Gastbeitrag/ Interview von @frauenpowertrotzms
Wie war deine Erfahrung, als du versucht hast, deinen Kindern die Diagnose Multiple Sklerose zu erklären?
Beide Kinder haben auf ihre Art und Weise Fragen gestellt; Joel offensiv und Sarah durch Beobachten. Da beide wissen, dass ich mit allem offen umgehe und ehrlich bin, beantwortete ich kindgerecht die Fragen. Ich nahm auch mal Stift und Papier zur Erklärung zur Hand, zeichnete und erklärte von mir aus, wenn es mir nicht gut ging oder ich öfters zum Arzt oder in die Klinik musste. In der Klinik telefonierte ich täglich mit ihnen, auch kamen sie mich besuchen. Oft spielte ich die starke Mama, denn ich finde, nicht jeder Schmerz und Komplikation der Erkrankung müssen Kinder mitbekommen.
Welche Herausforderungen hast du dabei erlebt und wie bist du damit umgegangen?
Kinder haben sehr feine Antennen und spüren schnell, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Bitte nicht anlügen, sondern erklären und Verständnis zeigen. Auch kleine Kinder verstehen sehr viel und mit einfachen Worten erklärt man ihnen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen, dass bald wieder alles gut wird. Sie gewöhnen sich schnell an Hilfsmittel oder wenn sie mehr Unterstützung von der Familie oder anderen Menschen brauchen. Es wird irgendwann selbstverständlich sein. Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten und sehe es bei sehr vielen Familien, in denen einer der Eltern ein Handicap hat.
Was hat dich dazu inspiriert, selbst ein Kinderbuch zu dem Thema zu schreiben?
Nach der Diagnose versuchte ich einigermaßen kindgerecht, wenn dies denn überhaupt möglich ist, den Kindern die Krankheit zu erklären. Damals wünschte ich mir ein Buch zur Unterstützung, wurde aber nicht fündig. Deswegen beschloss ich 2022 selbst ein Kinderbuch zu schreiben – eins, dass Kinder und ihren Eltern beim Verstehen der Erkrankung Multiple Sklerose unterstützt und begleitet.
Kannst du uns mehr über dein Kinderbuch „Mama ist anders gesund/Papa ist anders gesund“ erzählen und wie es Eltern und Kindern helfen kann, die MS zu verstehen?
Da ich selbst seit fast 21 Jahren alleinerziehende Mama bin, spiegelt die Mama im Buch etwas mein Leben und der kleine Florian meinen Sohn. Der Drache Fridolin ist klar erfunden, auch wenn ich mir solch einen kleinen Freund für meine Kinder gewünscht hätte. Ich versuche den Kindern eine Geschichte zu erzählen, die ihnen Mut machen soll, Fragen an ihre Mamas und Papas zu stellen oder andere Bezugspersonen. Sie sollen verstehen, was in ihrem Alltag durch die MS sich eventuell verändert hat und warum ein geliebter Mensch in ihrer Familie Medikamente nehmen muss oder nicht mehr so agil in allem ist. Mein Sohn Joel hat ein paar Sätze während eines Interviews gesagt, die vielleicht auch Ihrem Kind helfen können:
„Offenheit ist einer der wichtigsten Punkte. Meine Mama ist krank, des-wegen reagiere ich offen und empathisch. Ich musste zwar einiges im Haushalt in meiner Kindheit und Jugend helfen, aber das hat mir geholfen allgemein auch sehr hilfsbereit zu sein. Versucht positiv zu bleiben, es gibt für alles eine Lösung.“
Wie haben deine Kinder auf deine MS reagiert und wie hast du versucht, ihnen Sicherheit und Verständnis zu vermitteln? Wie seid ihr als Familie gemeinsam mit der MS umgegangen?
Nach meinen Empfindungen sind sie zu schnell „erwachsen“ geworden. Auch wenn ich in den „gesunden“ Zeiten immer für sie da bin und war. Kindgerechte Gespräche über die Erkrankung fruchteten trotzdem auch wenn beide Kinder sehen, dass es mir nicht gut ging. Mit Erklärungen verstehen viele Kinder es einfach besser. Jedoch ist bekanntlich jedes Kind anders und Sie wissen am besten, was ihren Kleinen guttut und sie ihnen zumuten können.
Trotz unseres Alltags mit der MS und den Schwierigkeiten, meine Ausfallszeiten zu organisieren und durchzustehen, arrangieren wir uns bis heute mit „ihr“, und lassen uns nicht unterkriegen. Wir haben uns lieb und sind für einander da – jeder auf seine Art!
Welche Tipps hast du für Eltern, die versuchen, ihren Kindern die MS zu erklären und sie durch diese Herausforderung zu begleiten?
Seien Sie für Ihre Kinder da, sprechen Sie über Ihre Krankheit entsprechend dem Alter und beantworten Sie ihre Fragen. Leben Sie Ihr Leben mit der Familie, organisieren Sie sich neu und geben sich gegenseitig Halt – der „neue“ Weg ist nicht so viel anders als bei anderen ohne MS.
Ich wünsche Ihnen Mut nach vorne zu schauen, denn Sie sind derselbe Mensch wie vor der Diagnose – nur eben mit gewissen Einschränkungen und wer hat die heute nicht? UND: Lassen Sie sich niemals von ihrem Umfeld etwas vorschreiben, wie man leben soll und „muss“. Seien Sie stark für Ihre Kinder, dann werden es lebensstarke Menschen, die viel geben können und voller Liebe aufwachsen. Ich habe es geschafft, dann werden Sie es auch können!
Was möchtest du Eltern und ihren Kindern mit deinem Buch vermitteln und welche Botschaft möchtest du ihnen geben?
Mit einer Krankheit klarzukommen, deren Verlauf meist ungewiss ist und auf deren Diagnose man sich nicht vorbereiten kann, ist dabei oft schon schwer genug. Kurz nach der Diagnose liegen die Nerven erstmal blank. Ist der erste Schock verdaut, tauchen schnell neue Herausforderungen und Fragen auf. Eine der wohl schwierigsten Fragen ist dabei die, wie man seinen Liebsten und insbesondere seinen eigenen Kindern von der Diagnose erzählt und, wie es danach weitergeht.
Ich lebe bereits seit über 20 Jahren mit der Diagnose MS und meine Kinder sind mittlerweile erwachsen. Meinen Kindern die Diagnose Multiple Sklerose zu erklären, war eine meiner schwersten Aufgaben im Leben. Diese Aufgabe habe ich in zwei Kinderbücher festgehalten, eins für Mamas mit MS und eins für Papas. Dabei hilft mir der kleine Drache Fridolin Kindern, insbesondere der 8-jährige Florian Kindern die Multiple Sklerose zu erklären.