gelegt wird und dort festgenäht wird. Stoma-Träger*innen erhalten dann medizinische Versorgung in Form von Stoma-Beuteln, in die der Stuhlgang dann fließen kann, sowie dort gesammelt wird. Diese Beutel werden an den Bauch geklebt und sind meist so unauffällig, dass sie unter der Kleidung nicht sichtbar sind.
Ein Stoma wird im Rahmen jeder Kolektomie angelegt. Entscheidet sich der*die Patient*in für ein dauerhaftes Stoma bleibt es bei einer Operation.
oder der J-Pouch: Ein sogenannter J-Pouch ist kurz beschrieben eine körper-innenliegende Verbindung zwischen Dünndarm und Anus inklusive eines Reservoirs für den Stuhlgang. Hierbei wird erst der Dickdarm entnommen, der Dünndarm in Form eines J gelegt und an der unteren Seite des damit gebildeten Reservoirs angeschnitten und an den Anus angenäht. Eine J-Pouch Anlage geht ebenso immer mit einer Stoma-Anlage einher und kann in zwei oder drei OPs fertiggestellt werden.
Ist eine Kolektomie die Heilung für Colitis Ulcerosa?
Im Gegensatz zur leider immer noch weit verbreiteten Meinung, eine Colitis Ulcerosa sei heilbar durch eine Kolektomie, ist dies leider nicht der Fall. Doch der Gedanke liegt nah: „Wo kein Dickdarm (Colon), da auch keine Entzündung (-itis).“ – Diese Aussage ist leicht gesagt, aber dennoch falsch.
- Der Heilungsbegriff
In der Medizin ist der Begriff Heilung als Wiederherstellung der Gesundheit unter Erreichen des Ausgangszustandes definiert. (restitutio ad integrum). Die Entnahme eines (gesamten) Organs kann man wohl nicht darunter verstehen. - Die Genetische Disposition und die Sache mit der multifaktoriellen Erkrankung
Wie bereits im Artikel zu Colitis Ulcerosa erklärt, ist eine CU weitaus mehr als ein spontan entzündeter Blinddarm. Bei der Operation wird weder die genetische Disposition (Veranlagung) entfernt noch bestehende weitere Begleiterkrankungen oder extraintestinale Manifestationen. Diese werden durch die Entfernung des Dickdarms nicht einfach so geheilt. Dazu ist CU eine zu komplexe und eben multifaktorielle Erkrankung. - Pouchitis und Stoma-Komplikationen
Weder das Stoma noch der Pouch sind risikofrei von Komplikationen nach der Kolektomie und deren Anlage. So können sich klassische Entzündungen wie bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung auch am Ileo-Stoma oder im Bereich des Dünndarms vor dem Stoma bilden. Beim Pouch ist das Risiko ebenso gegeben. Über die Hälfte aller Patient*innen mit J-Pouch erleben in den ersten zwölf Monaten ihre erste Pouchitis (Entzündung des Pouches). 10% aller J-Pouch Anlagen sind leider Misserfolge und werden in der Regel wieder in ein Stoma umgewandelt.
Man kann also natürlich dem Kind (Colitis Ulcerosa) einen neuen Namen geben (Ulzera der Stomamukosa / Entzündung und Ulzera peristomal / Pouchitis), dennoch fallen diese Folgeerkrankungen bzw. Komplikationen nicht aus heiterem Himmel und sind letztendlich genauso auf die genetische Disposition der Chronisch Entzündlichen Darmerkrankung zurückzuführen, wie die Colitis Ulcerosa an sich.
Dennoch bleibt die Kolektomie mit ca. 70 % Remissionsrate, mit Abstand die Therapieoption mit der höchsten Remissionsrate im Gegensatz zu den einzelnen Medikamenten oder komplementärer Medizin. Gleichzeitig ist sie unumkehrbar, drastisch und ebenso mit den meisten und schweren Langzeitfolgen verbunden.
How To Kolektomie?
Vermutlich am wichtigsten zu verstehen ist, dass eine Kolektomie eine Entscheidung für das Leben ist. Also nicht nur der Gedanke, an ein bestmögliches Leben mit Chronisch Entzündlicher Darmerkrankung und ohne Dickdarm, sondern auch eine echte Entscheidung dafür, wirklich und wahrhaftig Leben zu wollen. Für ein glückliches Leben, für Träume und Wünsche und Lebensziele. Denn die meisten aller Betroffenen leben gut mit der Entscheidung für die Kolektomie, auch wenn sie einem zunächst vermutlich eine Riesenangst einjagt.
Damit eine Kolektomie die besten Startbedingungen birgt, ist es vor allem wichtig sich im Vorhinein gut mit ihr auseinander zu setzen: Gespräche mit den eigenen Gastroenterolog*innen und CED-Spezialist*innen rechtzeitig zu führen, sich bei mehreren spezialisierten Chirurg*innen vorzustellen und sich am Ende die eigene beste Entscheidung zu treffen.
Und dann braucht man nur noch eine kleine Prise Glück für die oft lang ersehnte Remission.
Ein Beitrag von Jana Sophie Gottert aka @nocolon.stillrollin
Betroffene einer Chronisch Entzündlichen Darmerkrankung
Aktivistin, Bloggerin und Speakerin für chronische Erkrankungen und*oder Behinderungen
CED-Patient*innen-Expertin